BAG schafft Klarheit zum Insolvenzschutz für laufende Rentenleistungen
BAG schafft Klarheit zum Insolvenzschutz für laufende Rentenleistungen

Rückständige Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sind nach § 7 Abs. 1a Satz 3 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) durch den Pensions-Sicherungs-Verein nur insolvenzgeschützt, wenn der Anspruch darauf bis zu zwölf Monate vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist.


Zu diesem Ergebnis kam der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 20.09.2016 in vorliegender und weiteren vergleichbaren Sachen, die von Thomas Heller vom Kasseler Centrum für Revision und Europäisches Recht der DGB Rechtsschutz GmbH, vertreten wurden.


Keine Anwendung findet diese Bestimmung auf Leistungen, die nach der Versorgungsregelung als Kapitalleistungen und nicht als Renten zu erbringen sind.


Der im Jahr 1949 geborene Kläger war langjährig bei der späteren Insolvenzschuldnerin beschäftigt. Dort bestand eine Versorgungsordnung, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit oder nach Vollendung des 60. Lebensjahres eine Kapitalleistung vorsah. Vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres schied der Kläger vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis aus. Dadurch war die frühere Arbeitgeberin verpflichtet, ihm im Februar 2010 eine Kapitalleistung iHv. 28.452,51 Euro brutto zu zahlen.

Über das Vermögen der früheren Arbeitgeberin wurde das vorläufige Insolvenzverfahren im September 2011 und erst im Dezember 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Zusammenhang zwischen unterbliebener Zahlung und eingetretene Insolvenz des Versorgungsschuldners für Haftung nötig

Das Landesarbeitsgericht Köln hat den Pensions-Sicherungs-Verein mit Urteil vom 8. Mai 2015 - 4 Sa 1057/14 - als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung zur Zahlung der Kapitalleistung verurteilt. Die Revision des Beklagten hatte vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG haftet der beklagte Pensions-Sicherungs-Verein bei Kapitalleistungen auch für zurückliegend entstandene Versorgungsansprüche außerhalb des Zwölf-Monats-Zeitraums. Dies jedoch, so die Richter*innen des Dritten Senats, erfordert einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der unterbliebenen Zahlung und der später eingetretenen Insolvenz des Versorgungsschuldners. Dieser Zusammenhang liegt vor, wenn sich der Versorgungsschuldner zum Zeitpunkt seiner Zahlungspflicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand.

Da das Landesarbeitsgericht die für die Beurteilung dieser Frage erforderlichen Feststellungen bislang nicht getroffen hat, konnte die Sache nicht abschließend entschieden werden. Der Senat hat den vorliegenden Fall und sechs weitere gleichgelagerte Fälle zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Anmerkung:

Das Urteil stellt klar, dass § 7 Abs. 1a Satz 3 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) nur für laufende Rentenleistungen, nicht aber für (einmalige) Kapitalleistungen gilt.

Damit steht fest, dass lediglich rückständige Rentenleistungen nicht insolvenzgeschützt sind, soweit sie bis zu 12 Monate vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind. Demgegenüber gilt für den Anspruch auf eine Kapitalleistung ausschließlich § 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG, sodass die 12-Monats-Grenze nicht greift.

Danach muss der Anspruch aber nicht erfüllt worden sein, weil über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Vorliegend hatte der Arbeitgeber nach Entstehen der Ansprüche den Klägern falsche Auskünfte erteilt und die Zahlung verweigert. Dies führte in einigen Fällen dazu, dass die Kläger gerichtlich gegen den Arbeitgeber vorgegangen sind. Damit stellte sich die Frage, welche Umstände letztlich kausal für die Zahlungsverweigerung waren.

Das Urteil des 3. Senats bringt auch insoweit die Klarstellung, dass es die Kausalität bejaht, wenn sich der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Zahlungspflicht bereits in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand. Es bleibt abzuwarten, ob der Senat in den Entscheidungsgründen näher ausführen wird, was unter den Begriff der wirtschaftlichen Schwierigkeiten konkret zu fassen ist.

