Kaputte Maschinen und jahrelang der gleiche Lohn - darauf wollte der Brauer hinweisen und erhielt zum Dank die Kündigung. Copyright by Václav Mach/fotolia.
Kaputte Maschinen und jahrelang der gleiche Lohn - darauf wollte der Brauer hinweisen und erhielt zum Dank die Kündigung. Copyright by Václav Mach/fotolia.

Neumann ist seit über 20 Jahren in der kleinen Brauerei als Brauer tätig. Sein Eindruck: Man lässt alles vergammeln, der Geschäftsführer fühlt sich für nichts verantwortlich.
 

Erhebliche Missstände im Betrieb

Null Investitionen, die Maschinen sollen von den Beschäftigten irgendwie am Laufen gehalten werden. Selbst eigene Versäumnisse der Geschäftsführung - es kann nicht abgefüllt werden, weil kein Leergut da ist - sollen durch die auch noch geschrumpfte Belegschaft abgefangen werden.

Lohnerhöhungen hat es auch schon fünf Jahre nicht gegeben. Gesprächsversuchen über die grundsätzliche Lage wird genauso konsequent ausgewichen wie der Frage nach einer Lohnerhöhung.
 
Als Neumann im Hochsommer aus dem Urlaub kommt, funktioniert eine Maschine nicht, die andere kann er so gerade am Laufen halten. Und der Geschäftsführer lässt sich wieder nicht blicken.
 

Brauer schüttet sein Herz aus

Dann kommt ein Betriebsfremder, aber mit der Inhaberfamilie verbandelter, der sich auch bei Abwesenheit des Geschäftsführers um manches gekümmert hat. Er fragt, wie es denn so gehe.

Da bricht es aus Neumann, der ganz deutlich unter Tarif verdient, heraus: Die eine Maschine stehe, die andere laufe so gerade, so gehe das alles nicht weiter. Er wisse gar nicht, wo er anfangen solle. Und das auch noch für das wenige Geld.
 
Neumann wird gefragt, ob er denn die Maschine ans Laufen bringen könne. Sinngemäß antwortete er, ja, das werde er wohl können, aber erstmal müsse jetzt geredet werden.
 

Termin beim Geschäftsführer

Der dabeistehende Arbeitskollege nickt heftig und beide sind erfreut, dass man sich gleich beim Geschäftsführer treffen will. Endlich kann man über die Missstände sprechen, zum Beispiel, dass die Maschinen dringend generalüberholt und fachmännisch repariert werden müssen. Und mehr Lohn müsste auch dabei rausspringen.
 
Doch Neumann hat schon kein ganz gutes Gefühl als man nur mit ihm allein sprechen will, also ohne seinen Kollegen.
Im Gespräch geht es fast nur um die stehende kaputte Maschine. Man würde für den Geldgeber jetzt mal schriftlich festhalten, dass er die nur reparieren würde, wenn er mehr Geld bekäme. Der Geschäftsfreund des Geschäftsführers hat dann noch direkt einen Stundenlohn vorgeschlagen und alle drei Anwesenden haben das Schriftstück unterschrieben.
 

Arbeitgeber fühlt sich erpresst und kündigt

Als Neumann wieder an seine Arbeit geht, beschleicht ihn schon das Gefühl eine Dummheit gemacht zu haben.
Das Gefühl ist berechtigt, am nächsten Tag erhält er schriftlich die fristlose Kündigung und falls diese nicht wirksam ist, soll das Arbeitsverhältnis in sieben Monaten enden. Letzteres ist die Kündigungsfrist für über 20 Jahre Beschäftigte.
 
Neumann klagt gegen die Kündigung. Details der Gespräche werden unterschiedlich dargestellt. Es dürfte jedem klar sein, dass man seinen Arbeitgeber nicht erpressen darf. Aber lag hier eine Erpressung vor?
 

Kündigung muss das letzte Mittel sein

Das Arbeitsgericht Bonn hat den Sachverhalt gar nicht weiter aufklären brauchen. Denn selbst, wenn man den Sachverhalt so gänzlich als wahr unterstellt, wie der Arbeitgeber es vorgetragen hat, reicht das nicht, um die Kündigungen zu begründen.
 
Die Kündigung ist die schärfste Waffe im Arbeitsverhältnis und diese darf nur dann eingesetzt werden, wenn die anderen Mittel versagen oder so offensichtlich ist, dass mildere Mittel nicht wirken.
 
