Zahlen Arbeitgeber zu viel Gehalt, müssen Arbeitnehmer das Geld nicht immer zurückzahlen. Copyright by Stockfotos-MG / Fotolia
Zahlen Arbeitgeber zu viel Gehalt, müssen Arbeitnehmer das Geld nicht immer zurückzahlen. Copyright by Stockfotos-MG / Fotolia

Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen vor den Arbeitsgerichten sind häufig zu geringe oder ausbleibende Gehaltszahlungen des Arbeitsgebers. Doch was ist, wenn ein Arbeitgeber zu viel Gehalt überweist? Das Landesarbeitsgericht Berlin  - Brandenburg durfte sich kürzlich mit einem solchen Fall befassen.

Niedrigere Vergütung vereinbart

Die Klägerin, eine beim Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg beschäftigte Arbeitnehmerin, übte zunächst eine gemäß Entgeltgruppe E 11 des TV-L vergütete Tätigkeit aus. Das Arbeitsverhältnis war zunächst befristet.

Im September 2011 teilte das Land der Klägerin mit, dass das Arbeitsverhältnis ab August 2012 unbefristet fortgeführt werde. Ende September 2011 unterzeichnete die Klägerin einen Änderungsvertrag. Der Änderungsvertrag sah auch eine Absenkung der Vergütung vor.

Im August 2012 wurde die Klägerin in ein anderes Referat umgesetzt, verbunden mit dem erneuten Hinweis dass sie nun gemäß der Entgeltgruppe 10, also nicht mehr gemäß EG 11, vergütet werde. Die Ausschlussfrist im anwendbaren Tarifvertrag in Hinblick auf Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis beträgt sechs Monate.

Land zahlt zu viel und fordert zurück

Versehentlich zahlte das Land der Klägerin weiterhin Gehalt gemäß der Entgeltgruppe 11. Dies war auch auf den Gehaltsabrechnungen so vermerkt. So erhielt die Klägerin im Juni 2012 rund 1.500 EUR netto, im Juli 2012 rund 1.700 EUR netto und im Juli 2012 sowie im August 2012 jeweils rund 1.600 EUR netto. 

Konkret wiesen die Gehaltsabrechnungen für Juli und August 2012 die Entgeltgruppe 11 aus. Für die Monate September 2012 und Oktober 2012 erhielt die Klägerin keine Gehaltsabrechnungen.

Anfang Februar 2016 forderte die Zentrale Bezügestelle des Landes die Klägerin auf, das überzahlte Gehalt ab August 2012 zurückzuzahlen. Konkret machte das Land eine Forderung in Höhe von rund 7.800 Euro geltend. Über einen Zeitraum von fünf Monaten, April 2016 bis August 2016, behielt das Land rund 2.150 EUR netto vom Gehalt der Klägerin ein. Der Betrag sollte mit den rund 7.800 EUR verrechnet werden.

Klage vor dem Arbeitsgericht

Die Klägerin wollte dies nicht hinnehmen und verklagte das Land auf Zahlung des einbehaltenen Betrages.

Die Klägerin machte geltend, sie habe nicht bemerkt, dass eine Überzahlung vorgelegen habe. Zudem habe sie ihre Gehaltszahlungen mittlerweile auch verbraucht.

Demgegenüber war das beklagte Land der Auffassung, die Klägerin habe die Überzahlung erkennen müssen. So sei ihr stets klar gewesen, dass sie entgegen der Vereinbarung im Änderungsvertrag noch immer gemäß der Entgeltgruppe 11 vergütet werde. Aus den Kontoauszügen sei dies für die Klägerin feststellbar gewesen, denn dort sei die Entgeltgruppe 11 genannt worden.

