Die Firmenkreditkarte ist kein Blankoscheck. Das musste ein Arbeitnehmer in Baden-Württemberg erfahren. Copyright by Adobe Stock/ Yeti Studio
Die Firmenkreditkarte ist kein Blankoscheck. Das musste ein Arbeitnehmer in Baden-Württemberg erfahren. Copyright by Adobe Stock/ Yeti Studio

Zu keinem Zeitpunkt habe eine Gefahr für Vermögenswerte des Arbeitgebers bestanden, erläuterte Gert Becker vom DGB Rechtsschutzbüro dem Arbeitsgericht Stuttgart. Dort ging es um eine fristlose Kündigung. Der Kläger hatte eine Firmenkreditkarte privat genutzt, obwohl er das nicht durfte.
 

Die Firmenkreditkarte

Der Kläger hatte die Firmenkreditkarte von seinem Arbeitgeber erhalten. Er durfte diese für dienstliche Ausgaben verwenden. Die Abbuchungen erfolgten dabei zunächst vom privaten Konto des Klägers. Dienstliche Ausgaben meldet der Kläger dann mittels Reisekostenabrechnung an den Arbeitgeber. Er erhielt von dort eine entsprechende Gutschrift auf sein Privatkonto.
 
Der Kläger wusste, dass er die Kreditkarte privat nicht nutzen durfte. Dennoch tat er das in vielen einzelnen Fällen.
 

Die Haftung des Arbeitgebers

Dass das dem Arbeitgeber nicht passte, erklärt sich von selbst. Hinzu kam im Fall des Klägers jedoch, dass dessen Konto nicht ausreichend gedeckt war. Der Arbeitgeber erhielt deswegen eine Rechnung der Kreditkartenfirma über rund 4.000 Euro, weil der Arbeitgeber allein für die abgebuchten Beträge hafte.
 
Es kam zu einem Gespräch des Klägers mit seinen Vorgesetzten. Ein Vermerk zu diesem Gespräch enthielt den Hinweis, der Kläger habe nachvollziehbar erklärt, wie es zu der Unterdeckung auf seinem Konto gekommen sei. Er habe nochmals den eindeutigen Hinweis erhalten, wie er mit der Kreditkarte umgehen müsse. Der Fall solle im Übrigen auf dem kleinen Dienstweg gelöst werden. Die offenen Beträge glich der Kläger anschließend aus.
 

Kein weiterer Verwaltungsaufwand

Der Kläger bot an, die Kreditkarte zurückzugeben. Darauf hatte sein Vorgesetzter jedoch „keinen Bock“. Er wollte damit zusätzlichen Verwaltungsaufwand vermeiden. Das Schreiben der Kreditkartenfirma, mit dem diese vom Arbeitgeber Geld zurückforderte, veranlasste die  Personalabteilung dennoch zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung. Der Arbeitgeber meinte, das Vertrauensverhältnis zum Kläger sei aufgrund des mehrfachen Missbrauchs der Firmenkreditkarte zerrüttet.
 
Zwar habe der Kläger noch keine einschlägige Abmahnung erhalten, einer solchen habe es aber nicht bedurft. Schließlich gehe es um einen wiederholten gleich gelagerten und schweren Verstoß. Eine Abmahnung sei nicht dazu geeignet, diesen schweren Verstoß zu sanktionieren.
 

Der wichtige Grund

Das Arbeitsgericht sah das anders. Der Arbeitgeber habe weder eine fristlose noch eine fristgemäße Kündigung aussprechen dürfen.
 
Für die fristlose Kündigung bedürfe es eines wichtigen Grundes. Der Kläger habe die Kreditkarte über einen längeren Zeitraum hinweg wiederholt privat genutzt. Ein derartiges Fehlverhalten berechtige den Arbeitgeber grundsätzlich, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen.
 
Durch die private Nutzung sei es nämlich zu einem Haftungsrisiko des Arbeitgebers gekommen. Der Kläger habe auch vorsätzlich gehandelt. Ihm sei bekannt gewesen, dass die private Nutzung der Kreditkarte verboten war.
 

Ein milderes Mittel

Dennoch habe der Arbeitgeber im Fall des Klägers nicht zur fristlosen Kündigung greifen dürfen. Das Kündigungsschutzgesetz gebe nämlich vor, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung immer prüfen müsse, ob es nicht ein milderes Mittel gebe. Eine Kündigung sei nur zulässig, wenn sie die unausweichliche letzte Maßnahme für den Arbeitgeber darstelle. Eine Abmahnung sei beispielsweise ein milderes Mittel.
 
Ein Arbeitgeber könne auf eine Abmahnung nur verzichten, wenn es sich um eine schwere Pflichtverletzung handele. Die Pflichtwidrigkeit müsse der Arbeitnehmer ohne weiteres erkennen können. Ihm müsse klar sein, dass der Arbeitgeber ein solches Verhalten keineswegs hinnehmen werde. Der*die Arbeitnehmer*in müsse in einem solchen Fall ganz bewusst seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzen.
 

Die Änderung des Verhaltens

Eine fristlose Kündigung dürfe der Arbeitgeber auch dann aussprechen, wenn nicht zu erwarten sei, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten ändert. Dann könne eine Abmahnung ihren Zweck von vorneherein nicht erfüllen. Das gelte vor allem in Fällen, in welchen der*die Arbeitnehmer*in eindeutig nicht gewillt sind, sich vertragsgerecht zu verhalten.
 
Der Kläger habe nicht vorgehabt, seinen Arbeitgeber finanziell zu schädigen. Der Arbeitgeber hätte auch einfach die Kreditkarte einziehen können, um eine Wiederholung zu verhindern. Der Arbeitgeber habe auch noch keine Abmahnung ausgesprochen.
 

Die Gesprächsnotiz

Die Vorgesetzten hätten stattdessen mit dem Kläger im Vorfeld besprochen, die Angelegenheit auf dem kleinen Dienstweg zu klären. Das ergebe sich aus der vorliegenden Gesprächsnotiz. Zwar sei die Personalabteilung zu diesem Zeitpunkt nicht involviert gewesen, hierauf komme es aber nicht an.
 
Die Gesprächsnotiz enthalte den ausdrücklichen Hinweis, dass die Personalabteilung nicht eingeschaltet werden solle. Das habe dem Kläger gegenüber den Eindruck erweckt, sein Arbeitsverhältnis sei nicht gefährdet.
 

Die Abmahnung

Ohne einschlägige Abmahnung habe der Arbeitgeber dem Kläger nicht fristlos kündigen dürfen, selbst wenn die private Nutzung der Kreditkarte einen schweren Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten darstellte.
 
Die fristlose Kündigung war damit unwirksam. Weil er keine Abmahnung ausgesprochen hatte, sprach das Arbeitsgericht dem Arbeitgeber darüber hinaus das Recht ab, dem Kläger fristgemäß zu kündigen. Das Arbeitsverhältnis besteht nun fort.

Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 03. November 2020

Das sagen wir dazu:

Auch bei schweren Pflichtverstößen fragt das Kündigungsschutzgesetz nach milderen Mitteln, bevor der Arbeitgeber kündigen darf. Prinzipiell sind Abmahnungen immer das mildere Mittel. Hakt es da beim Ausspruch einer Kündigung, finden versierte Rechtsvertreter fast immer eine Begründung, mit der sie Arbeitsgerichte davon überzeugen können, dass eine Kündigung unwirksam ist.

In der Praxis ist es daher regelmäßig wichtig alle Gesichtspunkte im Zusammenhang mit einer ausgesprochenen oder möglichen Abmahnung genau zu prüfen.

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