Wer sich auf dem Heimweg von der Arbeit bewusst in eine Schlägerei mit einem Kollegen begibt, hat mit einer fristlosen Kündigung zu rechnen. Bei einer exzessiv geführten tätlichen Auseinandersetzung vor dem Betriebsgelände bedarf es dafür keiner vorherigen Abmahnung.

Der Fall:

Der Kläger ist bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt. An einem Tag kam es vor dem Betriebsgelände zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen ihm und einem Arbeitskollegen mit beiderseitigen körperlichen Verletzungen. Die Arbeitgeberin ließ das befristet bestehende Arbeitsverhältnis des Kollegen auslaufen. Das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger kündigte sie fristlos, hilfsweise fristgerecht.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei nicht Opfer eines gewaltsamen Angriffs, sondern Teilnehmer einer exzessiv geführten Schlägerei gewesen. Der Kläger hat Berufung eingelegt und behauptet, er sei von dem Arbeitskollegen mit einem Messer angegriffen worden und habe lediglich in Notwehr gehandelt. Dieser Darstellung widersprachen aber mehrere Zeugen.

Die Entscheidung:

Der Kläger hatte auch vor dem LAG Köln keinen Erfolg.

Die Richter bestätigten die fristlose Kündigung. Sie bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt.

Tätlichkeiten unter Arbeitnehmern können auch ohne vorherige Abmahnung einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen. Ein tätlicher Angriff auf einen Arbeitskollegen stellt eine schwere Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten zur Rücksichtnahme auf die Rechte und Interessen des anderen Arbeitnehmers dar.

Der Arbeitgeber ist nicht nur allen Arbeitnehmern gegenüber verpflichtet, dafür zu sorgen, dass sie keinen Tätlichkeiten ausgesetzt sind. Er hat auch ein eigenes Interesse daran, dass die betriebliche Zusammenarbeit nicht durch tätliche Auseinandersetzungen beeinträchtigt wird und Mitarbeiter verletzt werden und ggf. ausfallen. Ferner kann der Arbeitgeber auch berücksichtigen, wie sich ein solches Verhalten auf die übrigen Arbeitnehmer und den Betrieb auswirkt, insbesondere wenn er keine personellen Maßnahmen ergreifen würde.

Die gezielte Teilnahme des Klägers an der von ihm initiierten gewalttätigen Auseinandersetzung rechtfertigt auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die fristlose Kündigung. Der Arbeitgeberin war selbst dann eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nicht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar, wenn man davon ausgeht, dass es sich um einmaligen Vorfall in einem zuvor mehr als sechs Jahre beanstandungsfreien Arbeitsverhältnis gehandelt hat. Das Bestandsschutzinteresse des Klägers wiegt weniger schwer als das sofortige Beendigungsinteresse der Arbeitgeberin, weil der Kläger vorsätzlich die Schlägerei gesucht hat, diese erhebliche Verletzungen beider Arbeitnehmer zur Folge hatte und der Betriebsfrieden nachhaltig gestört wurde.

Folgen für die Praxis:

Sehr selten ist es hier zu lesen und doch muss es auch mal gesagt werden, wenn es stimmt: Der Arbeitgeber hat zu Recht gekündigt! Wer sich an einer brutalen Schlägerei mit einem anderen Arbeitnehmer beteiligt, stört den Betriebsfrieden in maßloser Weise und zeigt, dass er keinen Respekt vor Rechten und der Gesundheit anderer hat. Die Behauptung, in Notwehr gehandelt zu haben, scheint nach anderen Aussagen unglaubwürdig. Dabei ist es fast unerheblich, ob das Geschehen sich auf dem Werksgelände oder davor abspielte. Auch ist nicht entscheidend, wer den Streit angefangen hat. Das Strafgesetzbuch stellt in § 231 auch die Beteiligung an einer Schlägerei unter Strafe. Und der Arbeitgeber muss fürchten, dass der Schläger auch bei anderer Gelegenheit seine Fäuste nicht in der Tasche lässt.

Die Kündigung ist also gerechtfertigt. Bedeutet dies auch, dass der Betriebsrat der Kündigung zustimmen muss? Nein, das muss er nicht! Zunächst hat der Betriebsrat keinerlei rechtliche Verpflichtung, scheinbar gerechtfertigte Kündigungen zu unterstützen. Aber auch eine moralische Verpflichtung trifft ihn nicht. Der Betriebsrat hat sicher Interesse am Erhalt des Betriebsfriedens und will unter Umständen ein Zeichen setzen durch Unterstützung der Kündigung. Andererseits vertritt der Betriebsrat die Interessen aller Beschäftigter, also auch solcher, die unter dem Verdacht stehen, an einer Schlägerei beteiligt gewesen zu sein. Der Betriebsrat muss dem Arbeitgeber Gesichtspunkte nennen, die gegen eine Kündigung sprechen. Er muss auf mögliche andere Lösungen hinweisen. Fällt ihm zu beiden nichts ein, kann er schweigen.
Der Betriebsrat muss kein eigenes Urteil fällen. Er kann keinen Beweis erheben, hat nicht die Möglichkeiten eines Gerichts. Der Betriebsrat muss prüfen, ob aus seiner Sicht alles Wichtige durchdacht wurde vor der Kündigung. Er muss sich nicht bedingungslos für einen Beschäftigten einsetzen, der wahrscheinlich gegen den Betriebsfrieden verstieß. Er muss sich aber auch nicht gänzlich von ihm abwenden.

Das Urteil des LAG Köln vom 06.11.2012, 11 Sa 412/12