Die Psyche kann die Behandlung einer Schuppenflechte beeinflussen. © Adobe Stock: CandyRetriever
Die Psyche kann die Behandlung einer Schuppenflechte beeinflussen. © Adobe Stock: CandyRetriever

Seit Jahren litt der Kläger schon an einer Schuppenflechte. Bei seiner Arbeit hatte er deshalb bislang keine größeren Probleme. Wegen einer Verschlimmerung des Befundes musste er sich aber doch in regelmäßige Behandlung in ein Klinikum vor Ort begeben. Dort erhielt er tägliche Anwendungen.

 

Trotz Beschwerden versuchte der Kläger zu arbeiten

 

Sein Arzt schrieb den Kläger bis zum 15. März krank. Am 16. März nahm der Mann seine Arbeit wieder auf, beendete diese jedoch wegen des anstehenden Behandlungstermins etwas früher. Die Beklagte zog die ausgefallene Zeit vom Arbeitszeitkonto des Klägers ab.

 

Dabei blieb es jedoch nicht. Am 17. März musste der Betroffene an einem Personalgespräch teilnehmen. Tags darauf erhielt er eine Abmahnung mit der Überschrift „Verstoß gegen die Arbeitnehmerpflichten“. Im Personalgespräch habe man über die therapeutische Maßnahme gesprochen, die der Kläger täglich während seiner Arbeitszeit durchführe. Arbeitsunfähigkeit liege nicht vor. Der Kläger habe es abgelehnt, unter Fortzahlung seines Entgelts für die Behandlungen freigestellt zu werden.

 

Die weitere Krankmeldung blieb nicht aus

 

Nach dem Personalgespräch legte der Kläger eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit rückwirkend ab dem 15. März vor.

 

Es habe ihn sowohl psychisch als auch physisch besonders herausgefordert, den Vormittag im Betrieb mit körperlich erschöpfender Arbeit und den Nachmittag im Anschluss in der Klinik zu verbringen. Seine Behandlungserfolge habe er am 17. März nachmittags mit der Ärztin besprochen. Diese und auch der Oberarzt hätten den Erfolg der Therapie bei einer gleichzeitigen Arbeit als gefährdet angesehen. Deshalb habe die Ärztin die weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt.

 

Neben dem Abzug von Stunden vom Arbeitszeitkonto und der Abmahnung behielt der Chef auch die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ein und verwies darauf, der Mann habe eine „Gefälligkeitsarbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ erhalten.

 

Die Klage brachte Gewissheit

 

Vira Domchak vom Rechtsschutzbüro Freiburg hatte zwischenzeitlich Klage beim Arbeitsgericht erhoben. Dort wies der Arbeitgeber darauf hin, der Kläger habe konkret mitgeteilt, er könne sich auch krankschreiben lassen. Dabei sei er lediglich auf die betriebliche Regelungen über Arztbesuche während der Arbeitszeit hingewiesen worden.

 

Die Vorgesetzte begleite in ihrem familiären Umfeld selbst seit Jahren eine an Schuppenflechte erkrankte Person. Sie sei deshalb mit dem Krankheitsbild sehr vertraut. Für sie habe sich der dringende und begründete Verdacht ergeben, dass der Kläger seine Ärztin im Anschluss an das Personalgespräch dazu veranlasst habe, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auszustellen, obgleich eine Arbeitsunfähigkeit nicht vorgelegen habe.

 

Das Arbeitsgericht Freiburg sah das anders. Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei das gesetzlich vorgesehene Mittel zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit. Sie besitze einen hohen Beweiswert. Diesen Beweiswert habe die Beklagte nicht erschüttert.

 

Die ärztliche Bescheinigung war korrekt

 

Zudem habe es sich bei der Bescheinigung um eine Folgebescheinigung gehandelt. Die Ärztin dürfe diese ausnahmsweise und nach gewissenhafter Prüfung bis zu drei Tage rückwirkend ausstellen. Die Ärztin habe den Kläger anlässlich der Behandlung in der Klinik täglich gesehen und sich ein genaues Bild von dessen Gesundheitszustand machen können.

 

Die Aussage des Klägers, er könne sich auch krankschreiben lassen, erschütterte den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht. Von einer Arbeitsunfähigkeit sei nämlich nicht nur dann auszugehen, wenn der*die Arbeitnehmer*in objektiv nicht mehr in der Lage sei, die vertraglich geschuldete Tätigkeit auszuüben. Arbeitsunfähig sei auch, wer die Tätigkeit nicht ausüben solle, weil die Heilung dadurch nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert wird.

 

Die Ärztin habe dem Kläger bescheinigt, dass eine weitere Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit die Heilung gefährde. Es spiele keine Rolle, dass die Beklagte meine, dass das Krankheitsbild des Klägers keine Arbeitsunfähigkeit mit sich bringe. Entscheidend sei nicht die medizinische Einschätzung der Beklagten, sondern die medizinische Einschätzung wie sie sich aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ergebe.

 

Der Kläger bekam in vollem Umfang recht

 

Dem Kläger stehe daher die streitige Entgeltfortzahlung zu. Die Abmahnung sei ungerechtfertigt. Der Kläger habe nicht gegen die Pflichten verstoßen. Er sei nachweislich arbeitsunfähig gewesen. Weil dem Kläger auch für die Tage vom 15. bis 17. März Entgeltfortzahlung zustand, habe die Beklagte im Übrigen keinen Abzug der Abwesenheitszeiten anlässlich der Behandlungen des Klägers vom Stundenkonto vornehmen dürfen.

 

Hier geht es zum Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg im Volltext.