Die illegale Beschleunigungszahlung hätte den Kläger fast den Arbeitsplatz gekostet. © Adobe Stock: wirat
Die illegale Beschleunigungszahlung hätte den Kläger fast den Arbeitsplatz gekostet. © Adobe Stock: wirat

Alles fing mit der Lieferung von zwei Motoren und drei Zubehörtransporten an. Die vom Arbeitgeber beauftragte Spedition teilte dem Kläger mit, die Motoren und die Zubehörtransporte seien im Hafen. Reklamiert würden aktuell die angegebenen Gewichte für beide Sendungen. Man könne nun versuchen, die Situation auf dem kleinen Dienstweg zu klären. Dazu werde eine Kostenbestätigung des Klägers in Höhe von 1.500 € pro Transport benötigt. Zwar gebe es keine 100-%ige Gewähr, die Chancen stünden jedoch gut, dass dann die Abfahrt aus dem Hafen zeitnah erfolgen könne. Alternativ käme eine explizite Kontrolle in Betracht. Diese nehme jedoch ein paar Tage in Anspruch, wobei dann auch für alle Fahrzeuge Wartekosten anfielen.

 

Der Kläger entschied sich zur Zahlung

 

Im wohlverstandenen Interesse seines Arbeitgebers sagte der Kläger der Spedition insgesamt 3.000 € zu und informierte zeitgleich eine Kollegin über den Vorgang. In seiner E-Mail hieß es, 1.500 € pro Lkw seien fällig, wenn keine tagelange Kontrolle gewollt sei. „Das sind Zigeuner im Hafen...Mist" schrieb er weiter.

 

Nachdem die Kollegin ihm antwortete, das sei Bestechung, informierte der Kläger auch seinen unmittelbaren Vorgesetzten mit dem Hinweis, dass dies nach Bestechung aussehe. Man müsse sich noch mal zusammen abstimmen. Er habe die Kosten bestätigt, um überhaupt die Ware aus dem Hafen zu bekommen, was dann auch geklappt habe.

 

Die wenige Tage später eingehende Rechnung zeichnete der Kläger als "sachlich geprüft" ab und leitete sie an seinen Vorgesetzten zur Freigabe weiter. Wenige Wochen später informierte ein Whistleblower die Compliance- Abteilung der Beklagten über eine mögliche unrechtmäßige Beschleunigungszahlung. Diese Information erreichte anschließend auch die Konzernmutter, die sodann den Sachverhalt ermittelte.

 

Belege gab es nicht

 

Im Rahmen des Verfahrens wurde die Spedition aufgefordert, einen Leistungsnachweis zu erbringen. Das geschah nicht. Stattdessen erging der Hinweis der Spedition, bekanntlich sei die Situation vor Ort damals auf dem "kleinen Dienstweg" geregelt worden. Die Kollegen hätten das Problem unbürokratisch gelöst, um eine explizite Kontrolle zu umgehen. Einen Beleg habe die Spedition nicht erhalten und können somit auch keinen zur Verfügung stellen.

 

Die Beklagte sah daraufhin eine illegale Beschleunigungszahlung als nachgewiesen an und kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers, der im Übrigen im Rahmen seines bisherigen Arbeitsverhältnisses eingehend darüber belehrt worden war, sich niemals bestechen zu lassen oder andere niemals zu bestechen.

Der Betriebsrat widersprach der fristgemäßen Kündigung nicht. Der Kläger wurde im Rahmen eines Prozessarbeitsverhältnisses auf einem anderen Arbeitsplatz mit rein administrativen Aufgaben auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus weiterbeschäftigt.

 

In der ersten Instanz verlor der Kläger den Prozess

 

Das Arbeitsgericht Augsburg wies erstinstanzlich die Kündigungsschutzklage des Betroffenen ab. Das Gericht war davon überzeugt, dass es sich bei der Zahlung des Klägers in Höhe von 3.000 € um eine illegale Beschleunigungszahlung gehandelt habe, denn hierdurch sollten langwierige Kontrollen im Hafen verhindert werden, ohne dass es dafür einen legalen Hintergrund gegeben habe. Doris Müller vom DGB Rechtschutzbüro Augsburg legte gegen diese Entscheidung Berufung beim Landesarbeitsgericht München ein.

