Die Fortzahlung des bisherigen Entgelts kompensiert nicht eine rechtswidrige Umsetzung auf einen Arbeitsplatz mit geringerer tariflicher Wertigkeit. Copyright by thodonal/fotolia
Die Fortzahlung des bisherigen Entgelts kompensiert nicht eine rechtswidrige Umsetzung auf einen Arbeitsplatz mit geringerer tariflicher Wertigkeit. Copyright by thodonal/fotolia

Nicht nur Entgelt für geleistete Arbeit ist für Arbeitnehmer wichtig, sondern auch die Tätigkeit an sich. Denn sie dient der Entfaltung der eigenen Persönlichkeit. Dies unterstreicht das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg. Im Wege des Eilverfahrens, dem sog. einstweiligen Rechtsschutz, setzte das Büro Magdeburg der DGB Rechtsschutz GmbH, den Anspruch auf ordnungsgemäße Beschäftigung durch.
 

Erste Versetzung und Krankheit

Die 57 Jahre alte Klägerin, Mitglied der Gewerkschaft ver.di, ist bei der beklagten Stadt als Sozialarbeiterin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD Anwendung. Seit März 2013 wurde die Klägerin der Betreuungsbehörde zugeordnet.
 
Die Tätigkeit wird nach der Entgeltgruppe S 14 der Entgeltordnung für den Sozial- und Erziehungsdienst zum TVöD bewertet und entsprechend vergütet.
 
Im Dezember 2017 wurde die Klägerin auf eine Stelle als Sozialarbeiterin beim Jugendamt versetzt.

Diese Stelle wird ebenfalls tariflich der Entgeltgruppe S 14 zugerechnet. Von Mitte Dezember 2017 bis Mitte April 2018 war die Klägerin erkrankt.
 

Gleiches Geld, andere Arbeit

Als die Klägerin ihre Arbeit nach der Krankheit wieder antreten wollte, kündigte die Beklagte an, sie wieder auf ihrem alten Arbeitsplatz in der Betreuungsbehörde einsetzten zu wollen. Doch es kam anders.
 
Seit Mai 2018 wurde die Klägerin als Sozialarbeiterin im sog. Bundesprogramm Kita-Einstieg eingesetzt. Die neue Tätigkeit der Klägerin wird im TVöD lediglich der Entgeltsgruppe S 12 zugeordnet  - also zwei Stufen niedriger als die bisherige Tätigkeit der Klägerin. Das bisherige Entgelt der Gruppe S 14 zahlte die Beklagte allerdings weiter.
 
Die Klägerin wehrte sich gegen diese Versetzung mit einer einstweiligen Verfügung und vertrat die Auffassung, die Versetzung sei rechtswidrig und nicht vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt. Daher habe die Beklagte es zu unterlassen, der Klägerin eine Stelle als Sozialarbeiterin im Bundesprogramm Kita-Einstieg zuzuweisen.
 

Arbeitsgericht gibt Klägerin recht

Die Beklagte hielt demgegenüber die Anordnung für rechtmäßig - die Umsetzung sei von ihrem Direktionsrecht gedeckt. Die Klägerin habe im Übrigen keinerlei Grund, einen Prozess zu führen: Sie werde weiter gemäß der bisherigen Entgeltgruppe vergütet, daher habe sie keine finanziellen Einbußen.
 
Das Arbeitsgericht Magdeburg gab der Klägerin recht. Das Gericht sah sowohl eine unrechtmäßige Versetzung, als auch einen Grund für die Abwehr dieses Missstandes im Eilverfahren als gegeben an. Mit der Versetzung habe die Beklagte die Grenzen ihres Direktionsrechts überschritten.
 
Das Direktionsrecht ermögliche es einem Arbeitgeber, die im Arbeitsvertrag lediglich allgemein umschriebenen Leistungspflichten des Arbeitnehmers im Einzelnen hinsichtlich Zeit, Art und Ort zu bestimmen. Allerdings könne das Direktionsrecht durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder den Arbeitsvertrag eingeschränkt sein. Außerdem müsse die Ausübung im konkreten Fall nach billigem Ermessen geschehen.
 

Unvergleichlich neue Tätigkeit

Daher darf die Beklagte der Klägerin nur solche Tätigkeiten zuweisen, die der Wertigkeit der Entgeltgruppe S 14 entsprechen. Das Direktionsrecht ist jedenfalls dann überschritten, wenn in den Kernbereich des Arbeitsvertrages eingegriffen wird. Dies ist dann der Fall, wenn die neue Tätigkeit mit der bisherigen nicht vergleichbar ist.
 
