Sandra Kothe-Woywode, Juristin, DGB Rechtsschutz-Büro Stralsund | Foto: Frank Hormann, nordlicht
Sandra Kothe-Woywode, Juristin, DGB Rechtsschutz-Büro Stralsund | Foto: Frank Hormann, nordlicht

Erst sollte der Mitarbeiter eines Handwerksbetriebs unmittelbar nach Feierabend Überstunden leisten, dann wurde er an einem Samstag aufgefordert, am nächsten Tag zu arbeiten. Der Inhaber einer Maler- und Lackierfirma in Norddeutschland gab einen zwingenden Grund dafür nicht an, war aber so erbost über die Weigerung seines langjährigen Angestellten, dass er noch am selben Tag eine Abmahnung schickte und drei Tage später die Kündigung. Dagegen wehrte sich der Betroffene erfolgreich mit einer Klage – unterstützt vom DGB Rechtsschutz-Büro Stralsund.

Gerechtfertigt wurde die Kündigung mit betriebsbedingten Gründen. „Der Arbeitgeber hat in der mündlichen Anhörung vor dem Arbeitsgericht Stralsund selbst zugegeben“, berichtet DGB Rechtsschutz-Juristin Sandra Kothe-Woywode, „dass er schon vorher im Zusammenhang mit den Überstunden daran gedacht hatte, dem Kläger zu kündigen.“ Damit war klar: Der Kündigungsgrund war nicht betriebsbedingt.

 

Vor willkürlicher Kündigung geschützt

 

Der Gekündigte ist gelernter Maler und Lackierer und war bei dem Handwerksbetrieb seit fast 20 Jahren beschäftigt. Da dort nur vier Mitarbeiter tätig waren, unterlag das Arbeitsverhältnis nicht dem Kündigungsschutzgesetz. Dennoch kann auch in einem kleinen Betrieb nicht willkürlich gekündigt werden. In diesem Fall greift das Maßregelungsverbot des § 612a Bürgerliches Gesetzbuch: „Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.“

 

„Hausbesuch“ vom Chef

 

Der Mitarbeiter hat in diesem Fall „in zulässiger Weise“ seine Rechte ausgeübt, indem er es ablehnte, von jetzt auf gleich ohne eine entsprechende betriebliche Notlage Überstunden zu leisten, da er private Verpflichtungen hatte. Ebenso hatte er es aus privaten Gründen abgelehnt, an einem Sonntag zu arbeiten, zumal er zuvor mehrfach an Wochenenden gearbeitet hatte. Um ihn dazu aufzufordern, hatte der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter am Tag vorher, dem Samstag, sogar zu Hause besucht. Als dieser die Überstunden verweigerte, machte der Betriebsinhaber ihm in seiner eigenen Wohnung lautstark Vorhaltungen und drohte mit Sanktionen. Er würde ihm die Vorarbeiterzulage streichen, eine Abmahnung schreiben und sich überlegen, was „er noch alles mit dem Kläger machen könne“, heißt es wörtlich in der Urteilsschrift des Arbeitsgerichtes. Eine zwingende Notwendigkeit für die Überstunden konnte der Arbeitgeber im Verfahren nicht vortragen. „Aber auch dann hätte er darlegen müssen“, erklärt die Juristin, „warum ausgerechnet unser Mandant und nicht einer seiner drei Kollegen die Überstunden hätte ableisten sollen, zumal an einem Sonntag.“

Rechtliche Grundlagen

Konflikte in Kleinbetrieben

Auch in kleineren Betrieben haben die Beschäftigten Rechte. Hier, so die Erfahrung von Sandra Kothe-Woywode vom DGB Rechtsschutz-Büro Stralsund, sind häufig menschliche Konflikte ausschlaggebend: „Es ist daher sehr wichtig, in der Rechtsberatung nach den Hintergründen zu fragen. Manchmal lohnt sich statt eines Gerichtsverfahrens auch eine gerichtsnahe Mediation.“ Dort suchen die Beteiligten unter professioneller Anleitung zum Beispiel eines Richtermediators, der nicht mit dem Fall befasst ist, nach einer Lösung. Aber auch rechtlich gibt es neben dem Maßregelungsverbot noch andere Möglichkeiten, sich zu wehren. Eine Kündigung kann zum Beispiel sittenwidrig sein, weil sie in krasser Form gegen Grundrechte des Arbeitnehmers verstößt.