Das Landesarbeitsgericht - LAG - Hamm erklärte eine »Provisionsabsprache« für sittenwidrig, die die Auszahlung des vereinbarten Betrags von der Zahlungsmoral der Kunden abhängig macht.

Arbeitnehmer fordert 30 Prozent der Rechnungsbeträge

In dem Fall ging es um einen Steuerfachgehilfen, der laut Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber ein monatliches Festgehalt sowie – als Provision bezeichnet – 30 Prozent der Rechnungsbeträge erhalten sollte, die seine Mandanten an den Arbeitgeber gezahlt haben.


Nachdem der Arbeitgeber dem Steuerfachgehilfen rechtswirksam gekündigt hatte, forderte dieser den noch ausstehenden Gehaltsbestandteil in Höhe von 17.283,35 € brutto.


Das als Berufungsgericht zuständige LAG Hamm bestätigte diesen Betrag bis auf einen Anspruch auf knapp 140 Euro, der bereits verjährt war.

Keine »Provisionsabsprache«, Anspruch dennoch weitestgehend gerechtfertigt

Zunächst einmal sei es irrelevant, ob sich die vereinbarte Zusatzvergütung auf bereits geleistete Zahlungen der Mandanten beziehe oder – wie der Arbeitnehmer vorgetragen hat – generell auf Rechnungsbeträge für Leistungen, die von ihm oder mit seiner Mitwirkung erbracht worden sind.


Begründung: eine Vereinbarung, die die Zahlung der Vergütung von Faktoren – hier der Zahlungsmoral der Kunden – abhängig mache, auf die der Arbeitnehmer keinerlei Einfluss hat, sei sittenwidrig.


Wichtig: Die Sittenwidrigkeit dieses Teils der Vergütungsabrede beseitigt nicht die Abrede als Ganzes. Der Anspruch auf Zahlung der ausstehenden Beträge war daher wirksam und die Berufung insoweit erfolgreich.

Folgen für die Praxis

Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. Es handelt sich um eine sogenannte Generalklausel. Die Sittenwidrigkeit stellt neben dem Verstoß gegen gesetzliche Verbote eine Fallkonstellation dar, die eine Rechtskontrolle über den Arbeitsvertrag als Ganzes bzw. einzelner seiner Bestimmungen ermöglicht.


Bereits das Reichsgericht hatte dazu die Formel entwickelt, dass sittenwidrig ist, was gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Es muss sich um eine schwere Äquivalenzstörung in Bezug auf die Hauptpflichten handeln.


Im vorliegenden Fall würde bei Gültigkeit des Willens des Arbeitgebers das gesamte Betriebs- und Wirtschaftsrisiko des Unternehmers auf den Arbeitnehmer übertragen. Dies, ohne dass der Arbeitnehmer irgendwie darauf Einfluss nehmen kann.

Risikoverlagerung macht Vereinbarung sittenwidrig

Der Lohnanspruch des Arbeitnehmers richtet sich gegen den Arbeitgeber. Er darf daher nicht von Umständen abhängen, die der Arbeitnehmer nicht steuern kann. Wäre eine solche Vereinbarung wirksam, würde der Arbeitnehmer an den Umsatzverlusten des Arbeitgebers, die ihm durch die Weigerung seiner Kunden, die vereinbarten Leistungen zu bezahlen, beteiligt.


Der Arbeitnehmer wäre davon abhängig, dass der Arbeitgeber die Honoraransprüche gegen seine Kunden durchsetzt. Der Arbeitnehmer stände damit sogar schlechter als ein Handelsvertreter bei Provisionsansprüchen im Falle der Nichtleistung durch Dritte.


Dessen Nichtleistung muss feststehen, was der Unternehmer bzw. Arbeitgeber darlegen und beweisen muss. Ein Abweichen zu Lasten des Arbeitnehmers darf es nicht geben. Denn dann wäre der Arbeitnehmer für eine Zahlung seitens des Kunden an den Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet.


