Sozialgericht Cottbus: Computer ist zur Unterstützung der schulischen Ausbildung notwendig.
Sozialgericht Cottbus: Computer ist zur Unterstützung der schulischen Ausbildung notwendig.

Härtefall begründet Mehrbedarf

 

Die Rechtsgrundlage - so die Richter*innen der 42. Kammer des Cottbuser Sozialgerichts - für die Gewährung einer Beihilfe zum Zwecke der Anschaffung eines internetfähigen Computers durch eine bedürftige Schülerin, die die gymnasiale Oberstufe besucht, ergibt sich aus § 21 Abs. 6 Sozialgesetzbuch (SGB) II.


Da der Bedarf der Bezuschussung weder durch Zuwendungen Dritter, noch über Einsparmöglichkeiten aus dem Regelbedarf gedeckt werden könne und auch seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweiche, sei dieser unabweisbar im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II.


Ein Computer zum Preis von 350 € falle nicht unter den durchschnittlichen persönlichen Schulbedarf, der gemäß § 28 Abs. 3 SGB II bei bedürftigen Schülerinnen und Schülern in einer Höhe von insgesamt 100 € pro Schuljahr, in erster Linie bestimmt für die Ergänzungs- und Ersatzbeschaffung an notwendigen Schulutensilien, festgesetzt sei.

Ohne Computer wesentliche Einschränkung der Bildungsmöglichkeiten

Es sei dann von einem unabweisbaren Bedarf an einem Computer auszugehen, wenn Schüler*innen nur hiermit den Anforderungen des Unterrichts entsprechen können. Hierzu gehören auch die erforderlichen Vor- und Nachbereitungen der Unterrichtseinheiten. Werde die Möglichkeit der Anschaffung eines Computers nicht gegeben, droht diesen Schüler*innen eine wesentliche Beschränkung in ihren Bildungsmöglichkeiten.

 

Auch stehe dem Anspruch aus § 21 Abs. 6 SGB II auf den begehrten Zuschuss nicht entgegen, dass diese Bestimmung nach ihrem Wortlaut auf einen laufenden - und nicht einmaligen - Bedarf abstelle.

 

Unstreitig werde der Computer, für die Schulausbildung über einen längeren Zeitraum hinweg benötigt. Dies entspreche einer Bedarfslage, in der laufende Kosten anfallen, auch wenn die Deckung der längerfristig bestehenden Bedarfslage einmalig erfolgt. Wenn die Zurverfügungstellung eines Computers in Anmietung vorgenommen werde, würde die monatliche Miete hierfür, was außer Streit steht, einen fortlaufend fällig werdenden, nach § 21 Abs. 6 SGB II anerkennungsfähigen Zusatzbedarf darstellen.

Hier finden Sie das vollständige Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 13.10.2016 Az. S 42 AS 1914/13 (Volltext)


Das sagen wir dazu:

Die Härtefallregelung (§21 Abs. 6 SGB II) soll immer dann zum Einsatz kommen, wenn keine andere Regelung Anwendung findet. Offenkundig ist diese Regelung jedoch nicht allen Jobcenter-Entscheidern gegenwärtig, weshalb immer wieder Sozialgerichte angerufen werden müssen, die nicht selten zu dem Ergebnis kommen, das ein Härtefall vorliegt.


Der vom Cottbuser Sozialgericht entschiedene und begrüßenswerte Fall zeigt einmal mehr, dass selbst um die Bezuschussung dringend notwendiger schulischer Arbeitsmittel gestritten werden muss, was ein Unding ist. Denn es ist offensichtlich, dass die sehr begrenzten finanziellen Mittel von Hartz IV-Empfängern nicht ausreichen, um für ein Kind einen Computer zu kaufen, der zur Unterstützung der schulischen Ausbildung notwendig ist. 


Wenn die Notwendigkeit für Schüler*innen und Auszubildende bestehen sollte, einen Computer anzuschaffen, aber die hierfür notwendigen finanziellen Mittel nicht gegeben sind, dann sollten Bezieher*innen von Hartz IV-Leistungen nicht davor zurückschrecken, beim zuständigen Jobcenter die hierfür notwendigen Mittel zu beantragen.

Rechtliche Grundlagen

§§21 Abs. 6 und 28 Abs. 3 SGB Sozialgesetzbuch II



§ 21 Sozialgesetzbuch II - Mehrbedarfe
(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen
1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 33 Absatz 3 Nummer 2 und 4 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 des Zwölften Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

f:(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. :f

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres,
soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht oder ein Teil des angemessenen Warmwasserbedarfs nach § 22 Absatz 1 anerkannt wird.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs.


§ 28 Sozialgesetzbuch II - Bedarfe für Bildung und Teilhabe
(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).
(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für
1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

f:(3) Für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf werden bei Schülerinnen und Schülern 70 Euro zum 1. August und 30 Euro zum 1. Februar eines jeden Jahres berücksichtigt. Abweichend von Satz 1 werden bei Schülerinnen und Schülern, die im jeweiligen Schuljahr nach den in Satz 1 genannten Stichtagen erstmalig oder aufgrund einer Unterbrechung ihres Schulbesuches erneut in eine Schule aufgenommen werden, für den Monat, in dem der erste Schultag liegt, 70 Euro berücksichtigt, wenn dieser Tag in den Zeitraum von August bis Januar des Schuljahres fällt, oder 100 Euro berücksichtigt, wenn dieser Tag in den Zeitraum von Februar bis Juli des Schuljahres fällt. :f

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden und es der leistungsberechtigten Person nicht zugemutet werden kann, die Aufwendungen aus dem Regelbedarf zu bestreiten. Als zumutbare Eigenleistung gilt in der Regel der in § 9 Absatz 2 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes genannte Betrag.
(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen.
(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Mehraufwendungen berücksichtigt für
1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.
(7) Bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres wird ein Bedarf zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft in Höhe von insgesamt 10 Euro monatlich berücksichtigt für
1.
Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
die Teilnahme an Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im begründeten Ausnahmefall nicht zugemutet werden kann, diese aus dem Regelbedarf zu bestreiten.