Zudem habe die Klägerin im Jahr 2011 einen Antrag auf Überprüfung ihrer Stufenzuordnung gestellt. Wegen eines beantragten Kredits habe die Klägerin zudem die Entgeltbescheinigungen für die Monate Januar 2014 und Februar 2014 beantragt und erhalten. Auch habe im Dezember 2015 das zuständige Landesamt festgestellt, dass die behördeninterne Mitteilung vom Juli 2012 nicht verarbeitet wurde. Eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E10 sei daher nicht erfolgt.

Die zentrale Bezügestelle habe dann Ende Dezember 2015 verfügt, das Gehalt der Klägerin nicht gemäß der Entgeltgruppe E10 auszuzahlen. Die Dienststelle der Klägerin habe im Februar 2016 der Zentralen Bezügestelle die Stufenzuordnung der Klägerin ab August 2012 mitgeteilt. Nur so sei der genaue Betrag der Überzahlung zu berechnen gewesen. Mit Schreiben im Februar 2016 habe man dann die Rückzahlung rechtzeitig geltend gemacht. Die Kenntnis von der Überzahlung durch das Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz müsse sich die Zentrale Bezügestelle jedenfalls nicht zurechnen lassen.  

Arbeitsgericht stimmt Land zu

 Das Arbeitsgericht Potsdam, wies die Klage ab. Die Überzahlung der Klägerin sei nicht rechtmäßig gewesen. Zwar habe das beklagte Land die tarifvertragliche Ausschlussfrist nicht eingehalten. Es sei allerdings von der Klägerin treuwidrig, sich auf diese Ausschlussfrist zu berufen.

Nach Auffassung des Arbeitsgerichts muss ein Arbeitnehmer, der eine erhebliche Mehrzahlung erhält, diese dem Arbeitgeber mitteilen. Arbeitnehmer müssen ihren Arbeitgebern grundsätzlich die Gelegenheit einräumen, die Zahlungen zu überprüfen. Letztlich kommt das Arbeitsgericht zu dem Schluss, dass die Klägerin wohl tatsächlich die Überzahlungen nicht bemerkt hat, diese aber hätte bemerken müssen. 

Dies sei der Klägerin anhand der Abrechnungen möglich gewesen. Weiter betont das Arbeitsgericht Potsdam, es „erscheine völlig unglaubwürdig“, dass die Klägerin ihre Entgeltbescheinigungen nicht kontrolliert habe.

LAG entscheidet zugunsten der Klägerin

Die Klägerin ging in Berufung und hatte dort Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gab der Berufung statt und hob das Urteil des Arbeitsgerichts auf.

Wesentlich stützt das LAG seine Entscheidung darauf, dass einerseits das beklagte Land es versäumt habe, die tariflichen Ausschlussfristen einzuhalten. Außerdem betont das Landesarbeitsgericht einen außerordentlichen Aspekt: Die Klägerin habe im Vertrauen auf die Richtigkeit der Gehaltszahlungen das Geld schlicht ausgegeben, also verbraucht. 

In Hinblick auf die tarifliche Ausschlussfrist führt das LAG aus: „Wie erwähnt beträgt die tarifliche Ausschlussfrist sechs Monate. Der überzahlte Betrag aus Juli 2015 hätte damit spätestens am 31.01.2016 schriftlich gegenüber der Klägerin geltend gemacht werden müssen. Das Schreiben im Februar 2016 kam daher zu spät. Nur bei treuwidrigem Verhalten könnte man die Anwendung der tariflichen Ausschlussfrist verneinen.“

Dies ist etwa der Fall, wenn ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber durch aktives Handeln von der Einhaltung der Frist abhält, oder pflichtwidrig Mitteilungen unterlässt, die den Arbeitgeber zur Einhaltung der Ausschlussfrist veranlasst hätte.

Fehler muss an sich mitgeteilt werden

Ein typisches Beispiel ist tatsächlich die Anzeige eines Fehlers bei der Gehaltszahlung durch den Arbeitnehmer. Allerdings fordert die Rechtsprechung eine Überzahlung in erheblichen Umfang. Als „erheblich“ sieht das BAG eine Überzahlung in Höhe von 10% an.

