Ebenso wie bei einer unwirksamen Betriebsvereinbarung ist bei einer formnichtigen die Umdeutung in eine einzelvertragliche Zusage in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig.

Die Parteien streiten um den Anspruch der Klägerin auf ein Jubiläumsgeld.


Die Klägerin war zunächst beim Rechtsvorgänger der Beklagten beschäftigt. Der von der Beklagten geführte Betrieb hat seitdem mehrfach seinen Eigentümer gewechselt. Über längere Zeit gehörte der Betrieb zu einem Konzern, danach zu einem anderen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob während dieser Zeit Jubiläumsgelder gezahlt wurden und ob eine Verpflichtung zur Zahlung von den Rechtsvorgängern auf die Beklagte übergegangen wäre.

Die Vorinstanz hatte die Beklagte zur Zahlung eines Jubiläumsgeldes verurteilt. Zwar könne die Klägerin keine wirksame Gesamtbetriebsvereinbarung, aus der der Jubiläumsgeldanspruch folgt, darlegen, da die von der Rechtsvorgängerin abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung nicht dem Schriftformerfordernis entspreche.

Die Klägerin könne das Jubiläumsgeld aber gleichwohl beanspruchen, weil ihr dieses auf Grund einzelvertraglicher, auf die Beklagte übergegangener Regelung zustehe. Im vorliegenden Fall sei die unwirksame Betriebsvereinbarung analog § 140 BGB auf Grund des besonderen Verpflichtungswillens des Arbeitgebers, der über die Erklärung, eine Betriebsvereinbarung abschließen zu wollen, erkennbar hinausging, zum Inhalt des Einzelvertrags geworden.

Das Hessische LAG hat entschieden, dass die Beklagte zu Recht verurteilt wurde. Wenn die Beklagte die Auffassung vertritt, bei einer gem. § 77 Abs. 2 BetrVG formnichtigen Betriebsvereinbarung scheide im Gegensatz zur Unwirksamkeit gem. § 77 Abs. 3 BetrVG die Umdeutung entsprechend § 140 BGB aus, so erschließt sich der Kammer nicht, woraus die Beklagte den Schluss zieht, dass beide Fälle nicht vergleichbar sind.

Zwar handelte es sich bei den vom Bundesarbeitsgericht bisher entschiedenen Fällen um Betriebsvereinbarungen, die wegen einer Verletzung der Tarifsperre des § 77 Abs. 3 BetrVG keine Wirksamkeit entfalten konnten. Es ist aber weder vom Normzweck her noch im Hinblick auf die in der genannten Entscheidung dargestellten Begründung geboten, zwischen beiden Unwirksamkeitsgründen hinsichtlich der Rechtsfolgen einen Unterschied zu machen.

Die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätze für eine Umdeutung in entsprechender Anwendung des § 140 BGB, nach denen diese nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Frage kommt, hat die Vorinstanz völlig zutreffend auf den vorliegenden Fall angewandt.

Denn die Unternehmensleitung hatte unmittelbar nach dem Übergang des Betriebs beschlossen, die Richtlinien zur Zahlung von Jubiläumsgeldern für den Betrieb unverändert zu übernehmen.

Daraus folgt eindeutig, dass die damalige Rechtsvorgängerin der Beklagten den von der einschlägigen Rechtsprechung geforderten über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung hinausgehenden Verpflichtungswillen hatte, an alle Arbeitnehmer des Betriebs die zuvor geltenden Regelungen für die Zahlung von Jubiläumsgeldern anzuwenden.

Damit liegen die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung vor, denn die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat über mehrere Jahre den Arbeitnehmern ihres Betriebs regelmäßige Leistungen in der Weise erbracht, dass sie Jubiläumsgelder unter Anwendung dieser Regelungen zahlte. Der dieser Zahlung zu Grunde liegende Verpflichtungswille wurde dann auch konsequent bei den folgenden Betriebsübergängen dokumentiert, wenn dort jeweils in entsprechenden Vereinbarungen die Aufrechterhaltung der Jubiläumsregelungen ausdrücklich aufgenommen wurde.

Matthias Beckmann:

Der Betriebsrat hat in sozialen Angelegenheiten Mitbestimmungsrechte. Diese werden von den Betriebsparteien häufig in Betriebsvereinbarungen festgelegt. Das Betriebsverfassungsrecht schreibt vor, dass diese Betriebsvereinbarungen schriftlich niedergelegt werden müssen. Außerdem schreibt es vor, dass Betriebsvereinbarungen nicht regeln können, was durch Tarifverträge geregelt wurde oder üblicherweise durch sie geregelt wird. Es sei denn, der Tarifvertrag lässt dies ausdrücklich zu. Dies ist die sogenannte Tarifsperre.
Eine tarifwidrige Betriebsvereinbarung ist in jedem Fall unwirksam.
Wenn mit der Betriebsvereinbarung Begünstigungen für die Beschäftigten wie Sonderzahlungen geregelt werden, ist es ärgerlich, wenn die Umsetzung an der Tarifsperre scheitert. Gibt es hierzu eine Regelung im Tarifvertrag ist die Betriebsvereinbarung unwirksam.
Das Bundesarbeitsgericht hatte in der Vergangenheit bereits entschieden, dass in einem solchen Fall die Betriebsvereinbarung umgedeutet werden kann in eine einzelvertragliche Regelung. Wenn der Arbeitgeber zusätzlich zum Abschluss der Betriebsvereinbarung einen besonderen Verpflichtungswillen zu Ausdruck gebracht hat, kann der Arbeitnehmer ihn trotz Unwirksamkeit der eigentlichen Regelung in Anspruch nehmen.
Die Umdeutung einer fehlerhaften Betriebsvereinbarung kommt daher nicht per se in Betracht. Es bedarf eines besonderen Verpflichtungswillens auf Seiten des Arbeitgebers. Dieser kann beispielsweise dadurch zum Ausdruck kommen, dass es schon vor der Betriebsvereinbarung eine Gesamtzusage oder eine betriebliche Übung gleichen Inhalts gegeben hat.
Die Umdeutung einer Betriebsvereinbarung bleibt demnach ein Ausnahmefall.
Das Hessische Landesarbeitsgericht hat diese Rechtsprechung nun erweitert auf einen Fall, in dem zwar keine Tarifsperre eingriff, die Betriebsparteien aber die vorgeschriebene Schriftform nicht eingehalten hatten.
Die Betriebsvereinbarung selbst war folglich unwirksam. Die Richter deuteten aber die Betriebsvereinbarung wiederum in eine einzelvertragliche Regelung um. Der Arbeitgeber hatte bereits zuvor – so das Gericht – einen besonderen Verpflichtungswillen zum Ausdruck gebracht.
Aus diesem Grund konnte die klagende Beschäftigte ihren Arbeitgeber trotz der unwirksamen Betriebsvereinbarung auf Zahlung eines Jubiläumsgeldes in Anspruch nehmen.
Für die Praxis kann freilich nicht die Empfehlung gegeben werden, sich hierauf zu verlassen. Bei Abschluss einer Betriebsvereinbarung ist darauf zu achten, dass tarifvertragliche Regelungen nicht missachtet werden. Gleichfalls sollte die Schriftform mit Unterschrift beider Betriebsparteien stets eingehalten werden. Dies gilt auch dann, wenn es zuvor eine betriebliche Übung oder ähnliches bereits gab.