Saubere Sache: Wer mehr arbeitet, als vertraglich festgelegt, hat im Gebäudereinigerhandwerk Anspruch auf 25 Prozent Zuschlag. Copyright by 9nong/Adobe Stock
Saubere Sache: Wer mehr arbeitet, als vertraglich festgelegt, hat im Gebäudereinigerhandwerk Anspruch auf 25 Prozent Zuschlag. Copyright by 9nong/Adobe Stock

Das Bundesarbeitsgericht hat seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben und in diversen Entscheidungen geurteilt, dass eine tarifvertragliche Bestimmung, nach der ein Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge, erst besteht, wenn die für eine Vollzeittätigkeit maßgebliche Stundenzahl überschritten wird, gegen das Diskriminierungsverbot im Befristungsrecht verstößt.
 

Zuschlag jetzt schon für jede Stunde mehr als vereinbart

Denn Teilzeitkräfte dürfen gegenüber Vollzeitkräften nicht benachteiligt werden. Eine ganz ähnliche Regelung enthält der Rahmentarifvertrag für das Gebäudereinigerhandwerk. Damit haben alle Teilzeitbeschäftigten, die mehr Stunden arbeiten als arbeitsvertraglich vereinbart gute Chancen, für ihre Mehrarbeit 25 Prozent Zuschlag zu erhalten.
 
Neumann arbeitet vertraglich nur zehn Stunden in der Woche. Er darf aber regelmäßig Vertretung für Kollegen machen, erreicht aber selten mehr als 40 Wochenstunden. In der Vergangenheit hat sein Arbeitgeber für die Stunden, die über 40 Stunden hinaus gingen, 25 Prozent Zuschlag gezahlt. Nach der neuen Rechtsprechung ist dieser ab der elften Wochenstunde zu bezahlen. Das macht einen riesigen Unterschied.
 
Es wurde uns berichtet, dass auf entsprechende Aufforderungsschreiben der IG BAU gezahlt wird. Einzelne Verfahren kommen jetzt auch bei uns an. Voraussetzung für den Anspruch ist natürlich auch, dass er fristgerechte geltend gemacht wird. Der Tarifvertrag enthält hier eine Ausschlussfrist von zwei Monaten.
 

Nachwirkung der bisherigen Regelungen

Die Arbeitgeber haben anders reagiert. Der Bundesinnenverband hat schon am 25. April 2019 den Rahmentarifvertrag zum 31. Juli 2019 gekündigt.
 
Nach Ablauf der Gültigkeit eines Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Man spricht von der sogenannten Nachwirkung. Diese bietet einen wirksamen Schutz für die Beschäftigten, für die der Tarifvertrag gilt.
 
Für Betroffene heißt das, wenn das Arbeitsverhältnis am 31. Juli 2019 oder früher bestanden hat, sind die Vorschriften des Rahmentarifvertrages weiter anwendbar. Damit können die Mehrarbeitsprozente verlangt werden.
 

Allgemeinverbindlichkeit ändert daran nichts

Daran ändert auch die Allgemeinverbindlichkeitserklärung nichts. Das Bundesministeriums für Arbeit und Soziales kann einen Tarifvertrag unter bestimmten Voraussetzungen für allgemeinverbindlich erklären.
 
Dies ist im Gebäudereinigerhandwerk erfolgt. Ist ein Tarifvertrag allgemeinverbindlich, dann gelten dessen Regelungen in vollem Umfange auch dann, wenn die Anwendung der Vorschriften weder zwischen den Parteien vereinbart sind, noch die Parteien Mitglieder der jeweiligen Tarifvertragspartner (Arbeitgeberverband/Gewerkschaft) sind.
 
Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass zwar die Allgemeinverbindlichkeit mit Ablauf des Tarifvertrages endet, seine Rechtsnormen aber auch gegenüber Nichttarifgebundenen nachwirken.
 

Kein Schutz für neue Verträge

Ab dem 1. August 2019 können nach dem Gesetz andere Abmachungen getroffen werden. Diese andere Abmachungen beenden die Nachwirkung, lassen also ihren Schutz entfallen. Hiervon versuchen wohl etliche Arbeitgeber Gebrauch zu machen.
 
Eine andere Abmachung kommt gerne in Form einer Vertragsänderung einher. Aber niemand muss im laufenden Arbeitsverhältnis einer Vertragsänderung zustimmen. Auch Neumann sollte eben eine Änderung unterschreiben. Er soll mehr Stunden fest bekommen, was ihn freut, aber auch etliche andere Regelungen scheinen geändert.
 
Er bittet den Arbeitgeber darum, ihm den Vertrag mitzugeben, damit er ihn in Ruhe mit dem bisherigen vergleichen kann. Wird diese Möglichkeit nicht gewährt, ist schon Vorsicht geboten. Der Vorteil, mehr Stunden arbeiten zu können, kann dann durch andere Nachteile bereits aufgehoben werden. Im gekündigten Rahmentarifvertrag stehen ja noch andere für Arbeitnehmer positive Regelungen wie ein Urlaubsanspruch, der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgeht.
 
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Das sagen wir dazu:

Letztlich urteilen natürlich die Gerichte. Die Entscheidung des BAG im Rahmen der Systemgastronomie ist aber grundsätzlicher Art, so dass im Streitfall wohl auch Teilzeitkräften in der Gebäudereinigung Mehrarbeitszuschläge zugesprochen werden.

Wichtig ist, diese Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen und keinen Änderungsvertrag zu unterzeichnen.

Rechtliche Grundlagen

§ 4 Tarifvertragsgesetz

[…]

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.