In seiner Entscheidung ordnete das Landessozialgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den angegriffenen Bescheid an. Dieser sollte den Antragsteller verpflichten, auch ohne entsprechende Vorkenntnisse im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit auch Betreuungstätigkeiten von Kindern und Senioren auszuführen. Der Antragsteller muss dem Bescheid also vorerst nicht Folge leisten.

Hartz-IV Empfänger wehrt sich gegen Eingliederungsvereinbarung

Der Antragsteller ist verheiratet und hat mehrere Kinder. Er war bis Ende 2004 als Bankkaufmann tätig und übt gegenwärtig eine selbstständige Nebentätigkeit als Versicherungsmakler aus. Daneben bezieht er mit seiner Familie vom Antragsgegner, dem zuständigen Jobcenter, seit mehreren Jahren Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.


Das Jobcenter versuchte zunächst, mit dem Antragsteller eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, was jedoch scheiterte. Daraufhin ersetzte es die Eingliederungsvereinbarung durch einen Verwaltungsakt. Dieser enthielt für den Antragsteller unter anderem die Verpflichtung, im Rahmen einer sogenannten Arbeitsgelegenheit für die Komm Aktiv GmbH und in über diese vermittelten Kooperationsbetrieben tätig zu werden.


Das Spektrum erfasst unter anderem Hausmeistertätigkeiten, Betreuungstätigkeiten von Senioren, Betreuungstätigkeiten von Kindern und/oder Jugendlichen, Betreuungstätigkeiten von behinderten Menschen, Hauswirtschaftshelfertätigkeiten und Botendienste. Der Antragsteller weigerte sich, die Arbeitsgelegenheit auszuüben und beantragte die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines gegen den Bescheid eingelegten Widerspruchs.

LSG: Betreuung erfordert hohe Qualifikation

Das Landessozialgericht kam diesem Antrag jetzt zweitinstanzlich nach, nachdem zuvor noch das Sozialgericht Koblenz die Anordnung der aufschiebenden Wirkung  abgelehnt hatte. Nach Ansicht des LSG bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts, so dass die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung erforderliche Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers ausgehe.


Das LSG begründete die Entscheidung damit, dass die Betreuung von Kindern, behinderten Menschen und Senioren wegen der hohen fachlichen Anforderungen nicht für Personen ohne berufliche Erfahrung oder sonstige Vorkenntnisse geeignet sei. Weil die Arbeitsgelegenheit auf den konkreten Einzelfall zugeschnitten sein müsse und die Tätigkeiten bei der Komm Aktiv GmbH insoweit als Einheit betrachtet werden mussten, konnte auch keine Beschränkung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung auf die Betreuungstätigkeiten vorgenommen werden, entschied das LSG.

Anmerkung: Abstruses Weltbild

Man weiß nicht, was an der Entscheidung des Jobcenters am meisten irritiert: Die Selbstverständlichkeit, mit der Hartz-IV Empfängern jede noch so fachfremde Arbeit zugemutet wird, oder die Ignoranz, mit der pflegerische Tätigkeiten herabgewürdigt und mit Hauswirtschaftshelfertätigkeiten und Botendiensten gleichgestellt werden.


Die Eingliederungsvereinbarung war ursprünglich als Instrument erfunden worden, damit Jobcenter und Hilfsbedürftiger zusammen eine Strategie entwickeln können, letzterem wieder auf die Beine zu helfen. Dies schien eine gute Idee im Sinne eines „Förderns und Forderns“. Das „Fordern“ besteht nun darin, dass das Jobcenter die freiwillige Vereinbarung durch einen Bescheid ersetzen kann, nach der Devise „und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt“. Freiwilligkeit sieht anders aus!


Fast schlimmer an der Anordnung des Jobcenter ist die Geringschätzung der Pflegeberufe. Es ist eine abstruse Vorstellung, dass jeder Bankkaufmann ohne Vorkenntnisse die Betreuung von Kindern, Alten oder Behinderten übernehmen kann. Als Krönung werden diese Tätigkeiten noch in eine Reihe mit Hauswirtschaftshelfertätigkeiten und Botendiensten gestellt.


Die Angehörigen der Sozial- und Erziehungsdienste stehen seit Wochen in einer Tarifauseinandersetzung mit den Arbeitgebern. Hier geht es nicht allein um bessere Bezahlung, sondern um die Anerkennung einer hochwertigen, verantwortungsvollen und gesellschaftlich wichtigen Tätigkeit. Das Landessozialgericht hat ihre Position jetzt gestärkt.