Leistungsempfänger sind nicht verpflichtet auf eigene Kosten Kopien für beim Jobcenter einzureichende Unterlagen zu fertigen.
Leistungsempfänger sind nicht verpflichtet auf eigene Kosten Kopien für beim Jobcenter einzureichende Unterlagen zu fertigen.


Der als selbständiger Bauingenieur tätige Kläger hatte als Aufstocker sogenannte „Hartz IV-Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB) bezogen. Da das prognostizierte Einkommen nur ca. 100 Euro im Monat betrug, bewilligte das Jobcenter Dresden vorläufig Leistungen in Höhe von gut 700 Euro pro Monat. 

Jobcenter fordert vergebens Unterlagen an


Zum Ende des Jahres 2016 forderte das Jobcenter den Kläger auf, vollständige Nachweise zu seinen Einkünften für die letzten vier Jahre vorzulegen. Verbunden war diese Aufforderung mit dem Hinweis, dass Originalbelege nicht mehr entgegengenommen werden. 

Da der Kläger hierauf nicht reagierte, setzte das Dresdener Jobcenter den Leistungsbetrag für die betroffenen vier Jahre auf 0 Euro fest und verlangte vom Kläger über 31.000 Euro zurück. Im Widerspruchsverfahren wies der Kläger darauf hin, dass er die Unterlagen eingereicht habe und bot die erneute Übersendung an. 

Das Jobcenter vertrat die Auffassung, dass die Vorlage der Unterlagen im Widerspruchsverfahren nicht mehr nachgeholt werden kann und wies den Widerspruch zurück.

Angaben von Leistungsempfängern im Widerspruchsverfahren müssen beachtet werden 


Das SG Dresden gab den Klagen statt. Auch die Änderung des SGB II zum 1. August 2016 berechtige das Jobcenter nicht dazu, Angaben der Leistungsempfänger im Widerspruchsverfahren auszuschließen. 

Das Jobcenter müsse die gesamten Ansprüche auch dann berechnen, wenn die Angaben erst im Widerspruchsverfahren gemacht werden. Wenn sich der Leistungsempfänger hierzu bereit zeige, müsse ihm die Gelegenheit eingeräumt werden. Die Zurückweisung von Originalunterlagen sei unzulässig. Denn das Sozialverfahren sei für die Leistungsempfänger gebühren- und auslagenfrei. Daher müsse der Kläger auch keine Kopien auf eigene Kosten anfertigen. Benötige die Sozialbehörde Kopien von Unterlagen, so könne sie die Kosten hierfür nicht auf die Leistungsbezieher abwälzen.

Schnelle Klärung erforderlich - Sozialgericht lässt Sprungrevision zum Bundessozialgericht zu


Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit ließ das SG Dresden die Sprungrevision zum Bundessozialgericht zu. Die entschiedenen Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem neuen Verfahrensrecht seit 1. August 2016 werden in zahlreichen Verfahren aufgeworfen. Durch die Sprungrevision soll eine zügige grundlegende Klärung der Rechtslage ermöglicht werden.

Hier finden Sie das vollständige Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 11.01.2018

Das sagen wir dazu:

Unter Hinweis auf § 41 a Absatz 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in der ab 1. August 2016 gültigen Fassung, wies das Jobcenter die vorgelegten Unterlagen als verspätet zurück. 

§ 41 a Absatz 3 SGB II lautet:

„Die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheiden abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt. Die leistungsberechtigte Person und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen sind nach Ablauf des Bewilligungszeitraums verpflichtet, die von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen; die §§ 60, 61, 65 und 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Kommen die leistungsberechtigte Person oder die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nach, setzen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den Leistungsanspruch für diejenigen Kalendermonate nur in der Höhe abschließend fest, in welcher seine Voraussetzungen ganz oder teilweise nachgewiesen wurden. Für die übrigen Kalendermonate wird festgestellt, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand.“

Aus § 41 a Absatz 3 SGB II ergibt sich nicht, dass der Kläger verpflichtet sein könnte auf eigene Kosten Kopien von Originalunterlagen zu fertigen um diese dem Jobcenter vorzulegen. 

Zu Recht weist das SG Dresden daraufhin, dass das Sozialverfahren für die Leistungsempfänger gebühren- und auslagenfrei ist und die Kosten von Kopien von Unterlagen, die das Jobcenter benötigt, nicht auf den Leistungsbezieher abgewälzt werden können. Schon hieraus ergibt sich, dass der Kläger der unbilligen Aufforderung, Kopien der angeforderten Unterlagen einzureichen, im Rahmen des Vorverfahrens nicht nachkommen musste. Gründe die eine Nichtbeachtung der erst im Widerspruchsverfahren dem Jobcenter vorgelegten Unterlagen sind nach alledem nicht ersichtlich.