Wie gewonnen, so zerronnen!
Wie gewonnen, so zerronnen!

Wie gewonnen  - zu zerronnen. Erst muss ein Arbeitnehmer seinen Lohn einklagen. Als der Arbeitgeber immer noch nicht zahlt, lässt er vollstrecken und erhält endlich das Entgelt für seine Arbeit. Weil der Arbeitgeber aber insolvent ist, muss er es jetzt zurückzahlen.

Insolvenzanfechtung bei Ratenzahlungsvereinbarung mit Gerichtsvollzieher

 
Wenn der Arbeitnehmer in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung oder in der Zeit danach, Zahlungen des Arbeitgebers erhält, die nicht in der geschuldeten Art erfolgen, kann der Insolvenzverwalter die Zahlungen im Rahmen einer Insolvenzanfechtung zur Masse zurückfordern.

Druckzahlungen sind inkongruent


Nach der Entscheidung des 6. Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 20.09.2017 kann der Arbeitnehmer in der kritischen Zeit keine Leistung unter Einsatz hoheitlichen Zwangs beanspruchen, durch den er auf das zur Befriedigung aller Gläubiger unzureichende Vermögen des späteren Insolvenzschuldners zugreift und andere Gläubiger zurücksetzt.

Zahlungen, die er im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzt oder die der Arbeitgeber erbringt, um die unmittelbar bevorstehende Zwangsvollstreckung abzuwenden (Druckzahlungen), sind deshalb zurückzuzahlen und der Masse zuzuführen.
 

Vollstreckbarer Titel


Der Fahrer einer in Insolvenz gegangenen Firma erstritt vor dem Arbeitsgericht Aachen ausstehenden Lohn in Höhe von 3.071,00 Euro.

Weil der Arbeitgeber keine Zahlung leistete, betrieb er die Zwangsvollstreckung. Der von dem Fahrer beauftragte Gerichtsvollzieher vereinbarte mit dem Arbeitgeber Ratenzahlungen.

Zwei dieser Raten in Höhe von insgesamt 1.737,00 Euro erhielt der Arbeitnehmer in den Monaten Mai und Juni 2012. Ende Juli wurde Insolvenzantrag gestellt. Das Insolvenzverfahren wurde im Oktober 2012 eröffnet.
 

Insolvenzverwalter obsiegt beim BAG


Mit Erfolg verlangte nun der Insolvenzverwalter die mit den letzten beiden Raten gezahlten 1.737,00 € für die Insolvenzmasse zurück.

Nach der Insolvenzordnung, so das BAG, kann ein Insolvenzverwalter alle Zahlungen zurückfordern, die innerhalb der „kritischen Zeit“ von drei Monaten vor dem Insolvenzantrag lagen und die nicht in der üblichen und „geschuldeten Art“ erfolgt sind (sogenannte inkongruente Deckung).

Nach dem Willen des Gesetzgebers soll hierdurch verhindert werden, dass eine Firma in Insolvenz noch kurz vor der Insolvenz einzelne Gläubiger bevorzugt.
 

Zugunsten der Insolvenzmasse muss der Lohn zurückbezahlt werden


Die Argumentation des Fahrers, wonach die Raten vereinbart gewesen und deren Zahlungen somit in der „geschuldeten Art“ erfolgt seien, blieb ohne Erfolg.

Denn die Richter*innen des 6. Senats sahen in den Ratenzahlungen eine Fortführung der Zwangsvollstreckung, die nicht der üblichen Zahlungsweise des Lohns entspricht.

Der Arbeitgeber habe immer unter dem Druck der Zwangsvollstreckung gestanden, wenn er eine Rate nicht zahlen sollte.
 
Hier finden Sie die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.09.2017:

Das sagen wir dazu:

Insolvenzordnung bringt Arbeitnehmer*innen um deren Lohn!


Nicht gerade arbeitnehmerfreundlich gestaltet sich die Insolvenzordnung. Dies zeigt einmal mehr der nunmehr vom BAG entschiedene Fall.

Ein Arbeitnehmer, der Lohnansprüche für einen Zeitraum erfolgreich einklagt, der weit vor der Insolvenz seines Arbeitgebers liegt, sieht sich zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gezwungen, nachdem sein Arbeitgeber keine Zahlungen leistet.

Um dem Arbeitgeber die Befriedigung der Lohnansprüche zu erleichtern, vereinbart der von dem Arbeitnehmer beauftragte Gerichtsvollzieher Ratenzahlungen mit dem Schuldner. Da die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen teilweise in die sogenannte „kritische Zeit“ fallen, die den Zeitraum von drei Monaten vor Stellung des Insolvenzantrags umfasst, sind die in diesem Zeitraum beigetriebenen Lohnansprüche, nach Wille des Gesetzgebers, der Masse zuzuführen.

Es ist nach Auffassung des Autors schlichtweg ein Unding, bereits weit vor dem Insolvenzantrag rechtskräftig festgestellte Lohnansprüche, durch eine gesetzliche Regelung, wie § 131 Insolvenzordnung ins Leere laufen zu lassen. Hier bedarf es einer Änderung im Sinne der Arbeitnehmer*innen.

Rechtliche Grundlagen

§ 131 Insolvenzordnung

§ 131 Insolvenzordnung

Inkongruente Deckung

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,

1. wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist,

2. wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder

3. wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.

(2) Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen.
Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte.