Verweist eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel auf den BAT, ist für die Höhe der Vergütung entscheidend, welche Regelungen die Vertragspartner einbeziehen wollten, den TVöD oder einen anderen Tarifvertrag. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

 

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger aufgrund arbeitsvertrag-licher Vereinbarung Vergütung nach dem zwischen dem Marburger Bund und der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geschlossenen Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände vom 17. August 2006 (TV-Ärzte/VKA) beanspruchen kann.

 

Im Arbeitsvertrag ist vereinbart, dass auf das Dienstverhältnis verschiedene Regelungen des des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT, §§ 7 bis 10, 13, 14, 18 Abs. 3, 37 Abs. 1, 38, 48, 52, 66 und 70) sowie die vom Krankenhausträger erlassenen Satzungen, Dienstanweisungen und Hausordnungen in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden. Auch die arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarungen verweisen auf den BAT. Nach Ablösung des BAT durch den durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005  (TVöD) zum 1. Oktober 2005 erhielt der Kläger Vergütung nach Entgeltgruppe 15 des TVöD für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-K) vom 1. August 2006.

 

Der Kläger war der Auffassung, er müsse nach Entgeltgruppe IV des TV-Ärzte/VKA bezahlt werden. Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Arbeitgebers hatte das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen.

 

Der TV-Ärzte/VKA findet auf das Arbeitsverhältnis weder unmittelbar kraft Tarifbindung noch mittelbar über eine arbeistvertragliche Bezugnahme Anwendung. Der TV-Ärzte/VKA ist keine "gültige Fassung" des BAT. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung, wonach der Chefarzt eines Krankenhauses eine Vergütung "entsprechend der Vergütungsgruppe I BAT der Anlage 1a zum BAT (VKA) in der jeweils gültigen Fassung" erhält, ist eine kleine dynamische Bezugnahme, die weder eine Erstreckung auf den TVöD noch eine auf den TV-Ärzte/VKA trägt. Da das Objekt der Bezugnahme - der BAT - von den Tarifvertragsparteien nicht mehr weiterentwickelt wird, sind Bezugnahmeklauseln dieses Inhalts seit der Ersetzung durch den TVöD zum 1. Oktober 2005 lückenhaft.

 

Diese Regelungslücke ist mittels ergänzender Vertragsauslegung dahingehend zu schließen, dass sich die Vergütung des Chefarztes nach der Entgeltgruppe 15Ü TVöD richten soll. Einen Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA ab 1. August 2006 begründet die streitige Bezugnahmeklausel nicht.

 

Dem Arzt stand deshalb die geforderte Vergütung nicht zu.

Auswirkungen auf die Praxis:

Es herrschte Streit darüber, ob der TVÖD oder der Tarifvertrag TV-Ärzte/ VKA gelten solle. Ausgangspunkt war eine deutlich bessere Bezahlung des Chefarztes nach dem TV-Ärzte/VKA, die im vorliegenden Fall 32902 € brutto für 19 Monate ausgemacht hätte, d.h. also monatlich 1731 € brutto Lohndifferenz.

Grundsätzlich gelten Tarifverträge unmittelbar für ein Arbeitsverhältnis wenn Sie entweder allgemeinverbindlich erklärt wurden, oder wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils Mitglied in dem den Tarifvertrag abschließenden Verband und der Gewerkschaft sind, oder aber wenn für das Unternehmen ein spezieller eigener Tarifvertrag abgeschlossen wurde (sog. Haus- oder Firmentarif). Unabhängig hiervon kann durch Arbeitsvertrag Tarifwirkung hergestellt werden, wie im vorliegenden Fall, wenn arbeitsvertraglich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Geltung eines Tarifvertrages vereinbart wird, sog. Bezugnahmeklausel.

 

Bei solchen, im Arbeitsvertrag enthaltenen Bezugnahmenregelungen werden in der Regel „dynamische Klauseln“ gewählt, mit denen die Geltung der jeweils aktuell gültigen Fassung eines Tarifvertrages vereinbart wird. Im von BAG entschiedenen Fall wurde vereinbart, dass der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) geltend solle, der jedoch zum 01.09.2005 durch den TVöD ersetzt wurde. Zum 01.08.2006 wurde der Tarifvertrag mit dem Marburger Bund abgeschlossen, so dass zeitgleich zwei Tarifverträge vorlagen, die Anwendung hätten finden können.

 

Das BAG hat entschieden, dass wenn in einem Arbeitsvertrag ausdrücklich auf den BAT verwiesen wird, die Anwendung des TV-Ärzte/VKA ausscheidet. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitsvertrag die Formulierung enthält Tarifvertrag „in der jeweils gültigen Fassung", denn der TV-Ärzte/VKA ist keine Fassung des BAT. Der Vertrag ist auch nicht aufgrund der Unklarheitenregel, § 305 c Abs. 2 BGB, im Rahmen einer AGB-Kontrolle zum Vorteil des Chefarztes auszulegen. Wird eine Bezugnahmeklausel nach Vertragsschluss dadurch „unklar“, dass der in Bezug genommene Tarifvertrag durch mehrere Tarifverträge ersetzt wird, findet die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB keine Anwendung. Ergebnis war daher, dass die deutlich höhere Vergütung vom Chefarzt nicht gefordert werden konnte.