Wenn es im Pleite-Betrieb doch weitergeht und der Arbeitgeber wieder in Zahlungsverzug kommt, riskieren Arbeitnehmer, mit leeren Händen dazustehen.
Wenn es im Pleite-Betrieb doch weitergeht und der Arbeitgeber wieder in Zahlungsverzug kommt, riskieren Arbeitnehmer, mit leeren Händen dazustehen.


Lohnansprüche der Arbeitnehmer sind bei Pleite des Arbeitgebers in gewissem Maße geschützt. Der Arbeitgeber zahlt eine Insolvenzgeldumlage, die sich prozentual vom umlagepflichtigen Arbeitsentgelt bemisst. Im Fall der Insolvenz besteht dann ein Anspruch auf Insolvenzgeld, welches nach Antrag von der Agentur für Arbeit gezahlt wird.

Arbeitnehmer sind durch Insolvenzgeld geschützt

Zeitpunkt für die Berechnung ist das Insolvenzereignis, also Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder Abweisung mangels Masse oder Zahlungsunfähigkeit und vollständige Einstellung des Betriebes.

Ist das Arbeitsverhältnis beendet und es tritt erst danach das Insolvenzereignis ein, dann wird Insolvenzgeld für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses gewährt.

Neumann bekommt sein Gehalt immer erst am 15. des Folgemonats. Der Arbeitgeber zahlt nicht pünktlich. Schon 14 Tage nach der Fälligkeit hat er zwei Monate voraus gearbeitet, ohne den Lohn zu erhalten. Der Arbeitgeber zahlt im dritten Monat immer noch nicht.

Auch Arbeitnehmer können den Arbeitgeber abmahnen

Für viele Arbeitnehmer ist es unvorstellbar einfach weiterzuarbeiten, wenn der Lohn ausbleibt. Die meisten könnten sich das auch schlicht nicht leisten. Aber gerade bei langjährig Beschäftigungen hoffen die Arbeitnehmer, dass die Krise überwunden wird, dass der Betrieb doch die ausstehenden Gelder eines Auftrags bekommt und es irgendwie weitergeht. Das erleben wir immer wieder.

Neumann kann nicht ohne Geld weiterarbeiten. Der Novemberlohn wurde nicht gezahlt, jetzt ist es der 15. Januar und auch der Dezemberlohn wurde nicht gezahlt. Er hat dem Arbeitgeber eine schriftliche Abmahnung erteilt (ja das geht) in dem er die Vertragsverletzung- die Nichtzahlung des Lohnes rügt.

Er schreibt außerdem, dass er sich das Recht vorbehält, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen, wenn er jetzt nicht bis zum 20. Januar seine beiden Löhne erhält. Als das Geld nicht am 20. auf seinem Konto ist, kündigt er fristlos.

Agentur für Arbeit erkennt fristlose Kündigung wegen Lohnrückständen an

Neumann muss keine Sperrzeit befürchten, sondern hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, weil er einen wichtigen Grund für seine fristlose Kündigung hatte. Es muss niemand umsonst arbeiten, das muss auch die Agentur für Arbeit anerkennen. Mit der Abmahnung hat Neumann es auch wasserdicht gemacht.

Jetzt ist im Betrieb von Insolvenz die Rede, die finanzielle Krise ist nicht zu überwinden  und letztlich wird zum 1. März 2018 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Kollegen, deren Arbeitsverhältnis noch besteht, erhalten Insolvenzgeld für die letzten drei Monate vor der Insolvenzeröffnung. 

Auch bei ihnen war schon das Novembergehalt nicht gezahlt worden. Sie erhalten das ausgefallene Gehalt nur für die letzten drei Monate, also für Januar und Februar 2018 sowie für den Dezember 2017. Der November fällt nicht mehr in den  Insolvenzgeldzeitraum.

Rechtzeitige Eigenkündigung kann Lohn retten

Neumann hat es richtiggemacht. Da er sein Arbeitsverhältnis zum 20. Januar 2018 gekündigt hat, besteht hier für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses der Insolvenzgeldanspruch. Seine ausstehenden Löhne sind dadurch komplett im Insolvenzgeldzeitraum. Er bekommt Insolvenzgeld in Höhe der Nettobeträge, die auch auf den Abrechnungen ausgewiesen sind.

Trotzdem ist für den Arbeitnehmer das Insolvenzgeld ein gewisses Verlustgeschäft. Dies liegt an der steuerlichen Behandlung. Es ist steuerfrei, unterliegt aber der Steuerprogression. Das klingt harmlos, aber hier fallen schnell einige hundert Euro mehr Steuer an, da das Finanzamt wie folgt rechnet.

Es wird ohne das Insolvenzgeld das zu versteuernde Einkommen ermittelt. Auf den Steuerbescheiden ist das der Betrag von dem letztlich die Steuer ermittelt wird, also ziemlich am Ende des Steuerbescheids. Bei Neumann sind es 30.000. Diese Summe hat, da Neumann ledig ist, nach der Grundtabelle einen Steuersatz von 18,06 %.