Für einen weiten Kausalitätsbegriff spricht die unionsrechtskonforme Auslegung.
Insoweit sind Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (InsolvenzschutzRL) vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers und die dazu ergangenen Urteile des Europäischen Gerichtshofes vom 25.01.2007 - C-278/05 - (Robins) und vom 25.04.2013 - C-398-11 - (Hogan) zu beachten. Danach steht Art. 8 InsolvenzschutzRL einem Schutzsystem entgegen, das in bestimmten Situationen auf eine Leistungsgarantie hinausläuft, die auf weniger als die Hälfte begrenzt ist, die einem Arbeitnehmer zustanden.

Nach Zurückweisung der Sache wird das Berufungsverfahren wieder vom Büro Hannover der DGB Rechtsschutz GmbH geführt.

Über den weiteren Verfahrensverlauf werden wir berichten.

Hier geht es zur Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.09.2016

Hier finden Sie das vollständige Urteil des EuGH vom 25.01.2007 - C-278/05 - (Robins)

Hier finden Sie das vollständige Urteil des EuGH vom 25.04.2013 - C-398-11 - (Hogan):

 

Im Praxistipp: § 7 Betriebsrentengesetz - BetrAVG - Umfang des Versicherungsschutzes Betriebsrentengesetz (BetrAVG), Art. 8 der Richtlinie2008/94/EG – InsolvenzschutzRL

Rechtliche Grundlagen

§ 7 Betriebsrentengesetz - BetrAVG - Umfang des Versicherungsschutzes Betriebsrentengesetz (BetrAVG), Art. 8 der Richtlinie2008/94/EG – Insolvenzschut

Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz - BetrAVG) - § 7 Umfang des Versicherungsschutzes

(1) Versorgungsempfänger, deren Ansprüche aus einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitgebers nicht erfüllt werden, weil über das Vermögen des Arbeitgebers oder über seinen Nachlass das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, und ihre Hinterbliebenen haben gegen den Träger der Insolvenzsicherung einen Anspruch in Höhe der Leistung, die der Arbeitgeber aufgrund der Versorgungszusage zu erbringen hätte, wenn das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden wäre. Satz 1 gilt entsprechend,

1. wenn Leistungen aus einer Direktversicherung aufgrund der in § 1b Abs. 2 Satz 3 genannten Tatbestände nicht gezahlt werden und der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nach § 1b Abs. 2 Satz 3 wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nachkommt,

2. wenn eine Unterstützungskasse oder ein Pensionsfonds die nach ihrer Versorgungsregelung vorgesehene Versorgung nicht erbringt, weil über das Vermögen oder den Nachlass eines Arbeitgebers, der der Unterstützungskasse oder dem Pensionsfonds Zuwendungen leistet (Trägerunternehmen), das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.

§ 14 des Versicherungsvertragsgesetzes findet entsprechende Anwendung. Der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stehen bei der Anwendung der Sätze 1 bis 3 gleich

1. die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse,
2. der außergerichtliche Vergleich (Stundungs-, Quoten- oder Liquidationsvergleich) des Arbeitgebers mit seinen Gläubigern zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens, wenn ihm der Träger der Insolvenzsicherung zustimmt,
3. die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.

(1a) Der Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung entsteht mit dem Beginn des Kalendermonats, der auf den Eintritt des Sicherungsfalles folgt. Der Anspruch endet mit Ablauf des Sterbemonats des Begünstigten, soweit in der Versorgungszusage des Arbeitgebers nicht etwas anderen bestimmt ist. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und 4 Nr. 1 und 3 umfasst der Anspruch auch rückständige Versorgungsleistungen, soweit diese bis zu zwölf Monaten vor Entstehen der Leistungspflicht des Trägers der Insolvenzsicherung entstanden sind.

(2) Personen, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder bei Eintritt der nach Absatz 1 Satz 4 gleichstehenden Voraussetzungen (Sicherungsfall) eine nach § 1b unverfallbare Versorgungsanwartschaft haben, und ihre Hinterbliebenen haben bei Eintritt des Versorgungsfalls einen Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung, wenn die Anwartschaft beruht

1. auf einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitgebers oder
2. auf einer Direktversicherung und der Arbeitnehmer hinsichtlich der Leistungen des Versicherers widerruflich bezugsberechtigt ist oder die Leistungen aufgrund der in § 1b Abs. 2 Satz 3 genannten Tatbestände nicht gezahlt werden und der Arbeitgeber seiner Verpflichtung aus § 1b Abs. 2 Satz 3 wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nachkommt.

