Aus dem Internet heruntergeladene Impfunfähigkeitsbescheinigung kann den Job kosten. © Adobe Stock - Von AliFuat
Aus dem Internet heruntergeladene Impfunfähigkeitsbescheinigung kann den Job kosten. © Adobe Stock - Von AliFuat

Die Klägerin steht bei der Beklagten, die eine Klinik betreibt, seit Mai 2004 in einem Arbeitsverhältnis als Krankenschwester. Auf die Anweisung der Klinik im Zuge der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, den Impf- bzw. Genesenenstatus nachzuweisen oder ein ärztliches Impfunfähigkeitszeugnis vorzulegen, legte die Klägerin ihrer Arbeitgeberin eine Bescheinigung vor. Diese wies eine sechsmonatige vorläufige Impfunfähigkeit aus und trug die Unterschrift einer Ärztin aus Süddeutschland. Die Bescheinigung wurde aus dem Internet ausgedruckt. Eine - sei es digitale - Besprechung mit der Ärztin fand nicht statt. Die Beklagte informiert das Gesundheitsamt, welches dieser unter Datum vom 19. Januar 2022 mitteilte:

„Nach Überprüfung der vorgelegten Bescheinigungen Ihrer Mitarbeiterinnen stelle ich fest, dass sie aus dem Internet heruntergeladen sind und somit nicht auf einer ärztlichen Untersuchung beruhen. Zudem ist die die ärztliche Bescheinigung unterzeichnende Ärztin nicht bekannt.“


Nach Anhörung des bei ihr gebildeten Betriebsrats und der vom Betriebsrat erklärten Zustimmung sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 24. Januar 2022 eine außerordentliche Kündigung, hilfsweise außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zu Ende Juli 2022 aus. Gegen diese Kündigung erhob die Klägerin, die aufgrund tarifvertraglicher Regelungen ordentlich unkündbar war, Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Lübeck.

Klägerin: Infektionsschutzgesetz schließt arbeitsrechtliche Maßnahmen aus

Ihre Kündigungsschutzklage begründete die Klägerin damit, dass die Vorlage einer solchen Bescheinigung nicht zu beanstanden sei und § 20a des Infektionsschutzgesetzes (IFSG) weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen des Arbeitgebers ausschließe. Allein das Gesundheitsamt sei dazu berufen zu handeln und könne eine ärztliche Untersuchung der betroffenen Mitarbeiter*innen veranlassen.

Fristlose Kündigung unverhältnismäßig, aber......

Die Argumentation der Klägerin vermochte die Richter*innen des Arbeitsgerichts Lübeck nicht zu überzeugen. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die fristlose Kündigung aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit unverhältnismäßig sei, hielten jedoch die hilfsweise außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31. Juli 2022 aufgrund des Fehlverhaltens der Klägerin für sozial gerechtfertigt. Die Vorlage einer vorgefertigten ärztlichen Impfunfähigkeitsbescheinigung, ohne dass vorher eine Untersuchung erfolgt ist, so das Gericht, stellt eine sehr schwere Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten dar, die das Vertrauen in eine ungestörte weitere Zusammenarbeit auch ohne vorherige Abmahnung zerstört. Es hätte der Klägerin klar sein müssen, dass die vorgelegte Bescheinigung zwar bei der Arbeitgeberin den Anschein eines ärztlichen Zeugnisses erwecken würde, aber in Wahrheit nicht auf einer ärztlichen Untersuchung beruhte.

Entgegen der Annahme der Klägerin ergebe sich aus § 20a IFSG für eine solche Konstellation kein arbeitsrechtliches Kündigungsverbot.

Hier zum Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 13.04.2022, Az: 5 Ca 189/22

Rechtliche Grundlagen

§ 20a Infektionsschutzgesetz - IfSG

Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG)

§ 20a Immunitätsnachweis gegen COVID-19

(1) Folgende Personen müssen ab dem 15. März 2022 über einen Impf- oder Genesenennachweis nach § 22a Absatz 1 oder Absatz 2 verfügen:

1.

