Sexuelle Belästigung im Arbeitsverhältnis kann Folgen haben, bis zur fristlosen Kündigung ohne vorherige Abmahnung. Copyright by Adoobe Stock/estradaanton
Sexuelle Belästigung im Arbeitsverhältnis kann Folgen haben, bis zur fristlosen Kündigung ohne vorherige Abmahnung. Copyright by Adoobe Stock/estradaanton

„Wer auf einer dienstlich veranlassten Reise eine Arbeitskollegin gegen ihren Willen zu küssen versucht und auch tatsächlich küsst, verletzt seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB) in erheblicher Weise. Ein solches Verhalten ist an sich geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.“ So urteilte das Landesarbeitsgericht Köln am 1. April 2021 und lehnte damit die Kündigungsschutzklage eines EDI-Managers ab.
 


Sexuelle Belästigung im Rahmen der Teamklausur

Der 45-Jährige war im Rahmen einer Teamklausur einer Kollegin mehrmals zu nahegekommen. Bereits vor ihrer Einstellung im Jahr 2019 hatte diese bereits Bekanntschaft mit dem Kollegen gemacht. Während ihres Werkstudiums im Unternehmen hatte er ihr jedenfalls einmal von hinten an die Schultern gefasst, woraufhin sie ihm sagte, dass er das lassen solle. Während des Abendausklangs bei der Teamklausur Ende September 2019 verschärfte der Familienvater seine Annäherungsversuche. In der Hotelbar versuchte er zunächst mehrfach, seiner Kollegin seine Jacke umzulegen. Das rief sogar eine weitere Kollegin auf den Plan, die ihn aufforderte, damit aufzuhören. Beim Rückweg zu den Hotelzimmern drängte er sich der Frau weiter auf und wollte sie auf ihr Zimmer begleiten. Auch das lehnte die Kollegin ab. Schließlich zog er sie zu sich heran und schaffte es, sie zu küssen, bevor sie sich hinter ihrer Tür in Sicherheit bringen konnte. Die nächtliche Belästigung endete mit mehreren WhatsApp-Nachrichten, in denen der Kollege um Wiedergutmachung bemüht war.
 

Keine Abmahnung erforderlich, wenn rote Linie missachtet wird

Der Vorfall landete aber beim Arbeitgeber, der nach Anhörung des EDI-Managers und weiterer Kolleg*innen die fristlose sowie hilfsweise eine fristgerechte Kündigung aussprach. Bei Gericht wurden mehrere Zeug*innen vernommen, die das Verhalten des Klägers bestätigten.
 
Entgegen dessen Auffassung handelte es sich nicht nur um einen einmaligen Vorfall ohne Wiederholungsgefahr, der mit einer Abmahnung hätte geahndet werden müssen. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht betonten, dass es sich um eine schwerwiegende Pflichtverletzung gehandelt habe:
 
„Insbesondere habe es keiner Abmahnung bedurft, da für den Kläger erkennbar gewesen sei, dass er mit der sexuellen Belästigung seiner Kollegin eine rote Linie überschritten habe, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Beklagte, deren Verpflichtung es sei, ihre weiblichen Mitarbeiter vor sexuellen Belästigungen zu schützen, unzumutbar gemacht habe.“
 
Die fristlose Kündigung war gerechtfertigt.  
 
Links
Urteil des LAG Köln
 
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Das sagen wir dazu:

Sexuelle Belästigung ist strafbar und im Strafgesetzbuch (StGB) § 184i „Sexuelle Belästigung“ verankert: „Wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften dieses Abschnitts mit schwererer Strafe bedroht ist.“ Das ist nur das Mindestmaß.

Sexuelle Belästigung nicht verharmlosen

Verhalten, das einer sexuellen Belästigung gleichkommt, ist aber nicht nur strafrechtlich relevant. Im Rahmen des Arbeitsverhältnisses hat der Beschäftigte die Pflicht, auf die Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Zu diesen Interessen gehört natürlich auch der Schutz vor sexuellen Belästigungen – ein Recht jedes oder jeder Beschäftigten.

Im vorliegenden Fall wurde einmal mehr mit Verharmlosung argumentiert. Nachdem sich der Kläger in seinen Versionen des Vorfalls verrannt hatte, unterstellte er seiner Kollegin Übertreibung. Er habe sie "ja schließlich nicht vergewaltigt" und dass "dazu immer zwei" gehören würden.

Diese Worte verhöhnen jedes Opfer von sexueller Belästigung und beweisen, warum dieses Thema (leider) permanenter Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit bedarf. Sie zeigen auch eindringlich, wie selbstverständlich für manche Beschäftigte jegliches Bewusstsein für diese strafbare Handlung fehlt.

Rechtliche Grundlagen

Rechtliche Grundlage/Praxistipp

§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.