Satz 1 gilt entsprechend für Personen, die zum Kreis der Begünstigten einer Unterstützungskasse oder eines Pensionsfonds gehören, wenn der Sicherungsfall bei einem Trägerunternehmen eingetreten ist. Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach der Höhe der Leistungen gemäß § 2 Abs. 1, 2 Satz 2 und Abs. 5, bei Unterstützungskassen nach dem Teil der nach der Versorgungsregelung vorgesehenen Versorgung, der dem Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der in der Versorgungsregelung vorgesehenen festen Altersgrenze entspricht, es sei denn, § 2 Abs. 5a ist anwendbar. Für die Berechnung der Höhe des Anspruchs nach Satz 3 wird die Betriebszugehörigkeit bis zum Eintritt des Sicherungsfalles berücksichtigt. Bei Pensionsfonds mit Leistungszusagen gelten für die Höhe des Anspruchs die Bestimmungen für unmittelbare Versorgungszusagen entsprechend, bei Beitragszusagen mit Mindestleistung gilt für die Höhe des Anspruchs § 2 Abs. 5b.

(3) Ein Anspruch auf laufende Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung beträgt jedoch im Monat höchstens das Dreifache der im Zeitpunkt der ersten Fälligkeit maßgebenden monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Satz 1 gilt entsprechend bei einem Anspruch auf Kapitalleistungen mit der Maßgabe, dass zehn vom Hundert der Leistung als Jahresbetrag einer laufenden Leistung anzusetzen sind.

(4) Ein Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung vermindert sich in dem Umfang, in dem der Arbeitgeber oder sonstige Träger der Versorgung die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erbringt. Wird im Insolvenzverfahren ein Insolvenzplan bestätigt, vermindert sich der Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung insoweit, als nach dem Insolvenzplan der Arbeitgeber oder sonstige Träger der Versorgung einen Teil der Leistungen selbst zu erbringen hat. Sieht der Insolvenzplan vor, dass der Arbeitgeber oder sonstige Träger der Versorgung die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung von einem bestimmten Zeitpunkt an selbst zu erbringen hat, so entfällt der Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung von diesem Zeitpunkt an. Die Sätze 2 und 3 sind für den außergerichtlichen Vergleich nach Absatz 1 Satz 4 Nr. 2 entsprechend anzuwenden. Im Insolvenzplan soll vorgesehen werden, dass bei einer nachhaltigen Besserung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers die vom Träger der Insolvenzsicherung zu erbringenden Leistungen ganz oder zum Teil vom Arbeitgeber oder sonstigen Träger der Versorgung wieder übernommen werden.

(5) Ein Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung besteht nicht, soweit nach den Umständen des Falles die Annahme gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Versorgungszusage oder ihre Verbesserung oder der für die Direktversicherung in § 1b Abs. 2 Satz 3 genannten Tatbestände gewesen ist, den Träger der Insolvenzsicherung in Anspruch zu nehmen. Diese Annahme ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn bei Erteilung oder Verbesserung der Versorgungszusage wegen der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers zu erwarten war, dass die Zusage nicht erfüllt werde. Ein Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung besteht bei Zusagen und Verbesserungen von Zusagen, die in den beiden letzten Jahren vor dem Eintritt des Sicherungsfalls erfolgt sind, nur


1. für ab dem 1. Januar 2002 gegebene Zusagen, soweit bei Entgeltumwandlung Beträge von bis zu 4 vom Hundert der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung für eine betriebliche Altersversorgung verwendet werden oder

2. für im Rahmen von Übertragungen gegebene Zusagen, soweit der Übertragungswert die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigt.

(6) Ist der Sicherungsfall durch kriegerische Ereignisse, innere Unruhen, Naturkatastrophen oder Kernenergie verursacht worden, kann der Träger der Insolvenzsicherung mit Zustimmung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Leistungen nach billigem Ermessen abweichend von den Absätzen 1 bis 5 festsetzen.


Artikel 8 der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers

Die Mitgliedstaaten vergewissern sich, dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer sowie der Personen, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers aus dessen Unternehmen oder Betrieb bereits ausgeschieden sind, hinsichtlich ihrer erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter, einschließlich Leistungen für Hinterbliebene, aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der einzelstaatlichen gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit getroffen werden.