Personen, die in folgenden Einrichtungen oder Unternehmen tätig sind:

a)

Krankenhäuser,

b)

Einrichtungen für ambulantes Operieren,

c)

Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen,

d)

Dialyseeinrichtungen,

e)

Tageskliniken,

f)

Entbindungseinrichtungen,

g)

Behandlungs- oder Versorgungseinrichtungen, die mit einer der in den Buchstaben a bis f genannten Einrichtungen vergleichbar sind,

h)

Arztpraxen, Zahnarztpraxen,

i)

Praxen sonstiger humanmedizinischer Heilberufe,

j)

Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in denen medizinische Untersuchungen, Präventionsmaßnahmen oder ambulante Behandlungen durchgeführt werden,

k)

Rettungsdienste,

l)

sozialpädiatrische Zentren nach § 119 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,

m)

medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen nach § 119c des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,

n)

Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation nach § 51 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und Dienste der beruflichen Rehabilitation,

o)

Begutachtungs- und Prüfdienste, die auf Grund der Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch oder des Elften Buches Sozialgesetzbuch tätig werden,

2.

Personen, die in voll- oder teilstationären Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen oder in vergleichbaren Einrichtungen tätig sind,

3.

Personen, die in ambulanten Pflegediensten und weiteren Unternehmen, die den in Nummer 2 genannten Einrichtungen vergleichbare Dienstleistungen im ambulanten Bereich anbieten, tätig sind; zu diesen Unternehmen gehören insbesondere:

a)

ambulante Pflegeeinrichtungen gemäß § 72 des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie Einzelpersonen gemäß § 77 des Elften Buches Sozialgesetzbuch,

b)

ambulante Pflegedienste, die ambulante Intensivpflege in Einrichtungen, Wohngruppen oder sonstigen gemeinschaftlichen Wohnformen erbringen,

c)

Unternehmen, die Assistenzleistungen nach § 78 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erbringen,

d)

Unternehmen, die Leistungen der interdisziplinären Früherkennung und Frühförderung nach § 42 Absatz 2 Nummer 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und § 46 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit der Frühförderungsverordnung oder heilpädagogische Leistungen nach § 79 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erbringen,

e)

Beförderungsdienste, die für Einrichtungen nach Nummer 2 dort behandelte, betreute, gepflegte oder untergebrachte Personen befördern oder die Leistungen nach § 83 Absatz 1 Nummer 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erbringen, und

f)

Leistungsberechtigte, die im Rahmen eines Persönlichen Budgets nach § 29 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch Personen für die Erbringung entsprechender Dienstleistungen beschäftigen.

Satz 1 gilt nicht für Personen, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können.



(2) Personen, die in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen tätig sind, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens bis zum Ablauf des 15. März 2022 folgenden Nachweis vorzulegen:

1.

einen Impfnachweis nach § 22a Absatz 1,

2.

einen Genesenennachweis nach § 22a Absatz 2,

3.

ein ärztliches Zeugnis darüber, dass sie sich im ersten Schwangerschaftsdrittel befinden, oder

4.

ein ärztliches Zeugnis darüber, dass sie auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können.

Wenn der Nachweis nach Satz 1 nicht bis zum Ablauf des 15. März 2022 vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Daten zu übermitteln. Die oberste Landesgesundheitsbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann bestimmen, dass

1.

der Nachweis nach Satz 1 nicht der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens, sondern dem Gesundheitsamt oder einer anderen staatlichen Stelle gegenüber zu erbringen ist,

2.

die Benachrichtigung nach Satz 2 nicht durch die Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens, sondern durch die nach Nummer 1 bestimmte Stelle zu erfolgen hat,

3.

die Benachrichtigung nach Satz 2 nicht gegenüber dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, sondern gegenüber einer anderen staatlichen Stelle zu erfolgen hat.



