Der DGB Rechtsschutz verhilft einer Reinigungskraft vor dem BAG zu tariflicher Entlohnung und Urlaubsgeld.
Der DGB Rechtsschutz verhilft einer Reinigungskraft vor dem BAG zu tariflicher Entlohnung und Urlaubsgeld.


Die Klägerin, Mitglied der IG Bauen-Agrar-Umwelt, arbeitete als Reinigungskraft im Unternehmen der Beklagten, einem Unternehmen des Gebäudereiniger-Handwerks. Die Klägerin wurde ab Februar 2008 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Arbeitsvertraglich war ein Bruttostundenlohn in Höhe von 7,30 EUR brutto vereinbart.

Klägerin verlangt Tariflohn

Die Klägerin machte eine höhere Vergütung aus dem „Lohntarifvertrag für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung“ geltend. Der Stundenlohn gemäß Tarifvertrag betrug 8,15 EUR brutto im Jahr 2009 bzw. 8,40 EUR ab Januar 2010.

Insgesamt machte die Klägerin 751,34 EUR brutto geltend. Der Betrag ergab sich aus der Differenz zwischen dem gezahlten und dem tariflichen Gehalt. Außerdem verlangte die Klägerin die Zahlung eines tariflichen Urlaubsgeldes.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, das Landesarbeitsgericht gab der Berufung der Klägerin statt. Hiergegen ging wiederum die Beklagte in Revision. In allen Instanzen wurde die Klägerin dabei als Gewerkschaftsmitglied vom DGB Rechtsschutz vertreten. 

Tätigkeit von Tarifvertrag umfasst?

Streitig war, ob die Klägerin „Unterhaltungsarbeiten“ erbracht hat. Denn die Lohngruppe 1 des RTV sah - unter anderem - „Innen- und Unterhaltungsarbeiten“ als maßgebliche, überwiegend ausgeübte Tätigkeit für einen Anspruch auf Tariflohn vor.

Im Gerichtsverfahren legte die Klägerin ihre überwiegend ausgeübte Tätigkeit dar: So sammele sie die von den Labor-Beschäftigten benutzten Gläser, Reagenzgläser, Kolben und Zylinder aus Glas viermal an jedem Arbeitstag ein, reinige die Utensilien mit Hilfe einer Industriespülmaschine, räume diese danach wieder aus und bringe am jeweils nächsten Arbeitstag die gereinigten Gegenstände wieder in die Labore.

Manche Gläser reinigte die Klägerin mit Ethanol. Alle zwei Wochen putzte die Klägerin zudem den Boden des von ihr genutzten Raumes einschließlich des darin befindlichen Arbeitstisches und die Trockenregale.

Tariflohn nur für Gewerkschaftsmitglieder

Die Beklagte lehnte die Ansprüche der Klägerin ab. Sie beharrte darauf, die Klägerin verrichte lediglich „reinigungsfremde“ Tätigkeiten, welche nicht unter die Regelungen des RTV fielen. 

Unternehmen des Gebäudereiniger-Handwerks würden solche Aufgaben nicht oder nur untergeordnet ausführen. Daher würden diese Tätigkeiten auch üblicherweise nicht in Ausschreibungen aufgeführt. Zudem verlange das tarifliche Merkmal der Unterhaltungsarbeiten zwingend die „periodische“ Durchführung tarifvertraglicher Tätigkeiten in regelmäßigen Zeitabständen.

Zunächst stellte das BAG fest, dass ein Rechtsanspruch auf Tariflohn für die Klägerin einzig aufgrund beiderseitiger Tarifbindung bestehe Wäre die Klägerin also nicht Gewerkschaftsmitglied gewesen, wäre ein Anspruch auf Tariflohn ausgeschlossen gewesen.

Klägerin übt „Unterhaltungsarbeiten“ aus

Wie die Vorinstanz nahm das BAG an, die Klägerin verrichte überwiegend „Unterhaltungsarbeiten“ im Sinne des Tarifvertrags. Die Reinigung der Laborgegenstände sei die von der Klägerin prägend und überwiegend ausgeübte Tätigkeit.

Eine Definition von „Unterhaltungsarbeiten“ enthielt der RTV nicht. Das Bundesarbeitsgericht gebraucht daher eine branchenspezifische Auffassung für die Auslegung der tarifvertraglichen Tätigkeitsmerkmale.

Im Einklang mit einer früheren Entscheidung stellte das BAG fest, dass „Unterhaltungsarbeiten“ fortlaufende und kontinuierlich auszuführende Reinigungsarbeiten seien. Diese dienten dem Erhalt, dem Schutz und der Pflege von Gegenständen. Wobei hierunter nicht nur Gebäude zu verstehen seien.

Der Begriff der „Gebäudereinigung“ erfasse auch die Ausstattung von Räumen als Gegenstand der Unterhaltsreinigung.

Auch die Ausstattung muss gereinigt werden

Das Bundesarbeitsgericht zieht ergänzend eine Parallele zu der Berufsbildbeschreibung des Gebäudereiniger-Handwerks: „Gebäudereinigung ist die Reinigung, pflegende und schützende Behandlung von Innenbauteilen an Bauwerken aller Art, Gebäudeeinrichtungen, haustechnischer Anlagen sowie Raumausstattungen und Verglasungen.“

Eine ähnliche Umschreibung finde sich im Tarifvertrag zur Regelung eines tariflichen Mindestlohnes für gewerbliche Mitarbeiter in der Gebäudereinigung aus dem Jahr 2007.