Da zudem hier zwei Drittel der Vergütung betroffen sind, ist die Abhängigkeit der Provision von der Zahlung der Kunden des Arbeitgebers sittenwidrig und damit nichtig. Die Entscheidung durfte auf keinen Fall anders ausfallen. (Dieser Artikel ist zuerst erschienen in: „AiB-Newsletter, Rechtsprechung für den Betriebsrat“ des Bund-Verlags, Ausgabe 16 vom 18. September 2015, www.aib-web)

Im Praxistipp

  • § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)- Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher
  • § 87  Handelsgesetzbuch (HGB)

Rechtliche Grundlagen

§ 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)- Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher und § 87 Handelsgesetzbuch (HGB)

§ 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)- Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

§ 87 Handelsgesetzbuch (HGB)

(1) Der Handelsvertreter hat Anspruch auf Provision für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind oder mit Dritten abgeschlossen werden, die er als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat. Ein Anspruch auf Provision besteht für ihn nicht, wenn und soweit die Provision nach Absatz 3 dem ausgeschiedenen Handelsvertreter zusteht.
(2) Ist dem Handelsvertreter ein bestimmter Bezirk oder ein bestimmter Kundenkreis zugewiesen, so hat er Anspruch auf Provision auch für die Geschäfte, die ohne seine Mitwirkung mit Personen seines Bezirks oder seines Kundenkreises während des Vertragsverhältnisses abgeschlossen sind. Dies gilt nicht, wenn und soweit die Provision nach Absatz 3 dem ausgeschiedenen Handelsvertreter zusteht.
(3) Für ein Geschäft, das erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen ist, hat der Handelsvertreter Anspruch auf Provision nur, wenn
1. er das Geschäft vermittelt hat oder es eingeleitet und so vorbereitet hat, daß der Abschluß überwiegend auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist, und das Geschäft innerhalb einer angemessenen Frist nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen worden ist oder
2. vor Beendigung des Vertragsverhältnisses das Angebot des Dritten zum Abschluß eines Geschäfts, für das der Handelsvertreter nach Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 Satz 1 Anspruch auf Provision hat, dem Handelsvertreter oder dem Unternehmer zugegangen ist.
Der Anspruch auf Provision nach Satz 1 steht dem nachfolgenden Handelsvertreter anteilig zu, wenn wegen besonderer Umstände eine Teilung der Provision der Billigkeit entspricht.
(4) Neben dem Anspruch auf Provision für abgeschlossene Geschäfte hat der Handelsvertreter Anspruch auf Inkassoprovision für die von ihm auftragsgemäß eingezogenen Beträge.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
§ 87 Handelsgesetzbuch (HGB)
(1) Der Handelsvertreter hat Anspruch auf Provision für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind oder mit Dritten abgeschlossen werden, die er als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat. Ein Anspruch auf Provision besteht für ihn nicht, wenn und soweit die Provision nach Absatz 3 dem ausgeschiedenen Handelsvertreter zusteht.
(2) Ist dem Handelsvertreter ein bestimmter Bezirk oder ein bestimmter Kundenkreis zugewiesen, so hat er Anspruch auf Provision auch für die Geschäfte, die ohne seine Mitwirkung mit Personen seines Bezirks oder seines Kundenkreises während des Vertragsverhältnisses abgeschlossen sind. Dies gilt nicht, wenn und soweit die Provision nach Absatz 3 dem ausgeschiedenen Handelsvertreter zusteht.
(3) Für ein Geschäft, das erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen ist, hat der Handelsvertreter Anspruch auf Provision nur, wenn
1. er das Geschäft vermittelt hat oder es eingeleitet und so vorbereitet hat, daß der Abschluß überwiegend auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist, und das Geschäft innerhalb einer angemessenen Frist nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen worden ist oder
2. vor Beendigung des Vertragsverhältnisses das Angebot des Dritten zum Abschluß eines Geschäfts, für das der Handelsvertreter nach Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 Satz 1 Anspruch auf Provision hat, dem Handelsvertreter oder dem Unternehmer zugegangen ist.
Der Anspruch auf Provision nach Satz 1 steht dem nachfolgenden Handelsvertreter anteilig zu, wenn wegen besonderer Umstände eine Teilung der Provision der Billigkeit entspricht.
(4) Neben dem Anspruch auf Provision für abgeschlossene Geschäfte hat der Handelsvertreter Anspruch auf Inkassoprovision für die von ihm auftragsgemäß eingezogenen Beträge.