Fragwürdige Aussetzung eines Kündigungsschutzverfahrens durch das LAG Niedersachsen. Copyright by Adobe Stock/eccolo
Fragwürdige Aussetzung eines Kündigungsschutzverfahrens durch das LAG Niedersachsen. Copyright by Adobe Stock/eccolo

Nach den Bestimmungen des Arbeitsgerichtsgesetzes sind Verfahren in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses vorrangig zu erledigen.
 
Wegen des Verdachts, eine Straftat begangen zu haben, wurde einem Arbeitnehmer 2018 fristlos gekündigt. Hintergrund dieser Kündigung war die Dieselaffäre. Dem Arbeitnehmer wurde vorgeworfen, an der Implantierung der Manipulationssoftware mitgewirkt zu haben. Gegen die Kündigung erhob der Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht Braunschweig
Kündigungsschutzklage. Im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens beantragte die Beklagte die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über das ebenfalls
anhängige Strafverfahren. Sie begründete die damit, dass das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich durch den Renteneintritt des Arbeitnehmers beendet worden sei.
 

Arbeitsgericht gibt Aussetzungsantrag nicht statt

Das Arbeitsgericht Braunschweig wies den Aussetzungsantrag zurück. Nach Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts stehe der Aussetzung die besonderen Prozessförderungspflichten in einem Kündigungsverfahren entgegen. Gegen diese Entscheidung legte die Arbeitgeberin sofortige Beschwerde beim Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen ein.
 

LAG bejaht Aussetzung des Kündigungsverfahrens

Das LAG kippte die Entscheidung des Braunschweiger Arbeitsgerichts und gab dem Aussetzungsantrag der Beklagten statt. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung  seien
gegeben. Dies, so die Richter*innen des Beschwerdegerichts, ergebe sich aus der Zivilprozessprozessordnung, wonach die Aussetzung eines Verfahrens dann möglich sei, wenn der Verdacht einer Straftat bestehe. Die gesetzlich vorgesehene besondere Prozessförderung im Kündigungsschutzverfahren könne im vorliegenden Fall außer Betracht bleiben.
Es sei zu auch beachten, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien inzwischen durch den Renteneintritt des Arbeitnehmers geendet habe. Wenn nur über den Bestand des Arbeitsverhältnisses in der Vergangenheit gestritten werde, so bestehe kein Anlass zur Annahme einer besonderen Beschleunigungspflicht.
 

Rechtsbeschwerde möglich

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung entscheidungserheblicher Rechtsfragen ließ das LAG die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu. Es ist zu hoffen, dass der Kläger die fragwürdige Entscheidung des LAG überprüfen lässt. Denn es ist nicht ersichtlich, warum gegen eine Kündigung klagende Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis wegen Renteneintritts beendet wurde, keinen Anspruch darauf haben sollen, dass zeitnah über die ihnen ausgesprochene Kündigung entschieden wird.
 
Hier finden Sie den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 24.9.2020 - 10 Ta 114/20

Rechtliche Grundlagen

61a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG); § 149 Zivilprozessordnung (ZPO)

§ 61a ArbGG
Besondere Prozeßförderung in Kündigungsverfahren

(1) Verfahren in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind nach Maßgabe der folgenden Vorschriften vorrangig zu erledigen.
(2) Die Güteverhandlung soll innerhalb von zwei Wochen nach Klageerhebung stattfinden.
(3) Ist die Güteverhandlung erfolglos oder wird das Verfahren nicht in einer sich unmittelbar anschließenden weiteren Verhandlung abgeschlossen, fordert der Vorsitzende den Beklagten auf, binnen einer angemessenen Frist, die mindestens zwei Wochen betragen muß, im einzelnen unter Beweisantritt schriftlich die Klage zu erwidern, wenn der Beklagte noch nicht oder nicht ausreichend auf die Klage erwidert hat.
(4) Der Vorsitzende kann dem Kläger eine angemessene Frist, die mindestens zwei Wochen betragen muß, zur schriftlichen Stellungnahme auf die Klageerwiderung setzen.
(5) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf der nach Absatz 3 oder 4 gesetzten Fristen vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.
(6) Die Parteien sind über die Folgen der Versäumung der nach Absatz 3 oder 4 gesetzten Fristen zu belehren.

§ 149 Zivilprozessordnung
Aussetzung bei Verdacht einer Straftat

(1) Das Gericht kann, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen.
(2) 1Das Gericht hat die Verhandlung auf Antrag einer Partei fortzusetzen, wenn seit der Aussetzung ein Jahr vergangen ist. 2Dies gilt nicht, wenn gewichtige Gründe für die Aufrechterhaltung der Aussetzung sprechen.