Insolvenzgeld bringt steuerliche Nachteile

Die Steuerkurve verläuft nicht linear, dann hieße sie auch nicht Kurve. Für jeden Euro mehr fällt nicht der gleiche Steuersatz an, sondern der Durchschnittssteuersatz erhöht sich mit wachsendem Einkommen. Der Steuersatz beträgt jetzt schon 20,10 %.

Das Insolvenzgeld wird zum versteuernden Einkommen hinzugezählt und in der Tabelle nachgesehen. Dieser erhöhte Satz wird jetzt auf das bisher ermittelte zu versteuernde Einkommen angewendet. Diese harmlosen 2,04 % führen hier schon zu einem Mehr an Steuerbelastung von über 600 Euro.

Zusätzlich erhöhen sich dadurch auch der Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer. Für Neumann ist aber erstmal wichtig, dass er seine ausstehenden Löhne von November bis zum 20.1.2018 komplett erhält, ab dann bekommt er Arbeitslosengeld.

Lohnforderungen von vor dem Insolvenzgeldzeitraum sind nicht bevorzugt

Der Insolvenzverwalter kann den Betrieb erstmal weiterführen. Neumanns ehemaligen Kollegen haben verschmerzen müssen, dass sie den Novemberlohn nicht bekommen. Lohnansprüche, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, werden als einfache Insolvenzforderungen nicht bevorzugt behandelt. 

Sie können wie die Forderungen von anderen Gläubigern beim Insolvenzverwalter angemeldet werden. Erst, wenn die Kosten des Insolvenzverfahrens und Kosten, die nach der Insolvenz entstanden sind (Masseverbindlichkeiten) beglichen wurden, können aus dem Rest angemeldete Forderungen bezahlt werden. Wenn überhaupt, gibt es dann nur eine geringe Quote.

Aber es geht erstmal weiter und alle hoffen, dass die Krise überwunden wird. Letztlich wurde doch noch Geld aufgetrieben, die Insolvenz aufgehoben. Neumann hat noch immer keine neue Stelle und macht sich Vorwürfe, dass er vielleicht doch zu voreilig war.

Doch schon kurz nach der Aufhebung der Insolvenz kommt der Arbeitgeber schon wieder mit der Lohnzahlung in Verzug. Und jetzt hilft nichts mehr, er muss erneut Insolvenz anmelden. Die Arbeitnehmer haben wieder zwei Monate Rückstand und stellen einen erneuten Antrag auf Insolvenzgeld.

Vertrauen der Arbeitnehmer in Überwindung der Krise nicht geschützt

Das Bundessozialgericht in Kassel hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2017 hierzu folgendes ausgeführt: Scheitert ein in Insolvenz gegangener Arbeitgeber daran, sein Unternehmen wieder in die Gewinnzone zu bringen, haben die Arbeitnehmer bei einer erneuten und nun endgültigen Pleite nicht ein zweites Mal Anspruch auf Insolvenzgeld. 

Ihr Vertrauen darauf, dass es nach der Insolvenz gut gehen würde, ist nicht geschützt. Ein erneuter Anspruch auf Insolvenzgeld kann nur entstehen, wenn das Unternehmen seine Zahlungsunfähigkeit zwischenzeitlich überwunden hatte. Ein furchtbares Ergebnis, die betriebstreuen Arbeitnehmer gucken in die Röhre!

Fazit: Das Ergebnis ist super-bitter, sollte aber für alle Arbeitnehmer eine Warnung sein. Abwarten kann unwiederbringlichen Verlust bedeuten. Erst recht, wenn nach der Pleite vor der Pleite ist. Dann muss man als Arbeitnehmer von sich aus reagieren, wenn man nicht riskieren will, umsonst gearbeitet zu haben.

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Rechtliche Grundlagen

§ 165 SGB III

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt
1. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers,
2. die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder
3. die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.
Auch bei einem ausländischen Insolvenzereignis haben im Inland beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf Insolvenzgeld.
(2) Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Als Arbeitsentgelt für Zeiten, in denen auch während der Freistellung eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht (§ 7 Absatz 1a des Vierten Buches), gilt der Betrag, der auf Grund der schriftlichen Vereinbarung zur Bestreitung des Lebensunterhalts im jeweiligen Zeitraum bestimmt war. Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer einen Teil ihres oder seines Arbeitsentgelts nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 des Betriebsrentengesetzes umgewandelt und wird dieser Entgeltteil in einem Pensionsfonds, in einer Pensionskasse oder in einer Direktversicherung angelegt, gilt die Entgeltumwandlung für die Berechnung des Insolvenzgeldes als nicht vereinbart, soweit der Arbeitgeber keine Beiträge an den Versorgungsträger abgeführt hat.

(3) Hat eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht der Anspruch auf Insolvenzgeld für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses.

(4) Anspruch auf Insolvenzgeld hat auch der Erbe der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers.

(5) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einen Beschluss des Insolvenzgerichts über die Abweisung des Antrags auf Insolvenzeröffnung mangels Masse dem Betriebsrat oder, wenn kein Betriebsrat besteht, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unverzüglich bekannt zu geben.