Auch fällt der dargelegte Einwand weg, wenn ein Arbeitgeber anderweitig von der fehlerhaften Zahlung erfährt und den Anspruch auf Rückzahlung innerhalb einer kurzen Frist geltend macht. Nach Ansicht des LAG führt dies im vorliegenden Fall nicht zur Zahlungspflicht der Klägerin. Selbst wenn man annimmt, dass die Klägerin ab August 2012 von der Überzahlung Kenntnis hatte, so hat demgegenüber jedenfalls das beklagte Land nicht rechtzeitig die Rückzahlung gefordert.

Das beklagte Land hatte im Dezember 2015 Kenntnis davon, dass die Herabgruppierung nicht umgesetzt wurde. Das LAG wendet die Rechtsprechung des BAG an, wonach ab Erlangung der Kenntnis keine erneute Ausschlussfrist beginnt. Das LAG sieht eine Frist von maximal drei Wochen für Arbeitgeber als angemessen an, um nach Kenntniserlangung doch noch die Rückforderung geltend zu machen.

Auf wessen Kenntnis kommt es an?

Deutlich führt das LAG aus, auf wessen Wissen bezüglich der falschen Entgeltgruppe es ankommt: Das beklagte Land muss sich sowohl das Wissen der Beschäftigungsstellte, als auch das Wissen der Zentralen Bezügestelle zurechnen lassen. 

Es ist egal, dass es sich hierbei um zwei Behörden handelt. Jede im Rechtsverkehr teilnehmende Organisation muss sicherstellen, dass rechtserhebliche Informationen von Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden.  Die Aufspaltung der Zuständigkeiten wie hier kann nicht zu Lasten der Klägerin gehen.

Dies gilt dann, wenn  - wie hier  - eine Behörde eine andere mit der Erledigung ihrer Angelegenheiten betraut. Das beklagte Land muss daher Kommunikationsversäumnisse zwischen den Behörden tragen. Ausbleibende oder verspätete Mitteilungen wie im vorliegenden Fall wären durch bessere Organisation vermeidbar gewesen.

Vertrauensschutz! 

Das LAG stellt fest, dass die Klägerin auf die Richtigkeit der auf ihr Konto eingehenden Gehaltszahlungen vertrauen durfte. Eine Pflicht des Arbeitnehmers, Kontoauszüge oder Verdienstbescheinigungen zu überprüfen, besteht nach Ansicht der Rechtsprechung nicht.

Die Überzahlung betrug monatlich lediglich 5%, konkret 56 EUR. Auch das Argument des beklagten Landes, die Klägerin habe von der Überzahlung gewusst, da sie einen Antrag auf Überprüfung der Stufenzuordnung gestellt habe, zieht nicht.

Das LAG sieht hier keinen Zusammenhang. Bei Neueinstellungen mögen durchaus fehlerhafte Stufenzuordnungen erfolgen. Vorliegend war die Stufenzuordnung jedenfalls richtig. Die Klägerin hatte keinen Anlass, dass das Land künftig das Gehalt nicht richtig berechnen würde.

 Links

Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg

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Das sagen wir dazu:

Das Urteil des LAG ist konsequent: Verwaltungsbehörden sind an Recht und Gesetz gebunden. Insofern ist der Versucht, das zu viel gezahlte Geld wieder zurückzuholen durchaus verständlich.

Allerdings kann dies nicht dazu führen, dass Arbeitnehmer für jeden erdenklichen Fehler der Behörden auch nach Jahren noch herangezogen werden. So äußert das LAG deutliche Worte in Richtung Finanzverwaltung. Es ist Aufgabe des beklagten Landes den „eigenen Laden im Griff zu haben“.

Insbesondere moderne Kommunikationsmittel erleichtern die Kommunikation zwischen Behörden, so etwa via Intranet, E-Mail etc.

Rechtliche Grundlagen

§ 812 BGB

(1) 1Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. 2Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.