Keine Kündigung bei berechtigter Arbeitsverweigerung durch zu Unrecht angeordnete Überstunden. © Adobe Stock - Von Klaus Eppele
Keine Kündigung bei berechtigter Arbeitsverweigerung durch zu Unrecht angeordnete Überstunden. © Adobe Stock - Von Klaus Eppele

Der Kläger hatte sich schon auf ein langes Wochenende gefreut: Am Freitag hatte er Erholungsurlaub und das Wochenende sollte ohnehin arbeitsfrei sein. So jedenfalls die Vorstellung. Doch da hatte er die Rechnung ohne seinen Arbeitgeber gemacht: Dieser schickte ihm am Donnerstagabend um 22:04 Uhr eine E-Mail, in der er ihn aufforderte, sich am darauffolgenden Samstag für einen gesonderten Arbeitseinsatz im Betrieb einzufinden. Der Kläger antwortete darauf, dass er am Samstag nicht kommen werde – und ließ seinen Worten Taten folgen. Die Reaktion seines Arbeitgebers folgte prompt – er kündigte ihn fristlos und hilfsweise fristgerecht. Zu Unrecht, urteilte das Arbeitsgericht Stralsund. Der Kläger gewann mithilfe der Kolleg*innen aus dem DGB Rechtsschutzbüro Stralsund in vollem Umfang und behielt seinen Arbeitsplatz. 

Pflicht zur Leistung von Überstunden nur bei wirksamer Anordnung

Die Beklagte sah sich im Recht, als sie den Kläger zu Überstunden am folgenden Samstag verdonnerte. Schließlich hätte sich der Kläger mit einer Klausel im Arbeitsvertrag hierzu verpflichtet. Die Parteien hatten tatsächlich im Arbeitsvertrag vereinbart, dass „in dringenden Fällen auf Anweisung des Arbeitgebers Mehrarbeit zu leisten ist“. 

Doch darauf konnte sich die Beklagte nicht stützen, das Arbeitsgericht verwarf diese Klausel als unwirksam. Begründung: Sie ist nicht hinreichend klar und verständlich. Damit schloss sich das Arbeitsgericht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an. Demnach müssen Arbeitnehmer*innen bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was auf sie zukommt und welche Leistungen sie für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen müssen. 

Diese Anforderungen erfüllen Klauseln, die pauschal Überstunden anordnen, nicht. Erforderlich ist, dass die Klausel konkrete Angaben enthält, wie viele Stunden maximal über das vertragliche Ausmaß hinaus erfasst sein sollen und in welchen genau bezeichneten Fällen die Anordnung erfolgen kann. Fehlen diese Angaben in einer Klausel, ist sie insgesamt unwirksam. Darauf gestützte Überstundenanordnungen ebenso. 

Rufbereitschaft muss ausdrücklich vereinbart werden

Die Beklagte berief sich zusätzlich auf einen Passus im Arbeitsvertrag, nach dem der Kläger verpflichtet sein sollte „die wöchentliche Rufbereitschaft gemäß gesonderter Festlegung durch die Betriebsleitung“ zu übernehmen. Weitere Regelungen hierzu verschriftlichten die Parteien in einer separaten Vereinbarung. Voraussetzung für die festzulegende Rufbereitschaft: Eine schriftliche Abstimmung mit dem Arbeitnehmer. 

Diese hat es jedoch nicht gegeben, sodass die Beklagte die Anordnung auch nicht darauf stützten konnte und mit dieser Argumentation vor Gericht ebenfalls unterlag. Zudem verpflichtete sich die Beklagte in der gesondert getroffenen Vereinbarung, keine Rufbereitschaft bei beantragtem oder genehmigtem Urlaub anzuordnen – der Kläger hatte jedoch für den Freitag vor dem Wochenende Erholungsurlaub bewilligt bekommen.

Aus diesem Grund drang die Beklagte in letzter Not auch nicht mit ihrer Argumentation durch, die Anordnung sei jedenfalls durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt. Dadurch, dass der Kläger sich an dem Freitag vor dem Wochenende im Erholungsurlaub befand, entspricht die Ausübung des Direktionsrechts nicht „billigem Ermessen“ und ist damit rechtswidrig, so das Arbeitsgericht. 

Der Kläger war also nicht zum Arbeitseinsatz am Samstag verpflichtet und durfte berechtigterweise fernbleiben. 

Deutliche Meinungsäußerung in Antwortmail auch kein Kündigungsgrund

Der Ton mache die Musik, dachte sich die Beklagte und stützte ihre Kündigung auch auf die Worte, die der Kläger in seiner Antwort auf die Überstundenanordnung wählte. Darin ließ der Kläger seinen Unmut über den kurzfristig anberaumten Arbeitseinsatz erkennen und schrieb, dass der „mangelhafte Stand der Saisonvorbereitung“ nicht in der Verantwortung der Beschäftigten liege, sondern die Betriebsleitung an diesem „Missstand die Schuld“ trage. Schließlich stelle der kurzfristig notwendig gewordene Arbeitseinsatz den Kläger und seine Kolleg*innen als „faul“ und „nicht arbeitswillig“ dar, was jedoch „billig und falsch“ sei. 

Die Beklagte fühlte sich durch diese Äußerungen offenkundig gekränkt und deklarierte die E-Mail des Klägers als Beleidigung. Das Gericht konnte jedoch in den Worten des Klägers keine Beleidigung oder sonstiges, pflichtverletzendes Verhalten erkennen. Insbesondere würde eine solche Meinungskundgabe auch keine fristlose Kündigung rechtfertigen.   

Ohne Pflichtverletzung auch keine ordentliche Kündigung – erst recht nicht ohne Abmahnung

Mit gleichen Argumenten verwarf das Arbeitsgericht auch die hilfsweise ordentlich erklärte Kündigung, da bereits keine Pflichtverletzung vorlag. Selbst, wenn das Verhalten des Klägers eine Pflichtverletzung dargestellt hätte, so das Gericht, wäre eine Kündigung jedoch aus einem anderen Grund unwirksam gewesen: Es fehlte eine vorherige Abmahnung. 

Hierzu stellten das Gericht klar, dass bei einer Vertragspflichtverletzung durch steuerbares Verhalten grundsätzlich davon auszugehen ist, dass der Beschäftigte sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses ändern wird. Aus diesem Grund setzt eine verhaltensbedingte Kündigung regelmäßig eine konkrete Abmahnung des Verhaltens voraus. 

Das sagen wir dazu:

Die Anordnung von Überstunden ist ein alltägliches Problem des Arbeitsrechts. Immer wieder kommt es hier zu Schwierigkeiten zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten. Beschäftigten sollten im Zweifel Rechtsrat bei ihrer zuständigen Gewerkschaft zu suchen, denn nicht selten sind die Überstundenanordnungen unwirksam.

Arbeitgeber*innen müssen hierzu nämlich gleich mehrere Hürden meistern. Die Ableistung von Überstunden muss nicht nur durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag vereinbart, sondern die entsprechende Klausel muss auch im Einzelfall wirksam sein. Enthält ein Vertrag eine solche Klausel sollten Beschäftigte, bestenfalls mit Unterstützung der Gewerkschaft, diese genaustens auf Herz und Nieren prüfen. Insbesondere sollte ein Augenmerk darauf gelegt werden, ob die Klausel von sich heraus, das heißt ohne künstliche Auslegung, klar und verständlich ist. 

Überstundenklauseln prüfen lassen

Insbesondere sollte die maximale Anzahl der zusätzlichen Stunden bestimmt sein und es muss klare Vorgaben geben, in welchen Situationen die Anordnung von Überstunden erfolgen kann. 


Fehlt eine solche Vereinbarung oder ist sie unwirksam, bleibt dem Arbeitgeber nur das allgemeine Direktionsrecht. Darauf gestützte Anordnungen müssen jedoch immer mit den Interessen von Arbeitnehmer*innen abgewogen sein, juristisch formuliert dem „billigem Ermessen“ entsprechen, wie im vorliegenden Fall. Trifft das nicht zu, ist eine darauf gestützte Anordnung unwirksam. 

Beschäftigte sollten jedoch keinesfalls eigenmächtig Klauseln oder Anordnungen im Einzelfall bewerten und auf Basis dieser Bewertung einfach der Arbeit fernbleiben. Denn wenn sich später herausstellt, dass die Klausel doch wirksam war, begehen sie eine Pflichtverletzung, die der Arbeitgeber mit einer Kündigung sanktionieren kann. Deshalb empfiehlt es sich vorher Rücksprache mit der zuständigen Gewerkschaft zu halten.