Eine Klausel, nach der sich der Arbeitszeit nach den jeweiligen Einsatzplänen richtet, unterläuft den Mindestlohn. Copyright by PhotoSG / Fotolia
Eine Klausel, nach der sich der Arbeitszeit nach den jeweiligen Einsatzplänen richtet, unterläuft den Mindestlohn. Copyright by PhotoSG / Fotolia

Neumanns Arbeitsvertrag sah keine feste Stundenzahl vor. Er war bei einer Dienstleistungsfirma beschäftigt und von dieser als sogenannter Roomboy/Zimmerjunge in einem Hotel eingesetzt. Er wurde nur nach Zeitvorgaben bezahlt, nicht nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. 

Arbeitszeit sollte sich nach Einsatzplänen richten

Hiergegen hat er sich erfolgreich gewehrt und eine deftige Lohnnachzahlung erstritten. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat ihm eine Nachzahlung von über 21.000 € zugesprochen.

Der Arbeitgeber hatte keine wöchentlichen oder monatlichen Arbeitsstunden im Arbeitsvertrag eingetragen, sondern eine Klausel verwendet, wonach sich die Arbeitszeit nach Schicht-und Einsatzplänen richte.

Neumann hatte über acht Monate seine tatsächlich gearbeiteten Stunden notiert. Diese lagen zwischen 127 und 243 Stunden im Monat. Er erhielt verschiedene Nettoteilzahlungen von insgesamt circa 4.400 €. 

Betriebsrisiko darf nicht einseitig auf Arbeitnehmer verlegt werden.

Dies entsprach deutlich weniger Stunden. Neumann konnte auch erklären, wieso der Arbeitgeber so viel weniger Stunden zu Grunde legte. Als Stunden seien vom Arbeitgeber die ihm zugewiesenen Zimmerzahl multipliziert mit 30 Minuten beziehunsgweise bei Suiten mit 45 Minuten eingetragen worden. 

Er musste vorab Stundenzettel bereits blanko unterschreiben. Da die in den Zimmern zu verrichteten Arbeiten viel mehr Zeit benötigten, ergaben sich die großen Differenzen. Legt man seine Berechnung zugrunde, sind über die acht Monate brutto über 15.000 € abzurechnen.

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat die Vereinbarung zur Arbeitszeit des Zimmerjungen für unwirksam erklärt: ein Vertrag, der eine Arbeitszeit von null bis 48 Wochenstunden (Höchstarbeitszeit nach Arbeitszeitgesetz) zulässt, sei unwirksam. Damit habe der Arbeitgeber in unzulässiger Weise sein Betriebsrisiko einseitig auf den Arbeitnehmer verlegt.

Kläger erstritt Nachzahlung entsprechend seiner Auflistungen.

Die eigenen Aufzeichnungen von Arbeitnehmern werden oft von den Gerichten als nicht ausreichend angesehen, wenn die Arbeitszeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber streitig ist.

Erfreulicherweise hat hier das Arbeitsgericht und dann das Landesarbeitsgericht für die acht Monate von November 2015 bis Juni 2016 die tatsächliche Arbeitszeit entsprechend der Stundenaufstellung des Klägers mit dem tariflichen Mindeststundenlohn multipliziert. Daraus ergaben sich 15.057,45 Euro brutto.

Diesen Betrag  - abzüglich der bereits erhaltenen 4.379,75 Euro netto  -muss die Beklagte an den Kläger zahlen. Das Gericht ist von den Aufzeichnungen des Klägers ausgegangen. Nur daraus ergab sich die tatsächlich geleistete Arbeitszeit. Dies weil der Arbeitgeber gegen den Vortrag, dass die Stundenzettel nur statistische Durchschnittswerte für die jeweils zu reinigenden Zimmer/Suiten wiedergäben, nichts rechterhebliches eingewendet hat.

Ansprüche nach Kündigung noch für sieben weitere Monate

Nicht nur, dass Neumann Geld vorenthalten wurde, er ist auch noch zum Ende Juni 2016 gekündigt worden. Diese Kündigung hatte er auch angegriffen und für die Zeit von August bis Februar 2017, in der er nicht mehr gearbeitet hatte, Lohn aus Annahmeverzug gefordert.

Die Kündigung wurde von den Gerichten als unwirksam angesehen, so dass er auch einen Lohnanspruch für die Zeit bis Februar 2017 hatte. Es war nur fraglich, in welcher Höhe diese entstanden sind.

