Sabine Gey-Rommel, Teamleiterin DGB Rechtsschutz GmbH in Karlsruhe
Sabine Gey-Rommel, Teamleiterin DGB Rechtsschutz GmbH in Karlsruhe

Die Zahlung von Urlaubsgeld ist ein Novum in der Reinigungsbranche. 2007 hatten sich die Tarifpartner auf eine entsprechende Regelung geeinigt. Zusätzliches Urlaubsgeld ist bis dahin noch nie gezahlt worden, auch nicht in der Firma der Klägerin. Als die Reinigungskraft ihren Arbeitsvertrag abschloss, existierte zu dem Zeitpunkt noch keine tarifliche Abmachung zum Urlaubsgeld. Trotzdem hat die Mitarbeiterin Anspruch auf die Sonderzahlung. Ihr Arbeitsvertrag enthält einen allgemeinen Passus zum Thema Urlaub, der durch die tarifliche Veränderung eine ganz neue Bedeutung erhält. Dieser lautet: „Der Erholungsurlaub richtet sich nach den tariflichen Bestimmungen.“ Der Arbeitgeber verstand die Formulierung nur im Hinblick auf die Urlaubszeit – das Arbeitsgericht Karlsruhe sah das anders. „Dieser Fall ist ein Paradebeispiel“, kommentiert Sabine Gey-Rommel, Teamleiterin bei der DGB Rechtsschutz GmbH in Karlsruhe, „er passt genau zu einem grundsätzlichen Urteil des Bundesarbeitsgerichtes zum Thema Urlaubsgeld.“

 

Lohnender Blick in den Vertrag

 

In dieser Entscheidung heißt es in den Leitsätzen: „Verweist ein Arbeitsvertrag für den Urlaub auf die Geltung tariflicher Regelungen, ist das regelmäßig als Bezugnahme auf den gesamten tariflichen Regelkomplex ,Urlaub‘ zu verstehen. Dazu gehört auch ein zusätzliches tarifliches Urlaubsgeld.“ Auch das Arbeitsgericht Karlsruhe bezieht sich in seinen Entscheidungsgründen auf dieses BAG-Urteil und spricht der Klägerin die Zahlung des Urlaubsgeldes in Höhe von 203,50 Euro zu. Für die Mitarbeiterin war das eine überraschende Wende, denn sie hatte aus einem ganz anderen Grund den Rat der Karlsruher Arbeitsrechtsexperten gesucht. „Es ging um Differenzen bei der Lohnzahlung“, erklärt Sabine Gey-Rommel, „bei der Durchsicht des Arbeitsvertrages hat sich dieser neue Aspekt ergeben“. Die Teamleiterin rät deshalb Arbeitnehmern, die kein Urlaubsgeld erhalten, noch einmal einen Blick in ihren Arbeitsvertrag zu werfen. Besteht ein Anspruch auf tarifliche Urlaubsgeldzahlung, kann jeder Beschäftigte diese unbedenklich einfordern. „Dies stellt keinen Grund für eine Änderungskündigung dar“, unterstreicht die Rechtsexpertin, „auch wenn der Arbeitgeber nie vorhatte, Urlaubsgeld zu zahlen – aus diesem Arbeitsvertrag kommt er nicht heraus.“

 

Geld nur nach Verzicht auf Rechte

 

Einen ganz anderen Fall einer Sonderzahlung hat das Rechtsschutzbüro Kempten bearbeitet: Ein Metallunternehmen wollte über 900 Euro zusätzlich an jeden Mitarbeiter zahlen – als Anerkennung für gute wirtschaftliche Ergebnisse. Als Gegenleistung verlangte die Geschäftsführung die Unterschrift unter einem neuen Arbeitsvertrag. Dieser sah keine tarifvertragliche Bindung mehr vor und enthielt deutlich schlechtere Arbeitsbedingungen. Zwei Maschinenschlosser verweigerten ihre Unterschrift und wandten sich an die DGB Rechtsschutz GmbH, nachdem sie die Prämie nicht erhalten hatten. „Mit der Prämie sollte der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens im Jahr 2006 honoriert werden“, erläutert Rechtssekretär Andreas Ratajczak, „da arbeiteten alle Beschäftigten zu denselben Bedingungen, also müssen auch alle eine Erfolgsprämie erhalten – unabhängig von der Unterzeichnung des neuen Arbeitsvertrages.“ Seine Klagen vor dem Arbeitsgericht Kempten waren erfolgreich. Die Richterin sah den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz aus Artikel 3 Grundgesetz verletzt, da eine Gruppenbildung festzustellen sei und die vom Arbeitgeber vorgenommene Differenzierung zwischen beiden Gruppen nicht auf sachlichen Gründen beruhe.

Rechtliche Grundlagen

Statisch – dynamisch

Wichtig ist, ob die Formulierung zum Thema Urlaub im Arbeitsvertrag statischen oder dynamischen Charakter hat. Eine statische Verweisung würde zum Beispiel eine zeitliche Begrenzung beinhalten, wie etwa: „… gelten die Regelungen des bei Antritt gültigen Tarifvertrages“. Bei der dynamischen Verweisung fehlt ein solcher Hinweis. Lautet die arbeitsvertragliche Vereinbarung zum Urlaub ganz allgemein „gelten die tariflichen Bestimmungen“, ist dies dynamisch, auf die jeweils aktuelle Tarifregelung bezogen zu verstehen. Ratsam ist deshalb eine aufmerksame Durchsicht des Arbeitsvertrages. Eine Nachfrage bei der zuständigen Gewerkschaft klärt, ob und welche tariflichen Bestimmungen zur Zahlung von Urlaubsgeld aktuell sind.