Martin Bauer, Teamleiter der Arbeitseinheit Frankfurt am Main. | Foto: Martin Leissl
Martin Bauer, Teamleiter der Arbeitseinheit Frankfurt am Main. | Foto: Martin Leissl

Arbeitgeber versuchen immer wieder, um die Zahlung des Weihnachtsgeldes herumzukommen. In manchen Betrieben gab es in den letzten Jahren vielleicht tatsächlich wegen der Wirtschaftskrise finanzielle Engpässe, die einen vorübergehenden Verzicht der Belegschaft auf die Jahressonderzahlung begründet haben – jedoch kaum über sieben Jahre hinweg, wie es ein mittelständisches Baugewerbeunternehmen in Hessen praktizierte: In den Jahren 2003 und 2004 bat die Firmenleitung die Mitarbeiter jeweils um schriftliche Einverständniserklärungen, dass sie auf die Zahlung des Weihnachtsgeldes in den jeweiligen Jahren verzichteten. Daraus leitete die Geschäftsführung eine Art Gewohnheitsrecht ab: Sie zahlte in den nachfolgenden Jahren einfach nicht, ohne nochmals schriftliche Erklärungen der Mitarbeiter einzuholen. Ende 2009 hatte ein Beschäftigter genug davon: Der Bauarbeiter, gleichzeitig Mitglied im Betriebsrat, forderte zuerst schriftlich das Weihnachtsgeld für 2009 ein und ging dann vor Gericht, als der Arbeitgeber die Zahlung ablehnte.

 

Anspruch auch bei vorherigem Verzicht

 

„In dem Antwortschreiben behauptet die Geschäftsleitung, der Mitarbeiter hätte generell auf die Sonderzahlung verzichtet“, erläutert Martin Bauer, „außerdem sei der Tarifvertrag zeitlich abgelaufen und unser Mandant gar kein Gewerkschaftsmitglied – eine absurde Unterstellung.“ Der Jurist ist Teamleiter der Arbeitseinheit Frankfurt am Main und hat im Büro Gießen der DGB Rechtsschutz GmbH die Interessen des Bauarbeiters vertreten, der seit 1993 Mitglied der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) ist. Wie der Arbeitgeber mitteilte, war der Tarifvertrag im Baugewerbe über die Gewährung eines 13. Monatsgehaltes tatsächlich schon 2002 abgelaufen. „Er war aber noch weiter gültig“, führt Martin Bauer aus, „weil es keine neue Regelung gab.“ Im Tarifvertragsgesetz wird dies „Nachwirkung eines Tarifvertrages“ genannt und dort eindeutig geregelt.

Ebenso eindeutig urteilte das Arbeitsgericht Gießen: Das Weihnachtsgeld muss der Arbeitgeber zahlen, weil die Rechtsnormen des Tarifvertrages so lange gelten, bis eine andere Verabredung getroffen wird. Außerdem erteilte das Gericht der Behauptung des Arbeitgebers eine klare Absage, dass aus den zweimaligen schriftlichen Verzichtserklärungen des Beschäftigten eine generelle Aussetzung der Weihnachtsgeldzahlung gefolgert werden kann. „Sofern überhaupt einmal der Verzicht auf das Weihnachtsgeld erklärt werden soll, ist es daher wichtig, dass in einer Verzichtserklärung die Beschränkung auf ein Jahr genau benannt ist“, rät Arbeitsrechtsexperte Martin Bauer. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass der Verzicht des Arbeitnehmers so ausgelegt wird, dass er damit auch für die Zukunft auf das Weihnachtsgeld verzichtet.  „Das Tarifvertragsgesetz regelt zwar eindeutig, dass ein Verzicht des Arbeitnehmers auf tarifliche Rechte nicht wirksam sein kann – nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte gilt dies jedoch nicht für die Zeit, in der ein Tarifvertrag lediglich nachwirkt. Hier könnte ein Verzicht wirksam vereinbart werden.“

Rechtliche Grundlagen

Was tun bei…

Widerrufsvorbehalt

Selbst wenn der Arbeitgeber jedes Jahr mündlich, per Aushang oder sogar schriftlich die Weihnachtsgeldzahlung als freiwillige Leistung darstellt, besteht trotzdem nach dreimaliger Zahlung ein Anspruch darauf. Dieser kann nicht einseitig widerrufen oder beseitigt werden.

Betriebliche Übung

Nach dem dritten Mal ist eine „betriebliche Übung“ gegeben. Diese kann nur aufgehoben werden, wenn die Freiwilligkeit unter Widerrufsvorbehalt genannt wurde und der Arbeitgeber die Umstände genau begründen kann, die zur Kürzung oder Streichung der Sonderzahlung führen – der Verweis auf die Freiwilligkeit reicht nicht aus.

Kürzung oder Streichung

Bei Kürzung und Streichung des Weihnachtsgeldes sollte das Weihnachtsgeld unverzüglich schriftlich geltend gemacht werden, spätestens jedoch im Rahmen tariflicher Ausschlussfristen. Antwortet der Arbeitgeber nicht oder lehnt die Forderung ab, sollte man sich bei der zuständigen Gewerkschaft oder der DGB Rechtsschutz GmbH über die rechtlichen Ansprüche informieren und sich gerichtlich vertreten lassen.

Auszahlung in unterschiedlicher Höhe

Aus sachlich nachvollziehbaren Gründen kann der Arbeitgeber das Weihnachtsgeld staffeln. Zum Beispiel je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit oder nach sozialen Kriterien wie der Zahl der Kinder. Als Argumente für verschieden hohe Zahlungen nicht zulässig sind unterschiedliche berufliche Qualifikationen. Sind die Arbeitsbedingungen vergleichbar, müssen die Mitarbeiter auch ein gleich hohes Weihnachtsgeld erhalten.