Darlegungs- und Beweislast für den Zugang einer E-Mail trägt der Versender. © Adobe Stock - Roy Fenton Wylam
Darlegungs- und Beweislast für den Zugang einer E-Mail trägt der Versender. © Adobe Stock - Roy Fenton Wylam

Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob der Kläger verpflichtet ist, ein ihm zur Finanzierung einer Fortbildung gewährtes Darlehen in Höhe von 60.000 Euro an die Beklagte zurückzuzahlen.

Rückzahlungsverzichtsklausel wenn kein Beschäftigungsangebot

Zwischen den Parteien war vertraglich geregelt, dass die Beklagte auf die Rückzahlung des Darlehens dann verzichtet, wenn sie aus betrieblichen Gründen dem Kläger innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Fortbildung keine Übernahme in ein Arbeitsverhältnis anbietet.

Kein Beschäftigungsangebot innerhalb vereinbarter Frist

Ob der Kläger eine E-Mail der Beklagten mit einem Beschäftigungsangebot als Anlage am letzten Tag der Frist erhalten hat, war streitig. Die Beklage verwies auf ihr Postausgangs- und Posteingangskonto, wonach die E-Mail verschickt worden sei

und sie daraufhin keine Meldung der Unzustellbarkeit bekommen habe. Der Kläger bestätigte den Eingang einer solchen E-Mail erst drei Tage später

Beklagte behält monatlich 500 Euro vom Gehalt des Klägers ein

Nachdem es zwischen den Parteien zu einem Arbeitsverhältnis kam, begann die Beklagte, vom Gehalt des Klägers monatlich jeweils 500 Euro als Darlehensrückzahlung einzubehalten. Sie war der Ansicht, dass dem Kläger rechtzeitig ein Arbeitsplatz aufgrund der E-Mail angeboten worden sei. Die Bedingung für den Verzicht auf die Rückzahlung sei nicht eingetreten. Sie könne sich hinsichtlich des fristgerechten Zugangs der E-Mail auf den Beweis des ersten Anscheins berufen.

Kläger erhebt Leistungsklage

Nachdem eine außergerichtliche Einigung nicht möglich war, erhob der Kläger Leistungsklage beim Arbeitsgericht Köln um die für mehrere Monate zu Unrecht einbehaltenen monatlichen Abzüge i.H.v. jeweils 500 Euro einzuklagen.

Arbeitsgericht gibt Klage statt

Mit Urteil vom 18. März 2021 hat das Arbeitsgericht Köln der Lohnzahlungsklage stattgegeben. Gegen die erstinstanzliche Entscheidung legte die Beklagte Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Köln ein.

LAG bestätigt Arbeitsgericht

Der Zugang einer E-Mail, so das Berufungsgericht, ist vom Versender darzulegen und zu beweisen.

Mit der Absendung der E-Mail lasse sich kein Anscheinsbeweis für den Zugang beim Empfänger begründen. Ob nach dem Versenden einer E-Mail die Nachricht auf dem Empfängerserver eingeht, sei nicht gewiss. Ebenso wie bei einfacher Post sei es technisch möglich, dass die Nachricht nicht ankommt. Dieses Risiko könne nicht dem Empfänger aufgebürdet werden. Da der Versender die Art der Übermittlung der Willenserklärung wähle trage er auch das Risiko, dass die Nachricht nicht ankommt. Um sicherzustellen, dass eine E-Mail den Adressaten erreicht habe, habe der Versender über die Optionsverwaltung eines E-Mail-Programms die Möglichkeit, eine Lesebestätigung anzufordern. Hiervon habe die Beklagte aber abgesehen.

Da die Beklagte wenige Tage nach Ablauf von fünf Jahren nach Beendigung der Fortbildung den Kläger in ein Arbeitsverhältnis übernahm, sei von einem Verzicht der Darlehensrückzahlung auszugehen. Hieraus, so das LAG, ergebe sich, dass die Beklagte monatlich jeweils 500 Euro als Darlehensrückzahlung zu Unrecht einbehalten habe.

Hier finden Sie das vollständige Urteil des LAG Köln:

Rechtliche Grundlagen

§ 130 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

§ 130 Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber Abwesenden



(1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.



(2) Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird.



(3) Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist.