Ein Arbeitgeber ist auch während des Zeitraums einer beruflichen Fortbildung zur Zahlung des Mindestlohns verpflichtet. Copyright by Stockfotos-MG/fotolia
Ein Arbeitgeber ist auch während des Zeitraums einer beruflichen Fortbildung zur Zahlung des Mindestlohns verpflichtet. Copyright by Stockfotos-MG/fotolia

Jens B schloss mit dem Möbelhaus M einen schriftlichen Aus-und Fortbildungsvertrag für drei Jahre ab. Er sollte erst eineinhalb Jahre eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann absolvieren. An diese Ausbildung schloss sich nach diesem Vertrag unmittelbar die Fortbildung zum Handelsfachwirt für weitere eineinhalb Jahre an.

Vertragsparteien vereinbaren dreijährige Fortbildung

Jens B und das Möbelhaus M vereinbarten für die gesamte Zeit von 3 Jahren eine Ausbildungsvergütung von anfangs 1.000 € . Dieser Betrag steigerte sich bis zum Ende der Ausbildung auf 1.200 € .

Außerdem vereinbarten die beiden Parteien, dass Jens B. Aufgaben zugewiesen werden sollten, die einem Einzelhandelskaufmann entsprechen, und dass er Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt bekommen sollte, die zum Erreichen des Ziels der Fortbildung zum Handelsfachwirt erforderlich sind. Das Möbelhaus verpflichtete sich außerdem, Jens B für die Zeiten des Blockunterrichts im Berufsbildungszentrum während der Zeit der Ausbildung zum Handelsfachwirt freizustellen und die Prüfungsgebühren zu zahlen.

Jens B schloss zunächst die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann ab. Danach wurde er in den verschiedenen Filialen des Möbelhauses M eingesetzt und verrichtete hauptsächlich Arbeiten im Lager und an der Kasse. Außerdem war er in der Kundenberatung eingesetzt. Schließlich nahm er an insgesamt 50 Tagen am Blockunterricht in dem Berufsbildungszentrum teil und legte nach weiteren 18 Monaten die Prüfung zum Handelsfachwirt ab.

Zahlung des Mindestlohns während der Zeit der Ausbildung zum Handelsfachwirt?

Nachdem er die Fortbildung beendet hatte, fand Jens B, dass ihm jedenfalls für die letzten einenhalb Jahre des Aus -und Fortbildungsverhältnisses der Mindestlohn nach dem  Mindestlohngesetz ( MiLoG) zustehen würde. 

Er hatte ja schließlich während des gesamten Zeitraums der Aus-und Weiterbildung hauptsächlich als Einzelhandelskaufmann gearbeitet; eine Ausbildung zum Handelsfachwirt fand durch das Möbelhaus M so gut wie gar nicht statt.

Klage vor dem Arbeitsgericht erfolgreich 

Mithilfe der DGB Rechtsschutz GmbH klagte Jens B seinen Anspruch auf Mindestlohn in Höhe von immerhin ca. 4.300 € vor dem Arbeitsgericht ein. Dabei wurde die Ausbildungsvergütung, die er vom Möbelhaus M erhalten hatte, bereits berücksichtigt.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt: zwar gelte das MiLoG nicht für Personen, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt werden. Nach dem Wortlaut seien auch nicht nur Berufsausbildungsverhältnisse nach dem Berufsbildungsgesetz vom Mindestlohn ausgeschlossen. 

Es sei aber erforderlich, dass die Vermittlung von Ausbildungsinhalten während des Fortbildungsverhältnisses im Vordergrund stünden. Dies sei bei Jens B, der während seiner Zeit der Ausbildung zum Handelsfachwirt nahezu ausschließlich Tätigkeiten als Einzelkaufmann verrichtet habe, nicht der Fall gewesen. Daran würde auch die Teilnahme am Blockunterricht im Berufsschulzentrum nichts ändern, der lediglich 50 Stunden betragen habe,. Jens B. könne somit den Mindestlohn in Höhe von (damals) 8,50 € für die Zeit der Fortbildung zum Handelsfachwirt beanspruchen.

Berufungsverfahren des Arbeitgebers erfolglos 

Damit wollte sich das Möbelhaus M nicht abfinden. Es legte gegen das Urteil des Arbeitsgericht Dresden Berufung ein. Jens B - wiederum mit Hilfe der DGB Rechtsschutz GmbH - wehrte sich dagegen mit Erfolg: Das sächsische Landesarbeitsgericht folgte der Auffassung des Arbeitsgerichts Dresden. 

Es stellte außerdem klar, dass es sich bei der praktischen Berufsbildung zum Handelsfachwirt nicht um ein Praktikum handelte, das nach einer Ausbildungsordnung oder schulrechtlichen Bestimmung hätte absolviert werden müssen und in diesem Fall nicht vom Mindestlohngesetz erfasst worden wäre; die Ausbildungsordnung zum Handelsfachwirt sah nämlich ein Praktikum nicht vor. Die Berufsausbildung sei somit mit dem Bestehen der Prüfung zum Einzelhandelskaufmann abgeschlossen worden.

Für den anschließenden Zeitraum während der Fortbildung zum Handelsfachwirt schulde das beklagte Möbelhaus M. Mindestlohn in Höhe von 8,50 € pro Arbeitsstunde, wobei die Zeiten, die Jens B in der Berufsschule verbracht hatte, nicht mit einbezogen werden konnten, da Jens B in diesem Zeitraum keine Arbeitsleistungen für seinen Arbeitgeber erbracht hatte.

Links

Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen


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Permanente Verstöße gegen das Mindestlohngesetz!

Das sagen wir dazu:

Diese Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist zu begrüßen. Es stellt klar, dass die Vorschrift des MiLoG, nach der zur Berufsausbildung Beschäftigte nicht den Mindestlohngesetz unterfallen, nach dem Willen des Gesetzgebers eng auszulegen ist. 

Ob darunter ausschließlich Berufsausbildungsverhältnisse im Sinne des Berufsbildungsgesetzes zu verstehen sind ( wie es unserer Meinung nach der Fall ist), oder ob es eventuell ausreichend ist, wenn es sich um ein Fortbildungsverhältnis handelt, in dem überwiegend Ausbildungsinhalte vermittelt werden, um als Berufsausbildung angesehen zu werden, wurde vom Landesarbeitsgericht nicht abschließend geklärt. 

Die Beklagte ist nicht in Revision gegangen, obwohl das Landesarbeitsgericht diese ausdrücklich zugelassen hat. Jedenfalls sollten Betroffene, die einen Fortbildungs-oder Weiterbildungsvertrag abgeschlossen haben, prüfen lassen, ob ihnen ein Anspruch auf Zahlung des Mindestlohnes für diesen Zeitraum zusteht.

Rechtliche Grundlagen

§ 22 MiLoG

(1) Dieses Gesetz gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Praktikantinnen und Praktikanten im Sinne des § 26 des Berufsbildungsgesetzes gelten als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes, es sei denn, dass sie
1.
ein Praktikum verpflichtend auf Grund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie leisten,
2.
ein Praktikum von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leisten,
3.
ein Praktikum von bis zu drei Monaten begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung leisten, wenn nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat, oder
4.
an einer Einstiegsqualifizierung nach § 54a des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder an einer Berufsausbildungsvorbereitung nach §§ 68 bis 70 des Berufsbildungsgesetzes teilnehmen.Praktikantin oder Praktikant ist unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt.

(2) Personen im Sinne von § 2 Absatz 1 und 2 des Jugendarbeitsschutzgesetzes ohne abgeschlossene Berufsausbildung gelten nicht als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes.

(3) Von diesem Gesetz nicht geregelt wird die Vergütung von zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten sowie ehrenamtlich Tätigen.

(4) Für Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die unmittelbar vor Beginn der Beschäftigung langzeitarbeitslos im Sinne des § 18 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch waren, gilt der Mindestlohn in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung nicht. Die Bundesregierung hat den gesetzgebenden Körperschaften zum 1. Juni 2016 darüber zu berichten, inwieweit die Regelung nach Satz 1 die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt gefördert hat, und eine Einschätzung darüber abzugeben, ob diese Regelung fortbestehen soll.