Zwei Jahre hielt sie die Umschulung durch, doch die Klägerin sollte die Weiterbildungsprämie nur teilweise bekommen. © Adobe Stock: GYNEX
Zwei Jahre hielt sie die Umschulung durch, doch die Klägerin sollte die Weiterbildungsprämie nur teilweise bekommen. © Adobe Stock: GYNEX

Ihren Bildungsgutschein in Händen schloss die Klägerin mit einem für die Weiterbildungsförderung zugelassenen Träger einen Umschulungsvertrag zur Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme ab. Sie beabsichtigte, den Berufsabschluss „Kauffrau für Büromanagement" im Rahmen einer Externenprüfung zu erwerben.

 

Das Gesetz sieht eine Prämie von 2.500 € vor

 

Die Frau nahm regelmäßig an der Weiterbildungsmaßnahme teil. Die Agentur für Arbeit erstattete ihr die anfallenden Weiterbildungskosten. Ende 2018 bestand die Betroffene den ersten Teil der vorgeschriebenen gestreckten Abschlussprüfung. Den zweiten Teil absolvierte sie drei Monate später und beantragte anschließend bei der Beklagten die Zahlung einer Weiterbildungsprämie in Höhe von insgesamt 2.500 €.

 

Die Beklagte zahlte nur 1.500. Sie begründete das damit, bei der durchgeführten Externenprüfung stehe der Klägerin nur die Weiterbildungsprämie für die bestandene Abschlussprüfung zu, selbst wenn diese in zwei Teilen durchgeführt worden sei. Eine vom Gesetz für die Prämienzahlung geforderte Zwischenprüfung habe es nicht gegeben.

 

Klage und Berufung blieben erfolglos

 

Vertreten durch die Jurist*innen des DGB Rechtsschutzes beschritt die Klägerin den Rechtsweg zunächst ohne Erfolg. Die Gerichte vertraten die Auffassung, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Weiterbildungsprämie in Höhe von weiteren 1.000 € nach Bestehen der Zwischenprüfung seien nicht erfüllt.

 

Der erste Teil der sogenannten gestreckten Abschlussprüfung stelle nämlich keine Zwischenprüfung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes dar. Der Gesetzestext ordne ausdrücklich an, dass eine Zwischenprüfung bei einem Berufsabschluss, wie die Klägerin ihn erworben habe, stattfinden müsse.

 

Im Gesetz heißt es in § 131 a Abs. 3 SGB III:

 

Arbeitnehmer*innen, die an einer nach § 81 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen, die zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf führt, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist, erhalten folgende Prämien, wenn die Maßnahme vor Ablauf des 31. Dezember 2023 beginnt:

1. nach Bestehen einer in diesen Vorschriften geregelten Zwischenprüfung eine Prämie von 1 000 Euro und

2. nach Bestehen der Abschlussprüfung eine Prämie von 1 500 Euro.

 

Ohne Zwischenprüfung keine weitere Prämie

 

Das Gesetz sei eindeutig und erfordere für die weitere Prämie in Höhe von 1.000 € zwingend eine Zwischenprüfung, die für die gestreckten Abschlussprüfung nicht vorgesehen sei. Hier komme es nur zu einer einzigen Abschlussprüfung. Die Klägerin könne deshalb auch nur die dafür vorgesehene Prämie in Höhe von 1.500 € erhalten.

 

Analog sei das Gesetz nicht auf die Klägerin anwendbar. Ihr Fall sei mit dem im Gesetz geregelten Sachverhalt nicht vergleichbar. Sie habe die beiden Teile der gestreckten Abschlussprüfung innerhalb von drei Monaten absolviert. Für diese kurze Zeitspanne habe es keines besonderen Durchhaltevermögens bedurft, das nach der Konzeption des Gesetzgebers die doppelte Prämiengewährung rechtfertige.

 

Das Verfahren ging in die Revision

 

Das Bundessozialgericht in Kassel sah die Sache anders. Mit Unterstützung von Daniel Schuch aus dem Gewerkschaftlichen Centrum für Revision und Europäisches Recht der DGB Rechtsschutz GmbH gewann die Klägerin ihren Prozess. Die Beklagte müsse der Klägerin in analoger Anwendung des Gesetzes die Weiterbildungsprämie zahlen, so das Bundessozialgericht.

 

Die erfolgreiche Teilnahme am ersten Prüfungsabschnitt einer gestreckten Abschlussprüfung mit einer etwa zweijährigen Ausbildung sei mit dem Bestehen einer Zwischenprüfung sehr wohl vergleichbar.

 

Die Prämiengewährung bezwecke die Stärkung des Durchhaltevermögens. Das beziehe sich auf die Gesamtdauer der Weiterbildungsmaßnahme. Seit Jahren komme es zu Modernisierungen der Ausbildungsordnungen. Es entspreche nicht der Zielrichtung des Gesetzes, wenn dessen Anwendungsbereich auf den reinen Wortlaut reduziert würde.

 

Hier geht es zum Urteil des Bundessozialgerichts.

Das sagen wir dazu:

Daniel Schuch, der mit dem Gewerkschaftlichen Centrum für Revision und Europäisches Recht die Ansprüche der Klägerin beim Bundessozialgericht durchsetzte, meint dazu:

 

 

„Das Bundessozialgericht hatte sich mit der Auslegung des Begriffes „Zwischenprüfung“ auseinanderzusetzen. Dabei ist positiv zu konstatieren, dass es die sich entwickelnde Modernisierung von Ausbildungsformen im Blick hatte und insofern die Auslegung im Sinne des Gesetzgebers vorgenommen hat. Wäre das Bundessozialgericht diesen Weg nicht gegangen, dann würde der Anwendungsbereich des § 131a SGB VI nur noch für wenige Ausbildungsformen in Betracht kommen und insofern seine motivierende Funktion verlieren. Dem Arbeitsmarkt wäre damit nicht geholfen.“