Das kennt man auch aus anderen Bereichen, habe ich z.B. leichte Kopfschmerzen nehme ich nicht direkt ein Migränemittel. Nur, wenn ich weiß, das leichte Mittel ist wirkungslos, überspringe ich die leichten Mittel und greife direkt zum Hammer.
 
Hier mag der Arbeitgeber sich erpresst gefühlt haben. Aber was er unterlassen hat, ist Neumann klipp und klar zu sagen: „Hömma! Das ist jetzt ernst, wenn Du Dich nicht jetzt an die Reparatur der Maschine gibst, war das dein letzter Tag hier“. Oder eben so ähnlich.
Es ist überhaupt nicht offensichtlich, dass diese Abmahnung Neumann nicht dazu gebracht hätte, nochmal nachzudenken.
 

Bei steuerbarem Verhalten ist eine Abmahnung grundsätzlich erforderlich

Das Arbeitsgericht Bonn hat dazu in seinem Urteil auf die Rechtsprechung verwiesen und diese Grundsätze herangezogen.
Die Grundsätze lauten: Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann.
 
Nur wenn es um eine so schwere Pflichtverletzung geht, deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar ist und ist dies auch offensichtlich und für die Arbeitnehmer erkennbar, dann bedarf es keiner vorherigen Abmahnung.
 
Im konkreten Fall sei es dem Kläger zu keiner Zeit vor Augen geführt worden, dass sein Verhalten eine Kündigung auslösen könnte, so die Arbeitsrichter Und das habe er auch aus dem Zusammenhang nicht erkennen können, denn durch das Aufschreiben und Weiterleiten wurde bei ihm der Eindruck erweckt, man setze sich geschäftsmäßig und ernsthaft mit seiner Forderung auseinander.
 
Da der Kläger auch bisher eine völlig weiße Weste hatte, erklärte das Gericht die Kündigungen mangels Abmahnung für unwirksam.
 

Berufung durch Beklagte hätte kein anderes Ergebnis erbracht

Die Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Beim Termin vor dem Landesarbeitsgericht im Dezember 2018 wurde auch noch diskutiert, ob der Kläger als Brauer überhaupt Maschinen reparieren muss. Nach dem Berufsbild wäre er nur für Wartungen zuständig und vielleicht hätte er schon deshalb sagen dürfen, dass er nicht mehr weiter Maschinen repariert, zumindest nicht für das Geld.
 
Das Gericht hat nochmal konkret nachgefragt, ob denn dem Kläger wirklich nicht vor Auge geführt worden sei, wie sein Verhalten empfunden wird. Die Arbeitgeberseite meinte, das sei doch klar gewesen. Man habe gewusst, dass der Geldgeber das nicht machen würde, aber wollte es halt ihn entscheiden lassen. Der habe dann gesagt, man lasse sich nicht erpressen.
 
Das Gericht hat dann der Beklagten dringend geraten, auf den Vergleichsvorschlag des Klägers einzugehen und für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist den Lohn sowie eine Abfindung zu zahlen. Den Gegenvorschlag der Beklagten fand auch das Gericht nicht sachdienlich. Letztendlich wurde der Rechtsstreit durch einen Vergleich beendet.
 

Fazit: Kommunikation ist das Zauberwort

Der Arbeitgeber hat sich vieles gedacht, aber nichts davon ausgesprochen.
Neumann ist ja kein Querulant. Nach über 20 Jahren ohne Abmahnung, gab es wirklich keinen Grund anzunehmen, er repariere die Maschine nicht, wenn der Arbeitgeber mit Konsequenzen droht. Denn Neumann hat ja nicht etwa gesagt, er gehe nach Hause und komme erst wieder, wenn er den höheren Stundenlohn erhält. Vielmehr hat er seine normale Arbeit wiederaufgenommen.
 
Die Autorin ist immer wieder fassungslos, dass Arbeitgebern auch langjährig gut laufende Arbeitsverhältnisse wegen einer Meinungsverschiedenheit einfach kündigen. Wie gut, dass Neumann Rückgrat bewiesen hat und sich auch im Termin nicht hat einschüchtern lassen. Deshalb hat er nach Beratung auch seinen Vorschlag nicht durch die Arbeitgeberseite halbieren lassen, sondern wäre ansonsten wieder arbeiten gegangen.
 
Das vollständige Urteil des Arbeitsgericht Bonn können Sie hier nachlesen