Die Drohung mit Krankschreibung stellt an sich einen wichtigen Grund zu fristlosen Kündigung dar, Copyright Adobe Stock, Dan Race.
Die Drohung mit Krankschreibung stellt an sich einen wichtigen Grund zu fristlosen Kündigung dar, Copyright Adobe Stock, Dan Race.

 

Eine Bäckereiverkäuferin drohte ihrer Arbeitgeberin, sie werde sich krankschreiben lassen, wenn diese den Dienstplan nicht - wie von ihr gewünscht - ändert. Da Spannungen unter den Mitarbeitern der Filiale bestanden, wollte sie in einer Woche im Juli 2020 unbedingt in der Frühschicht arbeiten.

 

Auf die Drohung folgt die Kündigung

 

Die angedrohte Krankschreibung veranlasste die Arbeitgeberin, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen. Schon bevor ihr die fristlose Kündigung zugegangen war, hatte die Verkäuferin das Arbeitsverhältnis ihrerseits ordentlich zu Ende Juli 2020 gekündigt.

 

Etwa drei Stunden nach Zugang der ordentlichen Kündigung der Klägerin erklärte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 29. Juni 2020 die außerordentliche Kündigung. Sie begründete die Kündigung mit der angedrohten Krankschreibung.

 

Gegen die fristlose Kündigung erhob die Verkäuferin Klage beim Arbeitsgericht Schwerin.

 

 

Kein Nachweis einer Pflichtverletzung - Arbeitsgericht gibt Klage statt

 

Mit Urteil vom 14. Oktober 2020 gab das Schweriner Arbeitsgericht der Klage statt. Nach Auffassung der Richter*innen der ersten Instanz habe die Beklagte eine Pflichtverletzung der Klägerin nicht nachweisen können.

 

Denn es sei nicht auszuschließen, dass die die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen an einer Tätigkeit in der Spätschicht gehindert war. Die sich offenkundig unverstanden fühlende Beklagte legte Berufung gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts ein.

 

Berufungsgericht hält Drohung mit Krankschreibung für wichtigen Grund

 

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern kam in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, dass das Verhalten der Klägerin an sich einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellt.

 

Die Klägerin, so das Gericht, habe ihre arbeitsvertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme erheblich verletzt, indem sie mit einer Krankschreibung drohte. Damit habe sie die Beklagte in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt.

 

Die Pflichtwidrigkeit sei darin zu sehen, dass der Arbeitnehmer mit einer solchen Erklärung zum Ausdruck bringt, er sei bereit, seine Rechte aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz zu missbrauchen, um sich einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer später (zufällig) tatsächlich erkrankt.

 

LAG: Abwägung der Interessen ausschlaggebend für Unzulässigkeit der fristlosen Kündigung

 

Allerdings gehe die Abwägung der wechselseitigen Interessen zu Gunsten der Klägerin aus, erklärten die Richter*innen. Denn der Beklagten sei es unter Abwägung der wechselseitigen Interessen zumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis noch rund einen Monat bis zum Datum der Eigenkündigung fortzusetzen.

 

Im Übrigen sei zu beachten, dass es sich bei der Androhung um eine spontane und unüberlegte Reaktion gehandelt habe, in der sich letztlich die schon länger schwelenden Spannungen entluden.

 

Auch habe bei der Entscheidungsfindung Berücksichtigung gefunden, dass das Arbeitsverhältnis annähernd 10 Jahre lang beanstandungsfrei verlaufen sei.

 

Urteil des Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern vom 4. Mai 2021

 

Für Interessierte:

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12. März 2009

 

 

Lesen Sie auch:

Angekündigte Arbeitsunfähigkeit führt nicht immer zur Kündigung

 

 

 

Das sagen wir dazu:

Die Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern sollte nicht so verstanden werden, dass Arbeitnehmer*innen sanktionslos damit drohen können, sich dann krank schreiben zu lassen, wenn der Arbeitgeber ihren Wünschen - zum Beispiel auf Schichtwechsel oder Urlaubsverlangen - nicht folgt.

 

Denn nach der Rechtsprechung des 2. Senats des BAG ist bereits die Ankündigung einer zukünftigen, im Zeitpunkt der Ankündigung nicht bestehenden Erkrankung durch die/den Arbeitnehmer*in für den Fall, dass der Arbeitgeber einem unberechtigten Verlangen auf Gewährung von Urlaub nicht entsprechen sollte, ohne Rücksicht auf eine später tatsächlich auftretende Krankheit an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben (BAG, Urteil vom 12. März 2009 - 2 AZR 251/07).

 

Der Verkäuferin kam zu Gute, dass sie das Arbeitsverhältnis selbst gekündigt hatte und das Arbeitsverhältnis ohnehin nur noch einen Monat bestanden hätte. Da die Klägerin noch ihren Urlaub und ihre Überstunden abbauen muss, ist das Arbeitsverhältnis auch ohne fristlose Kündigung quasi sofort beendet. Hätte die Arbeitgeberin hilfsweise ordentlich gekündigt, hätte sie nach dem Gesetz eine Frist von drei Monaten einhalten müssen. Dann hätte die Interessenabwägung auch gut zu Lasten der Verkäuferin ausgehen können.

Rechtliche Grundlagen

§ 626 BGB

§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.