Das LAG entschied, dass eine Mindestarbeitszeit von 154,53 Stunden mit dem einschlägigen tariflichen Mindestlohn für diese Branche (2016 9,81 € brutto / 2017 10 € brutto) zu bezahlen sei. Dies ergebe sich aufgrund der unwirksamen Vereinbarung im Arbeitsvertrag zur Arbeitszeit unter Berücksichtigung der gelebten Praxis im Arbeitsverhältnis.

Die geleistete Arbeitszeit ist zu vergüten

Die Vorgehensweise ist nicht nur in Düsseldorf jetzt bekannt. Auch in unserer Region werden solche Zustände beklagt. Frau Neumann ist Zimmermädchen/Reinigungskraft. Sie arbeitete bei einem Dienstleister und ihr Einsatzort war ein „besseres Hotel in der Region.

Das Hotel selbst hatte für das Personal der Dienstleister, das der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig war, die Rechte des Reinigungspersonals in Form einer Bildergeschichte ausgehängt. Daraus konnte jeder erkennen, dass der Lohnanspruch bereits bei Arbeitsaufnahme im Hotel bis zum Verlassen des Hotels abzüglich der Pausen besteht.

Was war die Realität? Es gab Zeitvorgaben für die Beschäftigten. Pro Zimmer/Suite wurde ein bestimmtes Zeitkontingent vergütet. Weil Frau Neumann diese Zeitvorgaben nicht einhalten konnte, errechnete sich für sie ein Lohn deutlich unter dem Mindestlohn. Sie beschwerte sich bei der Vorarbeiterin. Da hieß es sie sei als Anfängerin noch zu langsam, das gäbe sich.

illusorische Zeitvorgaben führen zum „kölsche Wisch“

Frau Neumann war aber nicht langsam, sondern hat nur korrekt die ihr in den Räumen zu verrichtenden Arbeiten gemacht. Sie fragte also Kolleginnen, wie sie die Zeitvorgaben einhalten würden.

„Zeit einsparen, wo es am wenigsten auffällt“  - so lautete die Devise. Also zum Beispiel nur glattstreichen, wo eigentlich die Laken hätten gewechselt werden sollen. Oder die für die Wäsche vorgesehenen Handtücher, die ohnehin schon auf dem Boden liegen, mal eben zum Durchwischen nutzen. Kurz gesagt, den Eindruck erwecken, es sei gründlich gereinigt worden, ohne es tatsächlich zu tun. Zu einer solchen Arbeitsweise war Frau Neumann aber nicht bereit.

Arbeitnehmer werden nach Stunden und für Zeiträume bezahlt. Es ist unzulässig Arbeitszeiten nicht zu bezahlen, weil derjenige angeblich zu langsam arbeitet. Wir reden hier nicht davon, dass sich jemand vor der Arbeit drückt, sondern davon, dass gerne im Reinigungsbereich die verlangte Arbeit in der verlangten Zeit nicht zu schaffen ist.

Pressemitteilung des Landesarbeitsgericht Düsseldorf zum Urteil vom 09.05.2018 – 7 Sa 278/17

Und hier das Urteil des Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 09.05.2018 – 7 Sa 278/17 im Volltext

Das sagen wir dazu:

Das ist einer der Formen wie Arbeitgeber versuchen den Mindestlohn zu unterlaufen. Schön, dass hier das LAG Düsseldorf klare Kante gezeigt hat und dem Roomboy seinen Lohn für die von ihm geleistete Arbeitszeit zugesprochen wurde.

Das Dilemma für den Arbeitnehmer bleibt aber. Wehrt er sich, befindet er sich meist noch in der Probezeit und wird diese nicht überstehen. Umso wichtiger ist, dass solche Urteile klarstellen: Man kann sich auch erfolgreich wehren.

Rechtliche Grundlagen

§ 12 TzBfG

Arbeit auf Abruf

(1) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt eine Arbeitszeit von zehn Stunden als vereinbart. Wenn die Dauer der täglichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, hat der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen.

(2) Der Arbeitnehmer ist nur zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt.

(3) Durch Tarifvertrag kann von den Absätzen 1 und 2 auch zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden, wenn der Tarifvertrag Regelungen über die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit und die Vorankündigungsfrist vorsieht. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen über die Arbeit auf Abruf vereinbaren.