Ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber kann aufgrund von einzelvertraglichen Bezugnahmeklauseln zu tarifvertraglich vereinbarten Einmalzahlungen verpflichtet sein. Das geht aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hervor.

Der Fall:

Die klagenden Arbeitnehmer sind bei einem nicht tarifgebundenen Betrieb der baden-württembergischen Metallindustrie beschäftigt. In ihren Arbeitsverträgen ist die Anwendung der »Tarifverträge für die Metallindustrie Baden-Württembergs« vereinbart.

Im Jahr 2003 vereinbarten die Tarifvertragsparteien der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg mit dem Entgeltrahmen-Tarifvertrag (ERA-TV) sowie den ihn begleitenden weiteren Tarifverträgen, dass in den Betrieben bis spätestens zum 29. Februar 2008 ein neues Entgeltsystem einzuführen ist.

Für den betrieblichen Einführungsprozess sehen die Tarifregelungen unter anderem vor, zur Finanzierung der mit der Umstellung verbundenen Kosten einen Teil der vereinbarten Entgeltsteigerungen einem betrieblichen sogenannten »ERA-Anpassungsfonds« zuzuführen.

Weiter ist in den später vereinbarten »Tarifverträgen über die ERA-Strukturkomponenten« ein Anspruch der Beschäftigten auf Einmalzahlungen zu bestimmten Zeitpunkten vereinbart, wenn das ERA-Entgeltsystem nicht bis zum 29. Februar 2008 eingeführt worden ist.

Das hier beklagte Unternehmen wollte zunächst das neue Entgeltsystem einführen und bildete deshalb einen entsprechenden Anpassungsfonds. 2008 gab es dieses Vorhaben aber wieder auf. Die klagenden Arbeitnehmer verlangten daraufhin die für diesen Fall tarifvertraglich vereinbarten Einmalzahlungen.

Die Entscheidung:

Der Vierte Senat des BAG gab den Arbeitnehmern nun grundsätzlich recht. Die Beklagte war aufgrund der vertraglichen Bezugnahmeklauseln verpflichtet, jedenfalls die Inhaltsnormen des ERA-TV bis zum 29. Februar 2008 in den jeweiligen Arbeitsverhältnissen umzusetzen.

Die Richter des BAG haben den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, weil nicht geklärt war, ob die Arbeitnehmer die Ausschlussfristen für die geltend gemachten Ansprüche gewahrt haben.

Folgen für die Praxis:

Dem Sachverhalt liegt die leider weit verbreitete Unsitte der einzelvertraglichen Vereinbarung von Tarifverträgen zugrunde. Arbeitgeber bieten häufig unter dem Vorwand der Gleichbehandlung die Bezugnahme auf Tarifverträge an, um sie so zum Vertragsbestandteil werden zu lassen, obwohl der betreffende Mitarbeiter kein Gewerkschaftsmitglied ist. Der Gleichbehandlungsgrundsatz kann eine solche Gleichstellung aber nicht rechtfertigen. Nach dem Grundgesetz muss nur Gleiches gleich behandelt werden. Die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft ist aber hinreichender Grund um Gewerkschaftsmitglieder und Nichtmitglieder hinsichtlich der Anwendung der Tarifverträge ungleich zu behandeln. Arbeitgeber bieten die arbeitsvertragliche Vereinbarung der Tarifverträge daher häufig nur deshalb an, um den Anreiz für den Beitritt in eine Gewerkschaft zu verringern. Bei der Unterzeichnung eines solchen Arbeitsvertrags sollten sich Arbeitnehmer gerade aus diesem Grunde für einen Eintritt in die zuständige Fachgewerkschaft entscheiden. Wie der vorliegende Fall zeigt, fühlen sich Arbeitgeber bei einer nur vertraglichen Vereinbarung nicht immer an alle Bestandteile des Tarifvertrags gebunden. Auch wenn das BAG die volle Anwendung des Tarifvertrags vorliegend auch in Bezug auf eine Einmalzahlung annimmt, bleibt zu beachten, dass die einzelvertragliche Bezugnahme auf den Tarifvertrag vom Arbeitgeber gekündigt werden kann. Für Gewerkschaftsmitglieder hat die Anwendung der Tarifverträge hingegen die Wirkung eines Gesetzes.



Pressemitteilung des BAG zum Urteil vom 12.06.2013, Az: 4 AZR 969/11