2,10 Euro Lohn für die Reinigung eines sogenannten Bleibe-Zimmers erhielt eine Innenreinigerin eines Hamburger Hotels. Dafür standen ihr 15 Minuten Zeit zur Verfügung. Dies besagte die „Anlage zum Arbeitsvertrag“, die die 57-jährige Arbeitnehmerin nachträglich unterschrieben hatte. Hierin wurde dieser Leistungslohn festgelegt. Für die 18-minütige Reinigung eines Abreise-Zimmers gab es 2,55 Euro. Allerdings existierte zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung im November 2011 bereits der Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne in der Gebäudereinigung – danach hätte die Innenreinigerin mindestens 8,40 Euro Bruttostundenlohn erhalten müssen. In der Praxis bedeutete das: Sie hätte mindestens vier Bleibe-Zimmer pro Stunde reinigen müssen, um auf dieses Gehalt zu kommen.

Als der Arbeitgeber an seiner Leistungslohn-Regelung für die Zimmerreinigung festhielt und sich weigerte, seiner Beschäftigten pauschal den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen, suchte sie Hilfe bei der DGB Rechtsschutz GmbH in Hamburg. „Aus unserer Sicht machte es sich der Arbeitgeber etwas zu einfach“, erläutert Rechtssekretär Dirk Riekens, der die Mandantin vor dem Arbeitsgericht Hamburg vertrat. Denn die Reinigung eines Zimmers kann je nach Verschmutzung auch länger als die vorgegebenen 15 oder 18 Minuten dauern. „Wenn die Reinigungszeiten überschritten wurden, ging der Arbeitgeber automatisch von eigenmächtigen Pausen oder Bummelei aus – wie soll eine Reinigungskraft in einem solchen Fall das Gegenteil beweisen?“ Zudem ist der Arbeitgeber zur Zahlung des tariflich festgelegten Mindestlohns verpflichtet. Im vorliegenden Fall jedoch setzte der Hotelier den Mindestlohn nur bei der Berechnung der Urlaubsvergütungen oder bei Reinigungsarbeiten von anderen Räumlichkeiten des Hotels an.

 

Mindestlohn als Auffangregelung

 

Das bestätigte auch das Arbeitsgericht Hamburg in seinem Urteil: Der Hotelbetreiber ist trotz seiner Vereinbarung mit der Mandantin über die Vergütungshöhe für die Reinigung von Bleibe- und Abreise-Zimmern verpflichtet gewesen, ihr eine Vergütung nach dem tariflichen Mindestlohn zu zahlen. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG), auf dessen Grundlage der Tarif-Mindestlohn geschlossen worden ist, sind Arbeitgeber mit Sitz im In- und Ausland verpflichtet, ihren Beschäftigten mindestens die im Tarifvertrag für den Beschäftigungsort vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen zu gewähren. Eine Vergütungsvereinbarung, die zur Folge hat, dass sich das Vergütungsniveau unterhalb dieser Vergütungsgrenze bewegt, ist nicht wirksam möglich, so die Richter. Jurist Riekens ergänzt: „Wenn es einen Mindestlohn gibt, bildet dieser immer eine Untergrenze – führt eine Leistungslohnvereinbarung dazu, dass das Vergütungsniveau darunter liegt, greifen diese Regelungen als Auffangregelung zugunsten der Beschäftigten.“ Diese Kröte musste auch der Arbeitgeber schlucken und seiner klagenden Beschäftigten 3.700 Euro brutto als restliche Vergütung für den Zeitraum Dezember 2010 bis August 2011 nachzahlen. In diesem Betrag enthalten ist auch eine Nachzahlung, da der Arbeitgeber der Mandantin nicht ausreichend Zimmer zugeteilt hatte und sie so nicht auf ihre vertraglich vereinbarte Stundenzahl kommen konnte.