Vorformulierte Arbeitsverträge müssen transparent sein. Copyright by adobe stock
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Im Arbeitsvertrag vom 01.09.2015 haben die Parteien vereinbart, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht wurden.
 
Im Rahmen eines Kündigungsrechtsstreits schlossen die Parteien einen Vergleich.
Er beinhaltete, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Ablauf des 15.08.2016 endet und der Beklagte sich verpflichtet, das Arbeitsverhältnis bis zum 15.09.2016 ordnungsgemäß abzurechnen.  
 

Kläger erstinstanzlich erfolgreich

Am 17.01.2017 klagte der Kläger beim Arbeitsgericht (ArbG) die Urlaubsabgeltung ein, die der Beklagte im Rahmen der Endabrechnung von 06.10.2016 nicht zur Auszahlung brachte.
 
In diesem Verfahren berief sich der Beklagte darauf, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung verfallen sei, weil der Kläger die dreimonatige Ausschlussfrist nicht eingehalten habe.
 
Das ArbG sprach dem Kläger die Urlaubsabgeltung zu.
 

Beklagter in zweiter Instanz erfolgreich

Der Beklagte legte Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) ein. Das Berufungsgericht hob die Entscheidung des ArbG auf und wies die Klage ab. Vertragliche und tarifliche Ausschlussfristen, so die Richter*innen des Berufungsgerichts, kommen in der Praxis sehr häufig vor und wirken sich regelmäßig auf alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis aus.
 
Da die Rechtsfrage der Wirksamkeit der vertraglichen Verfallklausel grundsätzliche Bedeutung habe, lies das LAG die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zu.
 

Aller guten Dinge sind drei

Die Revision des Klägers hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Sie führte zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
 
Der Kläger hat Anspruch auf die Abgeltung von 19 Urlaubstagen mit 1.687,20 Euro brutto. Eine Geltendmachung des Anspruchs, so das BAG, innerhalb der vertraglichen Ausschlussfrist, sei nicht notwendig gewesen.
 

Begründet wurde die Entscheidung des BAG im Ergebnis wie folgt:

Die arbeitsvertragliche Ausschlussklausel verstößt gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Sie ist nicht klar und verständlich, weil sie entgegen § 3 Satz 1 Mindestlohngesetz (MiLoG) den ab dem 1. Januar 2015 zu zahlenden gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnimmt. Die Klausel kann deshalb auch nicht für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung aufrechterhalten werden (§ 306 BGB). § 3 Satz 1 MiLoG schränkt weder seinem Wortlaut noch seinem Sinn und Zweck nach die Anwendung der §§ 306, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ein.
 

Welche Auswirkungen hat die BAG - Entscheidung auf Arbeitsverträge ab 01.01.2015?

Die meisten Arbeits- und auch Tarifverträge enthalten sogenannte Ausschlussfristen, innerhalb derer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend zu machen sind.
Versäumen Arbeitnehmer*innen diese Ausschlussfristen, gehen an sich berechtigte Ansprüche  ersatzlos unter.

Sinn und Zweck dieser Verfallsklauseln ist es, dass zwischen den Arbeitsvertragsparteien schnell Rechtssicherheit darüber herrscht, welche Ansprüche noch offen sind. Ausschlussfristen sollen vermeiden, dass Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag noch Monate oder gar Jahre nach deren Fälligkeit geltend gemacht werden können. Denn die regelmäßige gesetzliche Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Nach der Entscheidung Bundesarbeitsgerichts vom 18.09.2018 sollen Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen insgesamt unwirksam sein, wenn die Fristen nicht auch konkret die Bestimmungen zum Mindestlohn ausnehmen. Denn, so die Richter*innen des Neunten BAG Senats:

Fehlt der Mindestlohnausschluss, ist die gesamte Verfallsklausel nicht klar und verständlich und damit unwirksam.

Im Ergebnis bedeutet die BAG - Entscheidung, dass bei Arbeitsverhältnissen, die in den letzten drei Jahren geendet haben, für Arbeitnehmer*innen die Möglichkeit besteht, etwaig noch offene Forderungen gegenüber ihren früheren Arbeitgebern zu verfolgen.
Aber auch Ansprüche aus bestehenden Arbeitsverhältnissen, die bisher unter Hinweis auf eine verspätete Geltendmachung nicht weiter verfolgt wurden, dürften nach der höchstrichterlichen Auffassung durchsetzbar sein, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31.12.2014 abgeschlossen wurde.
Hier finden Sie die Pressemitteilung der Bundesarbeitsgerichts vom 18.09.2018:
Für Interessierte!
Hier geht es zur Entscheidung des Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 31.01.2018, 33 Sa 17/17, die durch das BAG am 18.09.2018 aufgehoben wurde:

Rechtliche Grundlagen

§ 3 S. 1 MiLoG, §§ 195 BGB, 307 Abs. 1 S. 2 BGB, 306 Abs. 1 und Abs.2

§ 3 Satz 1 Mindestlohngesetz (MiLoG):

„Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam.“


§ 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - Regelmäßige Verjährungsfrist :

"Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre."


§ 307 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):

„(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.“

§ 306 Abs. 1 und Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):

„(1) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam.

(2) Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften.“