Betriebsratsvorsitzende haben oft einen schweren Stand. ©  Adobe Stock: frender
Betriebsratsvorsitzende haben oft einen schweren Stand. © Adobe Stock: frender

Das Verhältnis eines Arbeitsgebers zu seinen Betriebsratsmitgliedern kann angespannt sein. Ganz unliebsame Betriebsräte müssen dann mit einer Kündigung rechnen. So erging es einem Betriebsratsvorsitzenden aus Thüringen. Der Arbeitgeber beabsichtigte, ihm zu kündigen, leitete das Zustimmungsverfahren beim Betriebsrat ein und stellte ihn sofort von der Arbeit frei.

 

Das Verhältnis zwischen den Parteien war schon länger getrübt

 

Zuvor hatte es schon Probleme gegeben. Der Betroffene war politisch tätig und hatte für die Bundestagswahl 2021 kandidiert. Der Arbeitgeber akzeptierte die politische Überzeugung seines Mitarbeiters nicht, warf ihm Wahlwerbung am Arbeitsplatz vor und hatte im Zusammenhang damit schon zwei Kündigungen ausgesprochen. Dagegen gerichtete gerichtliche Verfahren gewann der Betriebsratsvorsitzende.

 

Damit nicht genug. Wegen zweier Abmahnungen liefen Prozesse beim Arbeitsgericht. Der Arbeitgeber leitete außerdem ein weiteres Verfahren ein, mit dem die Ersetzung einer neuen, außerordentlichen Kündigung des unliebsamen Betriebsratsmitglieds gerichtlich erzwungen werden sollte. Hilfsweise wollte der Chef dessen Ausschluss aus dem Betriebsrat erwirken.

 

Hintergrund war der Vorwurf des Amtsmissbrauchs, der Störung des Betriebsfriedens sowie noch einmal das politische Gebaren des Betriebsratsmitglieds. In seiner Eigenschaft als Betriebsratsvorsitzender und Gewerkschaftsmitglied habe der Mann für sich beschlossen, die Solidarität der Arbeitnehmervertretung bei der Beklagten durch persönliche Anwesenheit bei dem in diesem Zeitraum stattfindenden Warnstreik der Beschäftigten zum Ausdruck zu bringen. Zum Weltfrauentag soll er trotz Freistellung im Betrieb Rosen und Stifte der IG-Metall verteilt haben.

 

Gegen die Freistellung ging der Betroffene gerichtlich vor

 

Die Jurist:innen des DGB Rechtsschutzbüros Jena leiteten ein Eilverfahren beim Arbeitsgericht Gera ein, mit dem Ziel, den Arbeitgeber dazu zu veranlassen, seinen Betriebsratsvorsitzenden vorläufig bis zur Entscheidung im Zustimmungsersetzungsverfahren weiterzubeschäftigen.

 

Zur Durchsetzung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bedarf es eines Verfügungsgrundes und eines Verfügungsanspruchs. Der Verfügungsgrund bezeichnet das besondere Rechtsschutzbedürfnis am Eilverfahren. Er besteht, wenn andernfalls die Gefahr droht, dass Rechte verwirkt oder deren Durchsetzung vereitelt würden. Mit dem Verfügungsanspruch wird im einstweiligen Verfügungsverfahren gefordert, glaubhaft darzulegen, dass ein entsprechender Anspruch besteht.

 

Bei einem vereitelten Beschäftigungsanspruch bedürfe es der ansonsten regelmäßig geforderten Dringlichkeit für eine Entscheidung im Verfahren nicht, da die einstweilige Verfügung gerade den Zweck habe, den endgültigen Rechtsverlust durch die lange Dauer des Hauptsacheverfahrens zu vermeiden, so das Arbeitsgericht. Der Verfügungsgrund ergebe sich bereits daraus, dass der Verfügungsanspruch bestehe und durch Zeitablauf vereitelt werde, wenn dem Arbeitgeber die Beschäftigung nicht durch einstweilige Verfügung aufgegeben werde.

 

Langes Warten kann Dringlichkeit widerlegen

 

Zutreffend sei allerdings auch, dass durch langes Zuwarten die nach § 940 ZPO erforderliche Dringlichkeit einer Befriedigungsverfügung durch Betroffene selbst widerlegt werden könne.

 

Ein langes Zuwarten liege vor, wenn Arbeitnehmer:innen in Kenntnis der Rechtsbeeinträchtigung längere Zeit untätig blieben und ihren Anspruch nicht (gerichtlich) geltend machten. Anders ist es jedoch zu beurteilen, wenn mit dem Arbeitgeber noch zielgerichtete Verhandlungen über eine gütliche Beilegung des Streits geführt würden. In diesem Fall bleibe der:die Arbeitnehmer:in gerade nicht untätig, sondern bemühe sich aktiv um die Durchsetzung eigener Rechtspositionen, um eine Lösung der Auseinandersetzung zu erreichen.