Der TVöD definiert die Wertigkeit einer Tätigkeit: Die Wertigkeit ergibt sich aus der Angabe der Entgeltgruppe bei entsprechender Tätigkeit. Alle einer bestimmten Entgeltgruppe zugewiesenen Tätigkeiten sind vergleichbar. Daraus folgt für Arbeitgeber die Möglichkeit, Arbeitnehmern solche Tätigkeiten zuzuweisen, die ein und derselben Entgeltgruppe zugewiesen sind. Sodann muss geprüft werden, ob die Zuweisung der geänderten vergleichbaren Tätigkeit konkret billigem Ermessen entspricht.
 
Mit der Versetzung hat die Beklagte der Klägerin eine Tätigkeit zugewiesen, die tariflich mit S 12 statt mit S 14 bewertet wird. Für das Arbeitsgericht wird allein aus der unterschiedlichen tariflichen Wertigkeit deutlich, dass Tätigkeiten nicht miteinander vergleichbar sind. Die Beklagte hätte zur eine Änderungskündigung aussprechen müssen, um ihr Ziel zu erreichen.
 

Die Sache eilt

Die Klägerin durfte nach Überzeugung des Gerichts ihren Anspruch auch im Eilverfahren durchsetzen. Grundsätzlich ist es Arbeitnehmern zuzumuten, einer Versetzungsordnung zunächst (!) Folge zu leisten. Die Rechtswidrigkeit der Versetzung bzw. Weisung muss der Arbeitnehmer dann im „normalen“ Gerichtsverfahren klären lassen.
 
Einen Grund, die Angelegenheit zumindest vorläufig im einstweiligen Rechtsschutz klären zu lassen, haben Arbeitnehmer dann, wenn die Maßnahme des Arbeitgebers offenkundig rechtswidrig war. So sahen es die Richter hier: Die Klägerin erleide zwar keine finanzielle Einbußen, dies sei aber keine ausreichende Kompensation.
 
Wie das Bundesarbeitsgericht bereits in den 80er Jahren entschieden hat, können sich auch Arbeitnehmer im Hinblick auf ihre Tätigkeit auf das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit berufen. Das Leben von Arbeitnehmern werde zu einem wesentlichen Teil durch das Arbeitsverhältnis geprägt. Selbstwertgefühl, Achtung und Wertschätzung des persönlichen Umfelds werde mitbestimmt durch die Art und Weise der geleisteten Arbeit.
 
Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg
 
Das könnte Sie auch interessieren:
 
Müssen Arbeitnehmer*innen Versetzungen akzeptieren?
Bei Versetzung sind private und familiäre Interessen angemessen zu berücksichtigen
Computerarbeit ist nicht gleich Handarbeit

Das sagen wir dazu:

Dem Urteil des Arbeitsgericht Magdeburg muss man uneingeschränkt zustimmen. Geld ist – wie der Titel schon sagt – nicht alles. Auch die Fortzahlung eines höheren Entgelts kann nicht darüber hinwegtrösten, wenn Arbeitnehmer eine unzumutbare Tätigkeit verrichten sollen.

Die Ausführungen im Beschluss – es handelt sich um ein Verfahren im einstweiligen Rechtschutz – werden auch im eigentlichen Prozess eine entscheidende Rolle spielen. Der Klägerin war es vorliegend nicht zumutbar, auch nur bis zum rechtskräftigen Ende des  Hauptsacheverfahrens eine Tätigkeit entsprechend der Entgeltgruppe S 12 auszuüben.
Entsprechend ihrer Ausbildung und bisherigen Laufbahn ist die Klägerin nicht nur der Entgeltgruppe S 14 gemäß zu bezahlen, sondern auch so zu beschäftigen.

Das für die Arbeitsleistung gezahlte Entgelt ist für die meisten Arbeitnehmer existenziell. Mit den monatlichen Gehaltszahlungen bestreiten Arbeitsnehmer ihrem Lebensunterhalt. Eine freiheitlich – demokratische Grundordnung muss aber mehr bieten. Das Arbeitsgericht Magdeburg betont zu Recht den Wert der freien Entfaltung der Persönlichkeit - ein Wert von Verfassungsrang.

Prozessvertretung natürlich auch im Eilverfahren – der gewerkschaftliche Rechtsschutz macht es möglich. Neben dem Eilverfahren muss die Klägerin auch ihren Anspruch im Hauptsacheverfahren, dem eigentliche Prozess, weiter verfolgen. Dies ist ihr ohne Kostenrisiko möglich. Als Mitglied der DGB-Gewerkschaft Ver.di hat die Klägerin Anspruch auf Beratung und Vertretung durch die DGB Rechtsschutz GmbH – in allen Prozessen des Arbeits-, Verwaltungs- und Sozialrechts.

Rechtliche Grundlagen

§ 106 Gewerbeordnung

Weisungsrecht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.