(3) Personen, die in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen ab dem 16. März 2022 tätig werden sollen, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens vor Beginn ihrer Tätigkeit einen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 vorzulegen. Wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Daten zu übermitteln. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Eine Person nach Satz 1, die keinen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 vorlegt, darf nicht in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen beschäftigt werden. Eine Person nach Satz 1, die über keinen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 verfügt oder diesen nicht vorlegt, darf nicht in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen tätig werden. Die oberste Landesgesundheitsbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann allgemeine Ausnahmen von den Sätzen 4 und 5 zulassen, wenn das Paul-Ehrlich-Institut auf seiner Internetseite einen Lieferengpass zu allen Impfstoffen mit einer Komponente gegen das Coronavirus SARS-CoV-2, die für das Inverkehrbringen in Deutschland zugelassen oder genehmigt sind, bekannt gemacht hat; parallel importierte und parallel vertriebene Impfstoffe mit einer Komponente gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 bleiben unberücksichtigt.

(4) Soweit ein Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 ab dem 16. März 2022 seine Gültigkeit auf Grund Zeitablaufs verliert, haben Personen, die in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen tätig sind, der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens einen neuen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 innerhalb eines Monats nach Ablauf der Gültigkeit des bisherigen Nachweises vorzulegen. Wenn der neue Nachweis nach Satz 1 nicht innerhalb dieses Monats vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Daten zu übermitteln. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(5) Die in Absatz 1 Satz 1 genannten Personen haben dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, auf Anforderung einen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 vorzulegen. Bestehen Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises, so kann das Gesundheitsamt eine ärztliche Untersuchung dazu anordnen, ob die betroffene Person auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden kann. Das Gesundheitsamt kann einer Person, die trotz der Anforderung nach Satz 1 keinen Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt oder der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nach Satz 2 nicht Folge leistet, untersagen, dass sie die dem Betrieb einer in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtung oder eines in Absatz 1 Satz 1 genannten Unternehmens dienenden Räume betritt oder in einer solchen Einrichtung oder einem solchen Unternehmen tätig wird. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine vom Gesundheitsamt nach Satz 2 erlassene Anordnung oder ein von ihm nach Satz 3 erteiltes Verbot haben keine aufschiebende Wirkung.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten nicht für die in den Einrichtungen oder von den Unternehmen behandelten, betreuten, gepflegten oder untergebrachten Personen.

(7) Die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten voll- und teilstationären Einrichtungen, die zugelassene Pflegeeinrichtungen im Sinne von § 72 des Elften Buches Sozialgesetzbuch sind, sind verpflichtet, dem Robert Koch-Institut monatlich Angaben zum Anteil der Personen, die gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft sind, jeweils bezogen auf die Personen, die in der Einrichtung beschäftigt sind oder behandelt, betreut oder gepflegt werden oder untergebracht sind, in anonymisierter Form zu übermitteln. Soweit es zur Erfüllung der Pflichten aus Satz 1 erforderlich ist, darf die Leitung der in Satz 1 genannten Einrichtungen zu diesem Zweck personenbezogene Daten einschließlich Daten zum Impfstatus in Bezug auf die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) verarbeiten. Die Daten nach Satz 2 dürfen auch zur Beurteilung der Gefährdungslage in der Einrichtung im Hinblick auf die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) verarbeitet werden, solange und soweit dies erforderlich ist. § 22 Absatz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes gilt entsprechend. Bestehen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Regelung bereits landesrechtliche Meldeverfahren, die auf bisherigem Bundesrecht beruhen und die zu den durch das Robert Koch-Institut nach Satz 1 zu erhebenden Daten anschlussfähig sind, bleiben die landesrechtlichen Meldeverfahren von der Änderung unberührt, wenn die Länder nach Kreisen und kreisfreien Städten aufgeschlüsselte Daten direkt an das Robert Koch-Institut übermitteln; insoweit entfällt die Meldepflicht nach Satz 1. Das Robert Koch-Institut führt die ihm übermittelten Daten zusammen und übermittelt sie monatlich in anonymisierter Form dem Bundesministerium für Gesundheit sowie den Ländern bezogen auf Länder- und Kreisebene. Die nach den Sätzen 2 und 3 erhobenen Daten sind spätestens am Ende des sechsten Monats nach ihrer Erhebung zu löschen; die Bestimmungen des allgemeinen Datenschutzrechts bleiben unberührt.

(8) Durch die Absätze 1 bis 5 wird das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt.