Mit Raffgier infiziert? Copyright by Adobe Stock/ Rebel
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Die Vergütung des Anwaltes im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof berechnete sich nach dessen Zeitaufwand. Er sollte nichts anderes tun, als mit dem Arbeitgeber seines Mandanten einen Aufhebungsvertrag zu vereinbaren. Der Mandant hatte aber offensichtlich den Vertrag nicht so ganz genau durchgesehen. Er unterschrieb nämlich eine Vereinbarung, wonach seinem Anwalt 290 € pro Stunde zuzüglich Umsatzsteuer zustehen sollten.

Die Stunde zählte keine 60 Minuten

Eine Stunde zählt dabei aber keine 60 Minuten. Ausweislich des Vertrages bedurfte der Rechtsanwalt seinen Stundensatz für Tätigkeiten des Sekretariats schon pauschal ab 15 Minuten pro Stunde abrechnen. Das fiel dem Kläger erst auf, nachdem er die Rechnung seines Rechtsanwaltes über rund 11.000 € erhielt.

Zwar erstritt sein Anwalt für ihn rund 10.000 € Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes. Das freute den Kläger schon. Davon hatte er aber nichts. Sein Anwalt behielt das Geld gleich erst einmal ein und forderte noch über 1.000 € zusätzlich von ihm.

Ein Schalk, wer Böses dabei denkt.

Der BGH schob dem Treiben des geschäftstüchtigen Anwalts einen Riegel vor

Diesem Treiben des geschäftstüchtigen Rechtsanwaltes schob der Bundesgerichtshof nun jedoch einen Riegel vor. Er zog den Mandantenschutz in diesem Falle der Freiheit des Anwaltes auf uneingeschränkte Berufsausübung vor. Und das ist gut so.

Denn der Formularvertrag, den der Kläger unterschrieben hatte, benachteilige diesen unangemessen, so der BGH.

Rechtsanwälte erhalten ihre Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz

Rechtsanwälte erhalten ihre Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Das sieht vor, dass erst das gesamte Gebührenaufkommen des Anwaltes dazu geeignet sein muss, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Das führe zu einer Art Mischkalkulation. Dabei würden letztlich die weniger lukrativen Geschäfte durch gewinnträchtigere Mandate sichergestellt, so der BGH. Das Grundgesetz schütze die Freiheit, den eigenen Beruf auszuüben (Art. 12 Grundgesetz). Dies umfasse durchaus auch das Recht, ein Entgelt für anwaltliche Leistungen frei auszuhandeln.

Der Rechtsanwalt hatte mit seinem Mandanten einen Formularvertrag ausgefüllt

Der Rechtsanwalt habe mit seinem Mandanten einen Formularvertrag ausgefüllt. Dieser Formularvertrag dürfe inhaltlich durch das Gericht geprüft werden. Preisabreden, auch über zusätzlich angebotene Sonderleistungen seien zwar grundsätzlich kontrollfrei. Dies gelte aber dann nicht, wenn die Preise für eine Leistung, die erbracht werden solle, durch eine gesetzliche Regelung vorgegeben würden.

Selbst bei Gestaltungsspielräumen für eine Festlegung des Preises bleibt die Kontrolle möglich

Dies gelte selbst dann, wenn Gestaltungsmöglichkeiten blieben und der Preis für die anwaltliche Leistung nicht starr festgelegt worden sei. Davon sei auch der Fall umfasst, dass für die Höhe eines Entgelts rechtlich ein Spielraum gewährt werde. Für solche Fällen habe der Gesetzgeber Leitlinien für die Preisgestaltung aufgestellt.

Eine solche individuelle Gestaltung auf der Grundlage allgemeiner Geschäftsbedingungen könnten vom Gericht also überprüft werden. Sie müssten sich immer an die Grenzen halten, die von den Leitlinien gezogen würden.

Der BGH sah eine deutliche Abweichung der Vergütungsvereinbarung vom Gesetz

Nach Auffassung des BGH wich die Vergütungsvereinbarung deutlich von den Vorschriften ab. Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz stelle eine gesetzliche Gebührenordnung dar. Sie regele, dass die Rechtsanwaltsvergütung nur bedingt einzelvertraglich vereinbart werden könne.

Sie schließe auch eine weitergehende Kontrolle nach anderen gesetzlichen Bestimmungen nicht aus. Sei die Vergütung unangemessen hoch, werde sie im Rechtsstreit auf den angemessenen Betrag bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung herabgesetzt.

Der vereinbarte Preis könnte unwirksam sein

Im Einzelfall könne es sogar sein, dass das Gericht die Vereinbarung über den Preis insgesamt für unwirksam hält. Das würde nicht nur dazu führen, dass es den Preis auf ein Maß herabführt, das vertretbar ist.

Im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof hatte der Anwalt Mindestgebühren erhoben, die die gesetzlichen Gebühren um das Dreifache überschritten. Bereits das sah das Gericht kritisch. Zusammen mit der Tatsache, dass auch der Gegenstandswert erhöht worden sei, werde der Anwalt unzulässig am Erfolg des Verfahrens beteiligt.

Preisabrede stellt eine unangemessene Benachteiligung des Mandanten dar

Der Bundesgerichtshof wertete es als eine unangemessene Benachteiligung des Mandanten, wenn das Mandat die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses des Mandanten betreffe und die Vergütungsvereinbarung zusätzlich wegen der Abfindung erhöht werden könne.

Dem Mandanten hatte der Verlust des Arbeitsplatzes gedroht. Ziel für ihn war es, mit rechtsanwaltlicher Unterstützung zumindest eine passable Abfindung zu erhalten. Gerade im Bereich des Arbeitsrechts verweist der BGH in diesem Zusammenhang auf die besondere Schutzwürdigkeit eines Mandanten.

Der Schutzwürdigkeit des Mandanten steh die Berufsfreiheit des Anwalts gegenüber

Zwar stehe der Schutzwürdigkeit des Mandanten die Freiheit des Rechtsanwalts gegenüber, seinen Beruf frei auszuüben und auch die Gebühren individuell auszuhandeln. Werde das jedoch formularmäßig gemacht ohne speziellen Hinweis, dann genüge dies in diesem Fall nicht mehr dem Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers. Das gelte vor allem auch für die 15-Minuten-Taktung, die bereits den vollen Stundensatz hervorrufe. Diese Regelung des Vertrages sei unwirksam.

Der Mandant, der sich in Rechtsangelegenheiten beraten lassen wolle, könne den Wert der Leistung, die ein Rechtsanwalt erbringe, kaum ermessen. Dies gelte auch für die Erfolgsaussichten im Verfahren, die der Anwalt besser einschätzen könne. Davon abhängig sei dann auch der Aufwand für eine erfolgreiche Betreuung des Mandates. Wie viel Zeit der Anwalt tatsächlich aufwende, sehe der Mandant nicht.

Unredlichen Anwälten würden umfangreiche Missbrauchsmöglichkeiten eingeräumt

Unredlichen Rechtsanwälten würden hierdurch umfangreiche Missbrauchsmöglichkeiten eingeräumt.

Es gebe zwar durchaus Gründe für eine Abrechnung nach Zeittakten. Anwälte müssten ihre Arbeit etwa durch einen Anruf oder eine Rückfrage unterbrechen und sich anschließend noch einmal neu einarbeiten. Das koste Zeit.

Allerdings hätten auch Mandanten Interesse daran, nur diejenige Arbeitszeit zu bezahlen, die tatsächlich auf das eigene Mandat verwendet werde.

Ein Zeittakt von 15 Minuten sei jedoch keinesfalls gerechtfertigt, so der BGH.

Die 15-Minuten-Taktung hält der BGH für unwirksam

Die 15-Minuten-Zeitklausel hält der BGH damit für unwirksam. Dies ändere aber nichts daran, dass grundsätzlich ein Zeithonorar vereinbart war und diese Vereinbarung weiter gelten könne. Zeithonorar und Zeittaktklausel würden nämlich nicht untrennbar zusammenhängen. Damit sei eine Abrechnung des tatsächlichen Aufwandes ohne weiteres möglich.

Der Rechtsanwalt durfte seine Arbeit damit nur nach den tatsächlich geleisteten Stunden abrechnen. Diese konnte er sich schon mit 290 € netto vergüten lassen. Letztlich konnte das Honorar damit ganz erheblich reduziert werden, d. h. dem Mandanten blieb am Ende doch noch einen Großteil seiner Abfindung.

Hier geht es zum Urteil

Das sagen wir dazu:

Einem Gewerkschaftsmitglied wäre das nicht passiert. Der Mitgliedsbeitrag enthält neben dem Recht tarifgemäß vergütet und behandelt zu werden auch einen kostenlosen Rechtsschutz.Die Höhe des Streitwertes ist hierbei völlig egal. Jedes Mitglied kann diesen gewerkschaftlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen, und zwar sowohl in arbeits- als auch in sozialgerichtlichen Verfahren. Auch Beamte genießen diesen Rechtsschutz.10.000 € Abfindung hätten damit auch 10.000 € bedeutet. Hiervon wäre außer etwaigen Steuerabgaben nichts abgezogen worden. Unredliches Geschäftsgebaren gibt es hier nicht. Gewerkschaftliche Rechtsschutzsekretäre*innen erhalten keine Honorare, die mit den Mandanten vereinbart würden.