Nach der Übernahme eines traditionellen Möbelhauses versucht XXXL Lutz, Betriebsratsmitglieder und Schwerbehinderte loszuwerden - und scheitert.
Nach der Übernahme eines traditionellen Möbelhauses versucht XXXL Lutz, Betriebsratsmitglieder und Schwerbehinderte loszuwerden - und scheitert.

Die Übernahme eines Einzelhandelsunternehmens durch ein anderes ist nichts ungewöhnlich. Auch, dass dabei der Erwerber mit allen möglichen juristischen Tricks versucht, Arbeitnehmerrechte auszuhebeln und dadurch Kosten einzusparen oder „unbequeme“ Beschäftigte loszuwerden, kommt immer wieder vor.

Das Vorgehen riecht nach Rechtsmissbrauch

Die Art und Weise, wie das österreichische Unternehmen „XXXL-Lutz“ zuletzt in Oberhausen vorgegangen ist, überrascht jedoch selbst erfahrene Fachleute und an alles gewöhnte Gewerkschafter*innen:

Da wurde im Januar 2015 ein traditionsreiches Möbelhaus in Oberhausen von einem Unternehmen der „XXX Lutz“-Gruppe übernommen. Die 330 zum Teil langjährigen Mitarbeiter*innen wurden jedoch nicht von dem Möbelhaus selbst übernommen.

Stattdessen wurden sie im Wege eines Betriebsüberganges in einer von zwei Lutz-Tochtergesellschaften weiterbeschäftigt. Diese sollten lediglich die Dienstleistungen erbringen, insbesondere den Verkauf in dem Möbelhaus.

Aus Eins mach Sieben

Diesen beiden Tochtergesellschaften der „XXXL Lutz“-Gruppe kündigte das „XXXL Lutz“ - Möbelhaus selbst dann aber bereits ein halbes Jahr später wieder die Verträge. Stattdessen wurden neue Dienstleistungsverträge mit mindestens sieben anderen „XXXL“-Tochtergesellschaften geschlossen, die nun die einzelnen Abteilungen und Bereiche des Möbelhauses bewirtschaften sollten.

Von den Beschäftigten wurde ein Teil in den neuen Tochterfirmen übernommen, ein anderer Teil - darunter auch Schwerbehinderte und der gesamte Betriebsrat - wurde entlassen, entweder im Wege von Aufhebungsverträgen oder durch Kündigungen.

Begründet wurden die Kündigungen betriebsbedingt: Die beiden bisherigen „XXXL“-Dienstleistungsgesellschaften hätten die Aufträge mit dem „XXXL“-Möbelhaus verloren, seien somit auftrags- und vermögenslos.

Reine Funktionsnachfolge?

In haarsträubender Art und Weise argumentierte „XXXL“-Lutz im Kündigungsschutzverfahren, es habe kein Betriebsübergang von den bisherigen auf eine der sieben neuen „XXXL“-Tochtergesellschaften stattgefunden. In dem ersten halben Jahr nach der Übernahme habe sich ein Übergang von einem Einzelhandelsbetrieb zu einem Dienstleistungsbetrieb vollzogen. Die Tochtergesellschaften seien reine Dienstleistungsbetriebe, die praktisch über keinerlei Betriebsmittel verfügten.

Die sieben einzelnen Tochtergesellschaften arbeiten nach der Behauptung von „XXXL“- Lutz auch alle vollkommen eigenständig und unabhängig voneinander und von personellen Vorgaben. Es gebe auch keine einheitliche Leitung des Möbelhauses. Die Abstimmung des Personaleinsatzes der sieben Firmen in dem großen Möbelhaus werde ausschließlich durch ein spezielles Softwareprogramm einer weiteren „XXXL“-Tochter koordiniert, nicht durch eine einheitliche Leitung.

Deshalb habe es sich bei der Fortführung der Vertriebsdienstleistung durch die acht neuen Tochtergesellschaften um eine reine Funktionsnachfolge und nicht um Teil-Betriebsübergänge gehandelt.

Bruchlandung vor dem Arbeitsgericht

Dieser Argumentation sind das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht nicht gefolgt. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass zumindest der Möbelverkauf als Teilbetrieb des Möbelhauses in seiner wirtschaftlichen Einheit erhalten geblieben ist - trotz der Aufspaltung in mehrere Tochtergesellschaften. Weder der Kundenstamm noch die Örtlichkeit noch das Warensortiment haben sich geändert.

Das Gericht ist aufgrund der Tatsachen und der in der Praxis unveränderten Abläufe des Betriebes in dem Möbelhaus von einem gemeinsamen Betrieb des Möbelverkaufs durch die Tochtergesellschaften ausgegangen.

Die bisherigen Kündigungsschutzverfahren gegen die einzelnen Firnen der „XXXL" - Gruppe in Oberhausen sind weitgehend zugunsten der Kläger*innen ausgegangen. Gegen die Urteile haben die „XXXL“-Arbeitgeber jedoch Berufung eingelegt, so dass noch zahlreiche Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht laufen. Auch das jüngste Urteil des Landesarbeitsgerichts ist noch nicht rechtskräftig, es ist zu erwarten, dass das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht fortgesetzt wird.

Pressemitteilung des Landesarbeitsgericht Düsseldorf zum Urteil v. 30.08.2016, Az.: 14 Sa 274/18

Lesen sie auch unsere Beiträge:
Tarifflucht missglückt
Landesarbeitsgericht stärkt Wahlfreiheit bei Betriebsübergang
Betriebsübergang: Widerspruch bei fehlerhafter Unterrichtung

Das sagen wir dazu:

Rechtsmissbrauch in XXXL


Das geschilderte Vorgehen eines expandierenden Möbelhaus-Konzerns stellt nichts anderes als die Umgehung der gesetzlichen Regelung zum Betriebsübergang dar. Nicht nur für die betroffenen Arbeitnehmer*innen, sondern auch für die Arbeitsgerichte ist ein solches Konstrukt aus unzähligen juristisch selbständigen Tochterfirmen kaum noch zu durchschauen. Wenn diese zudem noch nacheinander beauftragt werden und aus einem Betrieb innerhalb eines halben Jahres - wie in einem Schneeballsystem - erst zwei und dann plötzlich sieben geworden sind, kann man im Grunde nur noch von Rechtsmissbrauch sprechen:

Juristische Konstruktionen werden losgelöst vom Inhalt dazu missbraucht, um ältere, schwerbehinderte oder unliebsame Arbeitnehmer*innen zu entlassen, Tarifverträge zu umgehen und Lohnkosten zu senken. Die gesetzliche Regelung zum Betriebsübergang, die Arbeitnehmer*innen gerade vor solcher Praxis schützen soll, wird damit bewusst ausgehebelt. Mit juristischen Mittel setzen sich solche Arbeitgeber gewissermaßen über den Willen des Gesetzgebers hinweg.

Die bisherigen Entscheidungen in der Sache „XXXL“-Lutz in Oberhausen lassen zumindest hoffen, dass die Arbeitsgerichte diesen Weg mancher Arbeitgeber und mancher Juristen auch weiterhin nicht mitgehen. Und das Gesetz nicht nur formaljuristisch, sondern auch inhaltlich ernst nehmen.

Rechtliche Grundlagen

§ 613a BGB Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang

§ 613a Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch
Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:
1. den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2. den Grund für den Übergang,
3. die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4. die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.