Arbeiten im Hausmeisterservice neben dem Home Office – geht das? © Adobe Stock: Wellnhofer Designs
Arbeiten im Hausmeisterservice neben dem Home Office – geht das? © Adobe Stock: Wellnhofer Designs

Am 10. Februar 2021 hatte das Arbeitsgericht Saarland über die Verdachtskündigung eines Mannes entschieden, der überwiegend im Home Office arbeitete. Es sah den Verdacht eines Arbeitszeitbetruges als erwiesen. Ohne eine vorschriftsmäßige Vereinbarung mit der Vorgesetzten hatte der Kläger zunehmend im Home Office gearbeitet, zuletzt sogar über 30 % seiner Arbeitszeit. In das Buchungssystem seines Arbeitgebers war er dabei oft nicht eingeloggt.

 

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Verdachtskündigung: Arbeitszeitbetrug im Home Office

 

Der Verdacht auf Arbeitszeitbetrug resultiere aus den Gesprächen mit dem Kläger, heißt es im Urteil der ersten Instanz. Der Kläger habe keine nachvollziehbare Begründung dafür abgeben können, weshalb seine Arbeitszeiten im Home Office angestiegen waren. Auch zu einer vom Arbeitgeber angeführten Nebentätigkeit in einem Hausmeisterservice habe der Kläger keine näheren Angaben gemacht. Ganz besonders verstärke sich der Verdacht eines Arbeitszeitbetruges dadurch, dass der Kläger seine Einloggdaten für den dienstlichen PC und das Diensttelefon nicht zur Verfügung stellen wollte. Selbst im Prozess habe er diese nicht offengelegt.

 

Das Arbeitsgericht hatte den Verdacht, der Kläger wolle etwas verbergen

 

Zwar müsse sich der Kläger nicht selbst belasten, hier dränge sich aber der Verdacht auf, der Kläger wolle etwas verbergen. Damit bleibe es am Ende dabei, dass der Kläger sein Verhalten nicht ausreichend erklären konnte. Zwar trage der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast, allerdings habe der Kläger sich selbst in keiner Weise schlüssig gegen die ihn belastenden Verdachtsmomente geäußert.

 

Nun hat das Landesarbeitsgericht entschieden. Es sah die Rechtslage anders. Der Arbeitgeber habe nicht kündigen dürfen, heißt es im Urteil.

 

Die Beklagte verdächtige den Kläger, eine schwerwiegende und zur Kündigung berechtigende Pflichtverletzung begangen zu haben. Sie werfe ihm einen umfangreichen Arbeitszeitbetrug vor. Das Arbeitsgericht habe hieraus gefolgert, dass der Kläger das Home Office in Anspruch genommen habe um nicht zu arbeiten. Diese Schlussfolgerung sei jedoch nicht tragfähig. Es gebe keinen Erfahrungssatz, dass Mitarbeiter die Tätigkeit im Home Office nur deshalb favorisierten, um weniger oder gar nicht zu arbeiten. Mithin könne das Arbeitsgericht auch keine Schlussfolgerung dahingehend ziehen, dass der Kläger während der gesamten Zeit im Home Office nicht gearbeitet habe.

 

Nebentätigkeiten werden im Home Office einfacher

 

Vor dem Arbeitsgericht war auch über den Umfang einer Nebentätigkeit des Klägers im Hausmeisterservice gestritten worden. Das Arbeitsgericht meinte, der Kläger habe sich diesbezüglich in Widersprüche verstrickt. Hierzu sagt das Landesarbeitsgericht, es liege nicht völlig fern, dass der Kläger die Option zum Home Office deshalb ergriffen habe, um während seiner Arbeitszeit einer Nebentätigkeit nachzugehen. Allerdings weise der Arbeitgeber keine einzige konkrete Nebentätigkeit nach, die der Kläger tatsächlich während der Arbeitszeit ausführte. Deshalb sei auch hier die Schlussfolgerung des Gerichts hinsichtlich eines vermuteten Arbeitszeitbetruges keineswegs in dringendem Maße wahrscheinlich.

 

Gelegentliche Nebentätigkeiten ließen keine belastbaren Rückschlüsse auf den zeitlichen Umfang eines behaupteten Arbeitszeitbetruges zu.

 

Der Kläger musste seine PC-Daten nicht offenlegen

 

Das Arbeitsgericht habe den dringenden Tatverdacht auch nicht darauf stützen können, dass der Kläger sich geweigert hatte, den Dienst-PC auswerten zu lassen. Auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren müsse sich eine Partei nicht selbst belasten. Soweit sich der Kläger auf den verfassungsrechtlichen Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung berufen könne, müsse er das nicht rechtfertigen. Das Grundrecht verbiete es, die Ablehnung des Klägers zur Einsichtnahme seiner Arbeitsmittel als Zugeständnis zu werten.

 

Der Arbeitgeber habe nicht alle ihm möglichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft. Weshalb die Daten auf dem PC des Klägers nicht auch gegen dessen Widerstände ausgewertet worden seien, bleibe offen. Dafür gebe es datenschutzrechtlich zulässige Möglichkeiten.

 

Der Datenschutz lässt die Nutzung personenbezogener Daten durchaus zu

 

Der Arbeitgeber dürfe kontrollieren, ob der*die Arbeitnehmer*in den arbeitsvertraglichen Pflichten nachkomme. Zur Aufdeckung kündigungsrelevanter Pflichtverletzungen rechtfertige das durchaus auch die Nutzung personenbezogener Daten. Der Arbeitgeber dürfe alle Daten speichern und verwenden, die er benötige, um die ihm obliegende Darlegungs- und Beweislast in einem potentiellen Kündigungsschutzprozess zu erfüllen.

 

Gründe dafür, weshalb der Arbeitgeber die personenbezogenen Daten des Klägers zur Vorbereitung der Kündigung nicht geprüft habe, fänden sich in den Akten nicht. Das Landesarbeitsgericht erkannt vielmehr ein nicht unerhebliches Defizit in der betrieblichen Aufsicht. Nur deren ernstere und konsequentere Wahrnehmung wäre geeignet gewesen, eine rechtzeitige Abmahnung auszusprechen und damit eine Verhaltensänderung des Klägers herbeizuführen.

 

 

Der Arbeitgeber habe demgegenüber unmittelbar gekündigt. Diese Kündigung dürfe keine weitere Geltung haben.

 

Hier geht es zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland