Sind für das Jobcenter Hagen sozialrechtliche Vorschriften ein „Buch mit 7 Siegeln“?
Sind für das Jobcenter Hagen sozialrechtliche Vorschriften ein „Buch mit 7 Siegeln“?

Sozialgericht hat Jobcenter mehrfach zur Zahlung aufgefordert


Das SG hatte die im Verfahren vorgelegten Unterlagen geprüft und im Rahmen eines Erörterungstermins den Antragssteller gehört.
Wegen der geringen Anforderungen an die Arbeitnehmereigenschaft wies das SG das Jobcenter auf den offensichtlich bestehenden Leistungsanspruch der Familie wiederholt hin. Dennoch leistete das Jobcenter nicht.
 

Einstweilige Anordnung auf vorläufige Zahlung


Nachdem mehrere Hinweise des Gerichts im Hinblick auf den bestehenden Leistungsanspruch durch das Hagener Jobcenter missachtet wurden, erließ die 19. Kammer des SG Dortmund eine einstweilige Anordnung gegenüber dem Jobcenter zur vorläufigen Zahlung von Grundsicherungsleistungen.

Zugleich wurden dem Jobcenter - wie auch schon in mehreren vorangegangenen Verfahren - Verschuldenskosten in Höhe von 500 Euro auferlegt. Das Verhalten der Behörde, so das SG, erwecke den Eindruck, dass sie es in einer Vielzahl derartiger Fälle regelmäßig darauf anlege, nur zu leisten, wenn sie von dem Gericht dazu verpflichtet wird.

In seinem Beschluss vom 13.06.2017 wies das Gericht darauf hin, dass das Jobcenter Hagen durch diese Art der Prozessführung die Gewährung effektiven sozialgerichtlichen Rechtsschutzes behindere.

Das sagen wir dazu:

Mangelnde Rechtskenntnisse oder bewusste Versagung von Ansprüchen?


Es ist schon erstaunlich, dass das Hagener Jobcenter durch Bevollmächtigte in sozialgerichtlichen Verfahren vertreten wird, denen offenkundig die Bestimmungen des Sozialgerichtsgesetzes völlig fremd sind. Wie sonst lässt sich die wiederholte Auferlegung von Verschuldenskosten erklären?

Denkbar ist allenfalls noch, das der/die zuständigen Sachbearbeiter*in den offensichtlich bestehenden Leistungsanspruch einer sechsköpfigen Familie - in Kenntnis der Rechtslage - wiederholt und bewusst nicht gewährt hat. Sollte dies der Fall sein, so wäre dies ein schier unglaubliches und nicht entschuldbares Verhalten der Behörde.
 
Nach § 192 Abs.1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist.

Aus § 192 Nr. 4 SGG ergibt sich, dass das Gericht der Behörde ganz oder teilweise die Kosten auferlegen kann, die dadurch verursacht werden, dass die Behörde erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren unterlassen hat, die im gerichtlichen Verfahren nachgeholt wurden.
 

Mehrfach gerichtliche Hinweise ignoriert

 
Da das Jobcenter wiederholt durch das Gericht darauf hingewiesen wurde, dass die Aufrechterhaltung der Entscheidung unrechtmäßig ist und der begehrte Leistungsanspruch besteht, ist die Verhängung der Verschuldenskosten begrüßenswert.

Dies letztendlich auch deshalb, da das Gericht vor Verhängung der Kosten dem Jobcenter mitteilte, dass bei weiterer Weigerung, den begehrten Leistungsanspruch zu erfüllen, mit der Auferlegung von Verschuldenskosten zu rechnen sei.
 
Es ist nicht anzunehmen, dass die Geschäftsführung des Jobcenters Hagen die Mitarbeiter*innen, die sozialgerichtliche Verfahren führen, angewiesen hat, Antragsteller*innen bewusst offensichtlich bestehende Leistungsansprüche vorzuenthalten.


Denn klickt man auf diesen Link:

 
so ist dort zu lesen:
 

„Wir sind für Sie da! Schnell, unbürokratisch, direkt“.

 
Dass es dennoch immer wieder dazu gekommen ist, dass das Jobcenter Hagen durch diese Art der Prozessführung die Gewährung effektiven sozialgerichtlichen Rechtsschutzes behindert, sollte Anlass für die Geschäftsführung sein, über die fachliche Qualifikation der mit der Wahrnehmung von Sozialgerichtsverfahren beauftragten Beschäftigten nachzudenken. 

Rechtliche Grundlagen

§ 192 Sozialgerichtsgesetz

Sozialgerichtsgesetz (SGG)

§ 192

(1) Das Gericht kann im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass

1. durch Verschulden des Beteiligten die Vertagung einer mündlichen Verhandlung oder die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung nötig geworden ist oder
2. der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist.

Dem Beteiligten steht gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter. Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 für die jeweilige Instanz.

(2) (weggefallen)

(3) Die Entscheidung nach Absatz 1 wird in ihrem Bestand nicht durch die Rücknahme der Klage berührt. Sie kann nur durch eine zu begründende Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren aufgehoben werden.

(4) Das Gericht kann der Behörde ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass die Behörde erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren unterlassen hat, die im gerichtlichen Verfahren nachgeholt wurden. Die Entscheidung ergeht durch gesonderten Beschluss.