Sperrzeit wegen Arbeitsplatzaufgabe um die Mutter pflegen zu können? Copyright by pikselstock/Adobe Stock
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Durch Aufhebungsvertrag vom 20. Juli 2018 beendete die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis. Sie zog von ihrem 950 Kilometer entfernten Arbeits- und Wohnort zu ihrer Mutter, um diese zu pflegen. Die beklagte Bundesanstalt für Arbeit verhängte eine sechswöchige Sperrzeit. Begründet wurde diese damit, dass die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis gelöst habe. Die von der Klägerin vorgebrachten Gründe seien nicht geeignet gewesen, den Eintritt einer Sperrzeit abzuwenden. Da eine besondere Härte anzunehmen sei, werde die Sperrzeit aber von zwölf auf sechs Wochen verkürzt.

Sozialgericht weist Klage ab

Die Klage vor dem Sozialgericht (SG) Karlsruhe hatte keinen Erfolg. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses aufgrund von persönlichen Bindungen begründet sein könne. Aber nur ausnahmsweise könne die Aufgabe eines Arbeitsplatzes aus persönlichen Gründen, z. B. zur Pflege eines nahen Angehörigen, einen wichtigen Grund darstellen. Im Rahmen der Prüfung, ob ein wichtiger Grund vorliege, seien die tatsächlichen Umstände, einerseits der Gesundheitszustand der Mutter und andererseits der notwendige Pflegeaufwand sowie auch die Bemühungen der Klägerin um anderweitige Unterstützungsleistungen zu berücksichtigen.

Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls

Zum Zeitpunkt der Arbeitsaufgabe der Klägerin sei ein Pflegegrad der Mutter weder anerkannt und auch nicht beantragt gewesen. Zwar sei dies nicht zwingende Voraussetzung für die Annahme eines wichtigen Grundes, aber bei der Beurteilung, ob ausnahmsweise persönliche Belange die Interessen der Versichertengemeinschaft an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses überwiegen, seien sämtliche Beweggründe und Umstände des Einzelfalles zu würdigen.

Auch sei bei der Frage, ob ein Umzug der Klägerin mit der Folge der Arbeitsaufgabe erforderlich gewesen sei, zu berücksichtigen, ob anderweitige angemessene und zumutbare Lösungsmöglichkeiten geprüft wurden. Denkbar wäre die Unterstützung, beispielsweise ambulant, stationär oder durch andere Angehörige/Bekannte und Freunde.

Bei der Berücksichtigung des wichtigen Grundes spielen moralische Gründe keine Rolle

Auch nach den Angaben der Klägerin hätten anderweitige Möglichkeiten vorgelegen die Mutter zu pflegen. Diese aber seien von der Klägerin nicht angestrengt worden, so das Gericht. Es liege somit auch im Verantwortungsbereich der Klägerin, wenn diese keine Unterstützungsleistungen, z.B. durch die Pflegekasse beantrage. Nachvollziehbar sei es für das Gericht, dass die Klägerin sich aus moralischen Gründen selbst um ihre Mutter habe kümmern wollen. Bei der Beurteilung des wichtigen Grundes sei aber im Wesentlichen eine objektive Sichtweise angezeigt. Da unstreitig anderweitige Unterstützungsleistungen möglich gewesen seien, könne das Interesse der Versichertengemeinschaft nicht zurücktreten. Aufgrund der Gesamtumstände habe die Beklagte in nachvollziehbarer Weise eine besondere Härte bejaht und die Sperrzeit auf sechs Wochen verkürzt.
Hier finden Sie das vollständige Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. Juni 2019, Az: 11 AL 1152/19

Rechtliche Grundlagen

§ 159 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) III

§ 159 SGB III Ruhen bei Sperrzeit
(1) Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn

1.
die oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe),
2.
die bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend gemeldete (§ 38 Absatz 1) oder die arbeitslose Person trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgespräches, durch ihr Verhalten verhindert (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung),
3.
die oder der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die von der Agentur für Arbeit geforderten Eigenbemühungen nicht nachweist (Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen),
4.
die oder der Arbeitslose sich weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen an einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 45) oder einer Maßnahme zur beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung oder einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilzunehmen (Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme),
5.
die oder der Arbeitslose die Teilnahme an einer in Nummer 4 genannten Maßnahme abbricht oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einer dieser Maßnahmen gibt (Sperrzeit bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme),
6.
die oder der Arbeitslose sich nach einer Aufforderung der Agentur für Arbeit weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen an einem Integrationskurs nach § 43 des Aufenthaltsgesetzes oder an einem Kurs der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a des Aufenthaltsgesetzes teilzunehmen, der jeweils für die dauerhafte berufliche Eingliederung notwendig ist (Sperrzeit bei Ablehnung eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung),
7.
die oder der Arbeitslose die Teilnahme an einem in Nummer 6 genannten Kurs abbricht oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einem dieser Kurse gibt (Sperrzeit bei Abbruch eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung),

8.
die oder der Arbeitslose einer Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen (§ 309), trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachkommt oder nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei Meldeversäumnis),

9.
die oder der Arbeitslose der Meldepflicht nach § 38 Absatz 1 nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung).

Die Person, die sich versicherungswidrig verhalten hat, hat die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen darzulegen und nachzuweisen, wenn diese Tatsachen in ihrer Sphäre oder in ihrem Verantwortungsbereich liegen.


(2) Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit. Werden mehrere Sperrzeiten durch dasselbe Ereignis begründet, folgen sie in der Reihenfolge des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 1 bis 9 einander nach.


(2) Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt zwölf Wochen. Sie verkürzt sich

1.
auf drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte,
2.
auf sechs Wochen, wenn
a)
das Arbeitsverhältnis innerhalb von zwölf Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte oder
b)
eine Sperrzeit von zwölf Wochen für die arbeitslose Person nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde.


(3) Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsablehnung, bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme, bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme, bei Ablehnung eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung oder bei Abbruch eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung beträgt

1.
im Fall des erstmaligen versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art drei Wochen,
2.
im Fall des zweiten versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art sechs Wochen,
3.
in den übrigen Fällen zwölf Wochen.
Im Fall der Arbeitsablehnung oder der Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme nach der Meldung zur frühzeitigen Arbeitsuche (§ 38 Absatz 1) im Zusammenhang mit der Entstehung des Anspruchs gilt Satz 1 entsprechend.


(5) Die Dauer einer Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen beträgt zwei Wochen.


(6) Die Dauer einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis oder bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung beträgt eine Woche.