Übernahme von Nachhilfekosten nur bei Versetzungsgefährdung.
Übernahme von Nachhilfekosten nur bei Versetzungsgefährdung.

Im Frühjahr 2012 beantragte die Klägerin für ihre damals 15-jährige Tochter Kostenerstattung für Nachhilfe in den Fächern Englisch und Mathematik. Begründet hatte sie es damit, dass die Leistungen der Tochter vom ersten Halbjahr 2011/2012 zum zweiten Halbjahr im Fach Englisch von gut auf ausreichend und im Fach Mathematik von befriedigend auf ausreichend abgesunken waren.


Die Schülerin erlangte im Juli 2013 die Fachoberschulreife. Die Tochter der Klägerin erhielt in dem Zeitraum von Juni 2012 bis April 2013 Nachhilfestunden. Für die insgesamt 116 Nachhilfestunden bezahlte die Klägerin 2.033,50 Euro, die sie gegenüber dem Jobcenter geltend macht


Mit Bescheid vom 24.03.2014 lehnte das Jobcenter die Kostenübernahme ab. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22.04.2015 als unbegründet zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Klage wie das SG Düsseldorf ab.

Ohne Nachhilfe wäre Versetzung nicht gefährdet gewesen

In ihrer Begründung vertreten die Richter*innen der 21. Kammer des Düsseldorfer SG die Auffassung, dass nach § 28 Sozialgesetzbuch (SGB) II eine die schulischen Angebote ergänzende Lernförderung dann berücksichtigt werde, wenn diese geeignet und erforderlich sei, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Wesentliches Lernziel sei die Versetzung. Die Versetzung der Schülerin von der Klasse 9 in die Klasse 10 sei nicht gefährdet gewesen. Es habe zu keinem Zeitpunkt eine mangelhafte Note vorgelegen. Die Schule habe die Eltern auch nicht schriftlich über die Gefährdung der Versetzung informiert.


Letzteres sei nach den schulrechtlichen Vorschriften in Nordrhein-Westfalen (NRW) jedoch Voraussetzung für eine Nichtversetzung. Nach Aussage der als Zeugin vernommenen Nachhilfelehrerin sei das Ziel der Nachhilfe nicht die bloße Versetzung, sondern vielmehr die Erlangung einer möglichst guten mittleren Reife gewesen.


Im Übrigen wäre selbst bei einer mangelhaften Note eine Versetzung in die nächste Jahrgangsstufe erfolgt. Auch hinsichtlich des Erreichens eines Schulabschlusses sei das wesentliche Lernziel die Erreichung eines solchen, der eine weitere Ausbildung ermögliche. Verbesserungen mit dem Ziel einer besseren Schulartempfehlung stellten nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers regelmäßig keinen Grund für eine Lernförderung dar.

Hauptschulabschluss nach Klasse 10 stellt Schulabschluss dar

Vorliegend, so das SG Düsseldorf, sei der Maßstab für die Erforderlichkeit der Nachhilfe in Klasse 10 das Erreichen des Hauptschulabschlusses. Der Hauptschulabschluss nach Klasse 10 stelle nach dem Schulgesetz NRW einen Schulabschluss dar, der die Eingehung von Berufsausbildungsverhältnissen ermögliche.


Zwar verbesserten sich die Zugangschancen durch einen Schulabschluss wie mittlere Reife oder allgemeine Hochschulreife; darauf stelle die Regelung des § 28 SGB II jedoch nicht ab.

Klägerin legt Berufung ein

Gegen die Entscheidung hat die Klägerin Berufung beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingelegt (Az: L 6 AS 1080/16). Hierüber wurde bisher noch nicht entschieden. Über den weiteren Verlauf werden wir berichten.

Hier finden Sie das vollständige Urteil des Sozialgericht Düsseldorf vom 10.05.2016 - S 21 AS 1690/15 -

Das sagen wir dazu:

Die kurzsichtige Begründung des Jobcenters, der sich das Sozialgericht anschloss, wonach wesentliches Lernziel die Versetzung sei, ist wieder einmal typisch dafür, dass Kinder von Hartz IV-Beziehern benachteiligt werden und bei Lernschwächen in bestimmten Fächern keine echte Chance haben sich zu verbessern.

 
Man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen, dass es reicht, wenn man versetzt wird. Wenn die Schülerin aufs Gymnasium gegangen wäre, so wäre die zur Klageabweisung geführte Argumentation noch verständlich gewesen, weil die 10. Klasse nicht wirklich relevant ist. Aber für die Ausbildungssuche, die sich nach Abschluss der 10. Klasse anschließt, bedarf es nun mal eines möglichst guten Schulabschlusses. Diese Chance aber hat ein Kind, das zur Verbesserung von Noten der Nachhilfe bedarf und dessen Eltern Hartz IV-Leistungen beziehen, nicht. Hauptsache der Schulabschluss ist, mit welchen Noten auch immer, geschafft! Was danach kommt interessiert niemand mehr!

Rechtliche Grundlagen

§ 28 Sozialgesetzbuch (SGB) II - edarfe für Bildung und Teilhabe


§ 28 SGB II -Bedarfe für Bildung und Teilhabe

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für
1. Schulausflüge und
2. mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf werden bei Schülerinnen und Schülern 70 Euro zum 1. August und 30 Euro zum 1. Februar eines jeden Jahres berücksichtigt. Abweichend von Satz 1 werden bei Schülerinnen und Schülern, die im jeweiligen Schuljahr nach den in Satz 1 genannten Stichtagen erstmalig oder aufgrund einer Unterbrechung ihres Schulbesuches erneut in eine Schule aufgenommen werden, für den Monat, in dem der erste Schultag liegt, 70 Euro berücksichtigt, wenn dieser Tag in den Zeitraum von August bis Januar des Schuljahres fällt, oder 100 Euro berücksichtigt, wenn dieser Tag in den Zeitraum von Februar bis Juli des Schuljahres fällt.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden und es der leistungsberechtigten Person nicht zugemutet werden kann, die Aufwendungen aus dem Regelbedarf zu bestreiten. Als zumutbare Eigenleistung gilt in der Regel der in § 9 Absatz 2 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes genannte Betrag.

F:(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen.:F

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Mehraufwendungen berücksichtigt für
1. Schülerinnen und Schüler und
2. Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.

Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres wird ein Bedarf zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft in Höhe von insgesamt 10 Euro monatlich berücksichtigt für
1. Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2. Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3. die Teilnahme an Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im begründeten Ausnahmefall nicht zugemutet werden kann, diese aus dem Regelbedarf zu bestreiten.