Die Klägerin pflege und reinige Gegenstände, welche zum bestimmungsgemäßen Gebrauch und damit zur Raumausstattung eines Labors gehören. Erst die Reinigung der Gegenstände durch die Klägerin ermögliche ihre weitere ordnungsgemäße Nutzung. Damit gewährleiste die Klägerin Erhalt, Schutz und Pflege der Gegenstände.

Ausschreibungsunterlagen unbeachtlich

Auch den Verweis der Beklagten auf die Muster-Ausschreibungsunterlagen hielt das BAG für nicht relevant für seine Entscheidung. 

Denn diese Unterlagen bezögen sich lediglich auf die dort genannten Reinigungsgruppen, etwa Büro- und Verwaltungsräume, Sanitärräume, Flure und Verkehrswege. Betriebe, wie der von der Beklagten betreute, würden von vornherein nicht genannt.

Somit sei die Nennung in den Unterlagen nur beispielhaft. Tätigkeiten in anderen Reinigungsgruppen könnten somit durchaus den tariflichen Merkmalen zugeordnet werden.

„Spülen“ ist Reinigung im Sinne des RTV

Das BAG erteilte auch der von der Beklagten vorgetragenen Wortklauberei eine Abfuhr: So benenne zwar die einschlägige Ausbildungsverordnung die Tätigkeit des Spülens nicht. Demnach hätte die Klägerin mit dem Spülen eine Tätigkeit jenseits ihres Ausbildungsberufen ausgeübt.

Doch hier geht das BAG der Wortbedeutung des „Spülens“ auf den Grund und fasst diese Tätigkeit unter den Oberbegriff „Reinigen“.

Ergänzend macht das Gericht zudem darauf aufmerksam, dass die Ausbildungsordnung überdies auch die Vermittlung von „Fähigkeiten und Kenntnisse über erforderliche „Reinigungs-, Pflege- und Konservierungsarbeiten bei Ausstattungsgegenständen“ vorsehe.

Das Gericht sah auch die von der Beklagten verneinte „periodische Durchführung“ als gegeben an. Die Klägerin sammele die Laborgegenstände viermal pro Arbeitstag ein reinige sie und verteile die gereinigten Gegenstände am darauffolgenden Tag wieder.

BAG bejaht auch Anspruch auf Urlaubsgeld

Verknüpft mit dem Anspruch auf Tariflohn war im vorliegenden Fall auch ein Anspruch auf Urlaubsgeld. 

Die tariflichen Bestimmungen sahen hier einen Anspruch in Höhe des 1,85-fachen Tarifstundenlohn pro Urlaubstag vor. Die tarifliche Wartezeit von mindestens sechs Monaten Betriebszugehörigkeit hatte die Klägerin längst erfüllt. Der Anspruch auf Urlaubsgeld stand der Klägerin daher zu. 

Erfolg dank gewerkschaftlichem Rechtsschutz

Bereits das LAG bejahte einen Anspruch der Klägerin. Demgegenüber trug die Beklagte lediglich Schutzbehauptungen vor, die kaum rechtliche Substanz besaßen. Sehr lebensfremd wäre eine Entscheidung der Berufungs- bzw. Revisionsinstanz, die einen Anspruch der Klägerin verneinen würde, wie es das Arbeitsgericht tat.

Die Beklagte hätte den Anspruch der Klägerin bereits mit dem Urteil des LAG akzeptieren können. Stattdessen blieb sie stur, ging in Revision und verzögerte damit eine rechtskräftige Entscheidung. 

Oftmals verfolgen Arbeitgeber die Taktik, Prozesse in die Länge zu ziehen. Arbeitnehmer*innen sollen in Anbetracht der eingeklagten Beträge und der zunehmenden Verfahrensdauer zur Klagerücknahme oder zur vergleichsweisen Beilegung des Rechtsstreits bewogen werden. Vom ersten Urteil des Arbeitsgerichts bis zum Urteil des BAG vergingen immerhin zweieinhalb Jahre.

Kein Kostenrisiko für Klägerin

Die Klägerin konnte hier aber „mithalten“: Dank des in ihrer Gewerkschaftsmitgliedschaft enthaltenen Rechtsschutzes musste sie keine Angst vor den Prozesskosten haben. Egal wie lange der Prozess gedauert hätte. 

In der zweiten und dritten arbeitsgerichtlichen Instanz muss die unterlegene Partei auch die Kosten für den Anwalt der gegnerischen Partei zahlen, hinzu kommen Gerichtskosten. Diese Kosten trägt die Gewerkschaft im Rahmen des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes.

Zudem hatte die Klägerin mit den Juristinnen und Juristen des DGB Rechtsschutzes zu jeder Zeit erfahrene Prozessvertreter an ihrer Seite.


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Urteil des Bundesarbeitsgerichts


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Rechtliche Grundlagen

§ 3 TVG

Tarifgebundenheit
(1) Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrages ist.

(2) Rechtsnormen des Tarifvertrages über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist.

(3) Die Tarifgebundenheit bleibt bestehen, bis der Tarifvertrag endet.