Das Bundesarbeitsgericht hat eine für die arbeitsrechtliche Praxis sehr wichtige und bislang noch nicht höchstrichterlich geklärte Frage entschieden: Demnach ist die Durchführung eines Verfahrens zum Wiedereingliederungsmanagement keine unbedingte Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Kündigung Schwerbehinderter.
Nach § 84 Abs. 1 SGB IX muss der Arbeitgeber bei Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis mit einem Schwerbehinderten ein solches Präventionsverfahren durchführen. Kündigt der Arbeitgeber einem Schwerbehinderten, ohne zuvor dieses Verfahren durchgeführt zu haben, ist diese Kündigung jedoch nicht zwangsläufig rechtsunwirksam, urteilte das BAG. Hat der Schwerbehinderte eine Pflichtverletzung begangen, die nicht im Zusammenhang mit seiner Behinderung steht, muss ein derartiges Verfahren nicht durchgeführt werden.
Geklagt hatte ein zu 70 Prozent Schwerbehinderter, dem ordentlich gekündigt worden war, weil er sich mehrere Tage hintereinander jeweils circa zwei Stunden vor Ende der bezahlten Arbeitszeit von der Arbeitsstelle entfernt hatte. Das BAG gab der Kündigung statt. Präventionsverfahren sind nur dann durchzuführen, wenn damit Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis des Schwerbehinderten beseitigt werden können. Im vorliegenden Fall handele es sich aber um eine derart schwere Pflichtverletzung des Arbeitnehmers, dass das Präventionsverfahren zur Feststellung eines Kündigungsgrundes nicht mehr durchgeführt werden musste. Die Nichtdurchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements soll nicht zu einer absoluten Unwirksamkeit einer Kündigung führen, sondern lediglich ein bei der Interessenabwägung zu berücksichtigender Grund sein.