 

So lange die Verhandlungen geführt würden, bleibe die Angelegenheit dringlich. Erst wenn diese gescheitert seien, müsse der Beschäftigungsanspruch alsbald geltend gemacht werden.

 

Der Kläger konnte bis zum Gerichtstermin abwarten

 

Der Kläger habe mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bis zu dem Tag gewartet, auf den das Gericht das parallel laufende Verfahren zur Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates für die beabsichtigte weitere Kündigung des Klägers terminiert hatte.

 

Die Dringlichkeit sei durch dieses Zuwarten nicht widerlegt. In dem bereits anhängigen Verfahren werde durch das Arbeitsgericht die Zustimmung nur dann ersetzt, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt sei.

 

Mithin werde hier an sich bereits über die Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung vorab entschieden. Die dort zugrunde gelegten Vorwürfe entsprächen denen, die der Arbeitgeber auch für die einseitige Freistellung zum Anlass genommen habe. Es sei nachvollziehbar, dass der Kläger eine mögliche gütliche Einigung in diesem Verfahren abwarten wollte, möge diese auch im konkreten Einzelfall eher fernliegend erscheinen.

 

Durch eine Einigung hätte sich ggf. auch die einseitige Freistellung erledigt. Das Arbeitsgericht Gera habe in ähnlicher Fallkonstellation ein Zuwarten von über zwei Monaten für (noch) zulässig erachtet. Dort habe es zwar außergerichtliche Vergleichsverhandlungen gegeben, hier gehe es aber letztlich nur um ein Zuwarten von drei Wochen. Dies erscheine auch ohne den Nachweis außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen als vertretbar.

 

Der Verfügungsanspruch besteht ebenfalls

 

Der Arbeitgeber sei grundsätzlich verpflichtet, seine Arbeitnehmer:innen vertragsgemäß zu beschäftigen, wenn diese es verlangten. Dieser Anspruch müsse nur dort zurücktreten, wo überwiegende schutzwerte Interessen des

Arbeitgebers entgegenstünden.

 

Zwischen den Parteien bestehe ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis, so dass die Verfügungsbeklagte grundsätzlich zur vertragsgemäßen Beschäftigung des Verfügungsklägers verpflichtet sei. Diesem Anspruch stünden keine überwiegenden schutzwerten Interessen des Arbeitgebers entgegen, so das Gericht.

 

Die für die Kündigung vorgebrachten Gründe im parallelen Beschlussverfahren seien offensichtlich nicht geeignet, eine Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung im gerichtlichen Verfahren zu erwirken. Das habe eine Durchsicht nach Beiziehung der entsprechenden Verfahrensakten ergeben. Eine Verletzung konkreter arbeitsvertraglicher Pflichten, die nicht bereits mittels Abmahnung sanktioniert und insoweit verbraucht wären, sei nicht vorgetragen.

 

Der Vortrag des Arbeitgebers blieb pauschal und nicht konkret

 

Die Verfügungsbeklagte hat keine konkreten Tatsachen vorgetragen, die eine

einseitige Freistellung zu rechtfertigen vermochten. Der Vortrag der Beklagten zu der behaupteten politischen Agitation des Klägers und zu dessen angeblicher Absicht, die Belegschaft gegen die Betriebsleitung aufzuwiegeln, sei zwar umfangreich. Es mangele ihm aber an konkretem Tatsachenvortrag, der eine erhebliche Beeinträchtigung von Betriebsabläufen durch die Anwesenheit bzw. durch Handlungen des Klägers aufzeigen würde.

 

Hinsichtlich des Vorwurfs, Blumen und Stifte am Weltfrauentag während der Freistellung verteilt zu haben, wies das Gericht darauf hin, dass hier ebenfalls keine arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen vorliegen dürften. Von seiner Pflicht zur Erbringung von Arbeitsleistungen sei der Kläger freigestellt gewesen. Ein Betretungsverbot habe die Beklagte nicht ausgesprochen und konkrete Beeinträchtigungen des Betriebsablaufs seien von ihr nicht vorgetragen.

 

Was bleibt?

 

Nach § 2 BetrVG arbeiten Arbeitgeber und Betriebsrat unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammen.

 

Bleibt zu hoffen, dass dies trotz der schwierigen Vorgeschichte der Parteien noch gelingen mag.

Rechtliche Grundlagen

§ 940 ZPO

Einstweilige Verfügung zur Regelung eines einstweiligen Zustandes
Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.