Dem gekündigten Wahlbewerber verweigerte der Arbeitgeber den Zugang zum Betrieb, obwohl ein Kündigungsschutzverfahren noch anhängig war. © Adobe Stock: Kadmy
Dem gekündigten Wahlbewerber verweigerte der Arbeitgeber den Zugang zum Betrieb, obwohl ein Kündigungsschutzverfahren noch anhängig war. © Adobe Stock: Kadmy

„Niemand darf die Wahl des Betriebsrats behindern.“ - so steht es im Betriebsverfassungsgesetz geschrieben. Ein Arbeitgeber aus dem Raum Hessen versuchte es trotzdem. Einem Mitarbeiter, den er fristlos gekündigt hatte und mit dem er deswegen ein Kündigungsschutzverfahren führte, wollte er an maximal zwei festgelegten Tagen pro Woche erlauben, den Betrieb zu betreten, um dort für seine Kandidatur bei der anstehenden Betriebsratswahl zu werben. Den Zutritt zur Stimmenauszählung wollte er sogar ganz verwehren.

 

Wahlbewerber klagt auf Zutritt zum Betrieb

 

Dagegen wandte sich der Mitarbeiter mit einem Eilantrag an das Arbeitsgericht. Er wollte an mehr als zwei Tagen pro Woche in den Betrieb und auch an der Stimmenauszählung teilnehmen. Das Arbeitsgericht gab ihm in erster Instanz weitestgehend Recht.

 

Das Gericht hatte dem Antragsteller einen Zugang zum Betriebsgebäude an fünf Tagen pro Woche zugesprochen, jedoch nicht zu beliebigen Zeiten. Der Zugang sei nur zu den Pausenzeiten bzw. für eine Dauer von maximal 75 Minuten zum Zwecke der Wahlwerbung erforderlich.

 

Für die Frühstückspause bezog sich das Zutrittsrecht nur auf die Kantine sowie den Bereich davor. Zudem war er verpflichtet, sich an der Pforte an- und abzumelden sowie einen negativen Corona-Test vorzulegen, welcher nicht älter als 24 Stunden sein durfte. Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen diesen Beschluss bleib erfolglos: Das Hessische Landesarbeitsgericht bestätigte die Rechtsauffassung der Vorinstanz.

 

Betriebsratswahlbehinderung durch Beeinträchtigung von Wahlwerbung

 

Das Gericht bekräftigte, auch ein gekündigter Wahlbewerber, der Kündigungsschutzklage erhoben habe, sei berechtigt, den Betrieb zum Zwecke der Wahlwerbung zumindest zeitweise zu betreten. Stellen Arbeitgeber dieses Zugangsrecht in Abrede, wäre dies ein Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Behinderungsverbot. Ein solcher Verstoß liege auch dann vor, wenn Arbeitgeber das Zugangsrecht auf wenige Tage pro Woche beschränken. Da Betriebsratswahlen lediglich alle vier Jahre stattfinden, sei es dem Arbeitgeber zuzumuten, dass im Betrieb außerhalb der Arbeitszeit Wahlkampf stattfinde.

 

Gleichwohl gelten Einschränkungen: ein grenzenloser Zutritt zu den betriebsüblichen Arbeitszeiten sei nicht erforderlich. Ausreichend sei vielmehr zum Zwecke der Gleichbehandlung aller Wahlbewerber*innen ein Zutrittsrecht während der Pausenzeiten. Nur in diesen Zeiten ist es auch den übrigen Kandidat*innen möglich, Werbung für Ihre Person zu machen.

 

Gekündigter Bewerber im laufenden Kündigungsschutzverfahren ist keine „betriebsfremde Person“

 

Unter „Pausenzeiten“ seien insofern die Zeiträume gemeint, in denen die Wähler*innen nach der betrieblichen Regelung Frühstücks- und Mittagspause machen können. Für diesen Zeitraum seien Bewerber*innen unbezahlt freizustellen. Es obliege den Wahlbewerber*innen selbst, mit welchem zeitlichen Aufwand sie Wahlwerbung betreiben. Auf die tatsächlich individuell zustehende Pausenzeit komme es daher nicht an. Nur so könne der Gleichbehandlung und dem Sinn und Zweck des Betriebsverfassungsgesetzes, die Bildung von Betriebsräten zu erleichtern, Rechnung getragen werden.

 

Dem Wahlbewerber musste auch der Zutritt für die Stimmenauszählung gewährt werden. Nach dem Betriebsverfassungsgesetz erfolgt die Auszählung der Stimmen durch den Wahlvorstand „öffentlich“, worunter eine „Betriebsöffentlichkeit“ gemeint sei. Durch den Öffentlichkeitsgrundsatz soll denjenigen die Teilnahme ermöglicht werden, die ein berechtigtes Interesse an der Betriebsratswahl und an ihrem Ausgang haben.

 

Dem Einwand des Arbeitgebers, dass es sich bei dem gekündigten Wahlbewerber um eine betriebsfremde Person handelt, folgte das Landesarbeitsgericht nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gelte ein gekündigter Wahlbewerber hinsichtlich seiner Wählbarkeit wie ein Betriebsangehöriger. In der Konsequenz gelte dieser Grundsatz auch für die Teilnahme an der öffentlichen Stimmenauszählung. Zudem habe er aufgrund seines Status als Wahlbewerber auch ein rechtlich begründetes Interesse, da der Ausgang der Wahl für ihn unmittelbare Konsequenzen haben kann.

 

Hier geht es zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Hessen