Lohnanspruch ohne Arbeit. Copyright by Kzenon/fotolia
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Geklagt hatte ein Busfahrer, der vom Hagener Büro der DGB Rechtsschutz GmbH vertreten wurde. Er hatte vertraglich eine wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden vereinbart. Der tatsächlich ausgezahlte Lohn des ver.di-Mitgliedes lag aber deutlich unterhalb der dieser Arbeitszeit entsprechenden Vergütung. Tatsächlich hatte der Busfahrer auch in geringerem Umfang gearbeitet. Er hatte sich aber dabei exakt an die Arbeitseinteilung seines Chefs gehalten, der ihn weniger als 30 Wochenstunden zu Bustouren eingeteilt hatte.
 

Erfolglos in der I. Instanz

Das Arbeitsgericht Iserlohn wies die auf Zahlung der Differenz gerichtete Klage ab. Begründet wurde dies damit, dass der Busfahrer konnte im Prozess nicht beweisen konnte, dass er, und sei es auch nur mündlich, seine Arbeitskraft über die tatsächliche Einteilung hinaus angeboten habe. Er hätte, so die Iserlohner Richter*innen, ausdrücklich verlangen müssen, in dem Umfang zu Bustouren eingeteilt zu werden, der seiner vertraglichen Arbeitszeit entsprach.
 

Andere Beurteilung durch das Berufungsgericht

Mit Hilfe des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes legte der Busfahrer Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm ein. Die Richter*innen der II. Instanz beurteilten die Rechtslage anders als die Vorinstanz.
 
Das Berufungsgericht erkannte die Klage auf Zahlung Lohndifferenz für begründet, obwohl der Busfahrer seine Arbeitskraft weder mündlich, noch in einer sonstigen Form ausdrücklich angeboten habe. Ein derartiges Angebot sei nämlich entbehrlich. Der Arbeitnehmer, so die 17. Kammer des LAG Hamm sei nicht verpflichtet, von seinem Chef die Einteilung zu weiteren Bustouren zu verlangen. 
 

Angebot der Arbeitskraft entbehrlich

Dieses Ergebnis ergebe sich aus § 296 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Danach ist ein Angebot der Arbeitskraft entbehrlich, wenn der Arbeitgeber eine Handlung
vorzunehmen hat, deren Zeitpunkt nach dem Kalender bestimmt ist, und er diese Handlung nicht rechtzeitig vornimmt.


Da vertraglich eine wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden vereinbart worden war, habe der Busunternehmer eine Mitwirkungspflicht zur entsprechenden Arbeitseinteilung. Er müsse seinen Fahrer bis zum Wochenende im vertraglichen Umfang zur Arbeit einteilen. Unterlasse er dies, gerate er ohne Weiteres in Annahmeverzug, da seine Mitwirkungshandlung kalendermäßig bestimmt gewesen sei.
 

Lohnanspruch ohne Arbeit

Ein wörtliches oder gar persönliches Angebot der Arbeitskraft durch den Busfahrer sei entbehrlich gewesen. Denn allein deshalb, weil die Arbeitseinteilung nicht im vertraglich vereinbarten Umfang erfolgte, sei die Annahmeverzugssituation entstanden.
Der Busfahrer habe also ohne Weiteres einen Anspruch auf Zahlung der entstandenen Lohndifferenz. Unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung, sprach das LAG Hamm dem Kläger die von diesem begehrte Vergütung zu.
 
 
Hier finden Sie das vollständige Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 19.04.2018:
 
Näheres zum Annahmeverzug erfahren Sie hier:
 
Aber auch zu viel Arbeit kann zu Problemen führen:

Das sagen wir dazu:

Das Urteil des LAG Hamm ist richtig und zu begrüßen. Nur diese Auffassung wird in der Praxis der Realität gerecht. Immerhin ist es der Arbeitgeber, der sich auf sein Weisungsrecht beruft, konkret auf sein Recht, die Beschäftigten zur Arbeit einzuteilen.
Dann muss er  - und dies ist nur die andere Seite der Medaille -  seiner Pflicht auch nachkommen. Warum soll anderenfalls der Arbeitnehmer verpflichtet sein, ihn noch an seine Aufgaben zu erinnern indem er ausdrücklich verlangt, zur Arbeit eingeteilt zu werden?

Rechtliche Grundlagen

§§ 293 bis 296 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 293 Annahmeverzug
Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt.



Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 294 Tatsächliches Angebot
Die Leistung muss dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden.



Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 295 Wörtliches Angebot
Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde, oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, insbesondere wenn der Gläubiger die geschuldete Sache abzuholen hat. Dem Angebot der Leistung steht die Aufforderung an den Gläubiger gleich, die erforderliche Handlung vorzunehmen.



Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 296 Entbehrlichkeit des Angebots
Ist für die von dem Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so bedarf es des Angebots nur, wenn der Gläubiger die Handlung rechtzeitig vornimmt. Das Gleiche gilt, wenn der Handlung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Handlung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt.