Wann ist es sinnvoll, sich gegen eine Abmahnungen zu wehren? Copyright by hakase420/fotolia
Wann ist es sinnvoll, sich gegen eine Abmahnungen zu wehren? Copyright by hakase420/fotolia

Der Vorgesetzte einer Mitarbeiterin im Qualitätsmanagement versandte per E-Mail eine Studie. Die Mitarbeiterin teilte ihrem Vorgesetzten telefonisch mit, dieses Thema gehe sie nichts an. Denn ihre Stelle stehe nicht auf der Liste, die der E-Mail anhing. Der Vorgesetzte stellte in einem Telefonat klar, dass die Stelle der Mitarbeiterin im E-Mail-Anhang aufgelistet sei. Und die Mitarbeiterin müsse sich auch wegen ihrer Tätigkeit mit den Abläufen der Studie beschäftigen. Während dieses Telefonats sagte die Mitarbeiterin zweimal zu ihrem Vorgesetzten, er lüge. Die Mitarbeiterin entschuldigte sich danach schriftlich bei ihrem Vorgesetzten: Ihre Wortwahl sei nicht „ernst gemeint“ und sicher falsch gewesen.
Der Vorgesetzte mahnte die Mitarbeiterin darauf schriftlich ab, weil sie sich ungebührlich verhalten und ihren Vorgesetzten in seiner Ehre verletzt habe.
 

Die Mitarbeiterin wehrte sich

Sie vertritt die Auffassung, dass sie ihren Vorgesetzten gar nicht in seiner Ehre verletzen wollte. Denn die Behauptung, „Sie lügen“ habe sie nur zum Spaß gesagt. Es sei deshalb zweifelhaft, ob überhaupt eine Beleidigung vorliege. Sie meinte außerdem, dass ihr Vorgesetzter ihre Entschuldigung habe annehmen müssen. Er habe sie auch gerade deshalb nicht mehr abmahnen dürfen.
Die Mitarbeiterin verlangte von ihrem Arbeitgeber, dass er die Abmahnung aus ihrer Personalakte entfernt. Weil er sich weigerte, zog sie vor das Arbeitsgericht. Die Klage hatte keinen Erfolg.
 

Die Klägerin gab nicht auf

Sie legte Berufung beim Landesarbeitsgericht ein.
Eine mögliche Beleidigung durch die Worte „Sie lügen“ habe die Entschuldigung wieder ausgelöscht. Damit habe sie die Vertragstreue wieder hergestellt. Und die Beklagte dürfe deshalb das Verhalten der Klägerin nicht mehr als vertragswidrig einordnen. Eine Abmahnung habe sie deshalb nicht aussprechen dürfen.
 
Auch das Landesarbeitsgericht gab der Beklagten Recht. Es wies die Berufung aus denselben Gründen wie das Arbeitsgericht zurück.
Das Berufungsgericht stellte fest, dass der Arbeitgeber die Klägerin zu Recht abgemahnt habe.

Das Landesarbeitsgericht sagte wie das Arbeitsgericht, dass die Abmahnung sich auf konkrete Tatsachenangaben stütze. Und dass der Arbeitgeber auch das Verhalten der Klägerin richtig bewertet habe. Denn die Abmahnung enthalte den Vorwurf, dass die Klägerin ihren Vorgesetzten beleidigt habe, weil sie am Telefon zweimal gesagt habe, dass er lüge.
Es sei auch gleichgültig, ob die Klägerin die Absicht gehabt habe, ihren Vorgesetzten zu beleidigen.
Obwohl die Klägerin sich bei ihrem Vorgesetzten entschuldigte habe, sei die Abmahnung verhältnismäßig.
 
Das Landesarbeitsgericht stellte zudem fest, dass der Arbeitgeber selbst darüber entscheide, ob er ein arbeitsvertragliches Fehlverhalten seiner Arbeitnehmerin missbillige und seine Arbeitnehmerin deshalb abmahne.
Dies gelte sogar, wenn der Arbeitgeber den Vorwurf hätte ignorieren können, weil der Arbeitnehmer nur unbewusst seine arbeitsvertragliche Pflicht verletzt habe. Somit dürfe der Arbeitgeber hier seine Arbeitnehmerin abmahnen, weil sie ihn in seiner Ehre verletzt habe, in dem sie zweimal sagte, dass er lüge.
 
Der Arbeitgeber dürfe auch trotz der Entschuldigung die Arbeitnehmerin abmahnen. Denn der Arbeitgeber solle einer Arbeitnehmerin zeigen können, dass diese sich vertragswidrig verhalten habe und im Wiederholungsfall auch gekündigt werden könne.
Die Klägerin habe durch ihre Äußerung „Sie lügen“ gesteuert gehandelt. In einem solchen Fall sei die Warnung sogar notwendig. Denn der Arbeitgeber dürfe davon ausgehen, dass er eine Arbeitnehmerin durch die Androhung einer Kündigung positiv für die Zukunft beeinflusse.
Deshalb müssen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer auch abmahnen, bevor sie diese wegen einer Verletzung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen kündigen können.
 
Würde der Arbeitgeber dann zu einem späteren Zeitpunkt kündigen, weil sie ihren Arbeitgeber erneut in seiner Ehre verletzen würde, könnte die Entschuldigung im Kündigungsschutzprozess trotzdem zu Gunsten der Arbeitnehmerin noch berücksichtigt werden.
 
In diesem Fall hatte die Klägerin keinen Erfolg. Vielmehr schrieb das Urteil die Abmahnung erst recht fest. Hätte die Mitarbeiterin hier nicht geklagt, hätte sich ihr Arbeitgeber womöglich nach Jahren gar nicht mehr an die Einzelheiten der Situation erinnern können.
Und in einem möglichen späteren Kündigungsschutzprozess hätte diese Abmahnung dann kein solches Gewicht erhalten, wie sie es durch dieses Urteil erst erhalten hat.
 
Trotzdem kann es in bestimmten Fällen sinnvoll sein, überprüfen zu lassen, ob der Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte besteht.
Beispielsweise wenn ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter regelmäßig mit unbegründeten Abmahnungen schikaniert, sollten sich die Mitarbeiter dies nicht gefallen lassen.
Auch kann es aus betriebsverfassungsrechtlichen Gründen sinnvoll sein, sich gegen Abmahnungen zu wehren. Nämlich dann, wenn der Arbeitgeber regelmäßig die Betriebsräte abmahnt, um die Betriebsratstätigkeit zu torpedieren.
 
Für solche Fälle übernehmen die Gewerkschaften für ihre Gewerkschaftsmitglieder in aller Regel die Kosten.