Müssen Leistungsempfänger ihr Auto verkaufen? Copyright by Igor Zakowski/Fotolia
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In der Vergangenheit bezog der 58- jährige Antragsteller laufende SGB II-Leistungen vom Jobcenter. Als freischaffender Künstler betreibt er ein Atelier für Auftragskunst. Er erhält eine Opferrente in Höhe von 300 Euro monatlich.
 
Im Juni 2014 hatte er vom Geld seiner Eltern einen gebrauchten Pick Up Truck für 21.000 Euro gekauft. Er begründete diesen Kauf damit weiterhin seiner beruflichen Tätigkeit nachgehen zu können. Der Fahrzeugbrief blieb für die Dauer von zehn Jahren im Besitz der Eltern.
 

Jobcenter unterstellt Wegfall der Hilfebedürftigkeit

Nachdem das Jobcenter von dem Autokauf Kenntnis erhielt, wurde die Bewilligung weiterer Grundsicherungsleistungen abgelehnt. Begründet wurde dies damit, dass Hilfebedürftigkeit nicht mehr gegeben sei, da vorhandenes Vermögen in Form des Autos zunächst zu verwerten sei. Internetrecherchen, so das Jobcenter und das Angebot eines örtlichen Gebrauchtwagenhändlers, hätten ergeben, dass bei dem Truck von einem Wert i.H.v. 20.000 Euro auszugehen sei.
 

Antragsteller begehrt gerichtliche Hilfe  - Sozialgericht lehnt Antrag ab

Nachdem das Jobcenter dem Künstler keine weiteren Grundsicherungsleistungen gewährte, suchte dieser um einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht (SG) nach.
 
Er begründete seinen Antrag damit, dass er sich bei verschiedenen Ford-Händlern um einen Verkauf des Kfz bemüht habe. Kein Händler sei jedoch zum Ankauf bereit gewesen. Er sei dringend auf die Gewährung von SGB II-Leistungen angewiesen. Das SG hat die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit der Begründung abgelehnt, dass der Antragsteller nicht hilfebedürftig sei. Gegen die Entscheidung des SG legte der Künstler Beschwerde beim Landessozialgericht (LSG) ein.
 

LSG „zerpflückt“ Rechtsauffassung des Jobcenters und des SG

Entgegen der Auffassung des Jobcenters und des SG Osnabrück kam das LSG zu dem Ergebnis, dass ein Anordnungsanspruch vorliegt, da die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers glaubhaft gemacht wurde.
 
Die Freibeträge zur Hilfebedürftigkeit wurden im vorliegenden Fall nicht überschritten. Denn zum Erhalt der Mobilität zur Arbeitsaufnahme gilt ein seit Jahren unveränderter Kfz-Freibetrag von 7.500 Euro. Hinzu komme ein Vermögensfreibetrag, der mit zunehmendem Alter ansteige. Dieser betrage beim Kläger 9.300 Euro. Da bei dem Antragsteller außer dem Auto kein weiteres Vermögen vorhanden sei, hätte er den Pick-Up nur verkaufen müssen, wenn der Wert 16.800 € übersteigen würde.
 

Nicht nachvollziehbare Berechnung des Jobcenters

Die Berechnung des Jobcenters vermochte das Gericht nicht nachvollziehen. Denn der Gesamtfreibetrag werde selbst bei einem jährlichen Wertverlust von nur 5 % durch Alter und Laufleistung unterschritten. Auch die vom Jobcenter beantragte richterliche Inaugenscheinnahme des Autos habe keine anderen Erkenntnisse erbracht. Im Übrigen sei zu beanstanden, dass bei solch unterschiedlichen Einschätzungen bisher kein Wertgutachten eingeholt wurde. Da im Eilverfahren nur geschätzt werden könne, müsse dies im Hauptsacheverfahren nachgeholt werden.
 
Die Wertermittlung von Autos, so das LSG, ist ein nüchterner Rechenvorgang ohne soziale Missbilligung.
Wenn der Antragsteller einen Golf für 7.500 € in der Garage und 9.300 Euro auf dem Konto hätte, wäre seine Bedürftigkeit nie angezweifelt worden.

 

Anspruch erst ab Eingang des Eilantrags

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann grundsätzlich erst für die Zeit ab Eingang des Eilantrages beim SG einstweiliger Rechtsschutz gewährt werden, nicht dagegen für die Vergangenheit.
 
Der Beschluss des LSG ist unanfechtbar.
 
Hier geht es zur Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 16. Mai 2019