 

Das Landesarbeitsgericht hob nun die erstinstanzliche Entscheidung auf und erklärte die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung für unwirksam. Es habe mildere Mittel gegeben, heißt es in der Entscheidung. Im Übrigen sei der Kläger auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus weiterbeschäftigt worden, sodass auch die Beklagte selbst deutlich gemacht habe, dass der gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwurf nicht schwer genug wiege, um sich von diesem sofort zu trennen.

 

Das Landesarbeitsgericht wägte ab

 

Das Landesarbeitsgericht gab dem Arbeitsgericht der ersten Instanz insoweit recht, als der Kläger nachweislich eine Pflichtverletzung begangen habe. Durch ihn sei tatsächlich eine illegale Beschleunigungszahlung freigegeben und im Rahmen der Rechnungsstellung als „sachlich richtig" bestätigt worden, so das Landesarbeitsgericht.

 

Dass dem Kläger das auch bewusst gewesen sei, ergäben die Formulierungen wie "Zigeuner" und "auf dem kleinen Dienstweg". Auch die Angaben des Klägers gegenüber dem Vorgesetzten hinsichtlich der Bestechung zeigten, dass der Kläger sich des Vorliegens einer illegalen Zahlung bewusst gewesen sei. Insbesondere im Zusammenhang mit den erfolgten Schulungen und den darin enthaltenen Beispielen habe sich das dem Kläger auch aufdrängen müssen, sodass Zweifel bezüglich des Bewusstseins beim Kläger nicht angebracht erschienen.

 

Die Beklagte habe jedoch eine ausreichende Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Mittel unterlassen. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Ablaufes, insbesondere des Hinweises gegenüber dem Vorgesetzten und der Intention des Klägers, weitergehenden Schaden von der Beklagten in Form von Vertragsstrafen und höheren Kosten abwenden zu wollen, habe es mildere Mittel gegeben. Der Kläger habe bei der Aufklärung mitgeholfen. Die Beklagte habe ihn monatelang weiterbeschäftigt. Im Sinne des milderen Mittels sei daher vorher eine Abmahnung angebracht gewesen.

 

Eine Abmahnung wäre vorrangig gewesen

 

Die Erteilung einer Abmahnung als milderes Mittel komme nur in zwei Fällen nicht in Betracht. Zum einen dann, wenn von einem künftigen, vertragstreuen Verhalten des*der Beschäftigten nicht ausgegangen werden könne. Dies sei beim Kläger nicht anzunehmen, denn er habe selbst an der Aufklärung des Sachverhaltes mitgewirkt.

 

Zum anderen könne die Schwere des Verstoßes eine Abmahnung entbehrlich machen. Im Fall des Klägers sei dabei zu berücksichtigen, dass dieser den Vorfall seinem Vorgesetzten selbst dargelegt und die Rechnung nur als sachlich richtig bestätigt habe. Der Verstoß erscheine auch nicht so schwerwiegend, weil der Kläger insbesondere im Hinblick auf drohende Schäden für die Beklagte, etwa Vertragsstrafen, so gehandelt habe.

 

Das Prozessarbeitsverhältnis widerspricht der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung

 

Selbst, wenn man eine Abmahnung vorliegend nicht genügen lassen wolle, bleibe jedoch die Tatsache, dass die Beklagte trotz Kenntnis der Vorfälle auch nach Abschluss der Ermittlungen eine Weiterbeschäftigung des Klägers im Rahmen eines Prozessarbeitsverhältnisses zugelassen habe.

 

Hätte der Kläger Bestechung begangen und sich daher insoweit sogar strafbar gemacht, so wäre auch eine fristlose Kündigung an sich gerechtfertigt gewesen. Dem entgegengesetzt habe die Beklagte die Arbeitskraft des Klägers in Anspruch genommen und damit zu erkennen gegeben, dass es ihr durchaus zumutbar war über Monate hinweg dessen Arbeitskraft entgegenzunehmen. Das widerlege die Behauptung, es sei unzumutbar, den Kläger weiter zu beschäftigen.

 

Während der Prozessarbeitsbeschäftigung habe die Beklagte den Kläger im Übrigen auch ausschließlich mit rein administrativen und nicht mehr mit verantwortungsvollen Tätigkeiten betraut. Insofern erscheine es durchaus auch als milderes Mittel im Rahmen der Verhältnismäßigkeit denkbar, den Kläger mit derartigen Tätigkeiten weiter zu beschäftigen. Im Wege der Änderungskündigung aus verhaltensbedingten Gründen hätte die Beklagte ihm einen anderen Arbeitsplatz übertragen können.

 

Hier geht es zum Urteil des Landesarbeitsgerichts München.