Fußball ist schon lange nicht mehr nur Volkssport. Der Profibereich ist vielmehr ein Millionengeschäft, in dem immer mehr früher erfolgreiche Vereine abstürzen. Eines dieser Traditionsvereine ist der FC Rot-Weiß Erfurt e.V., über dessen Vermögen im Sommer 2018 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

 

Im Mai desselben Jahres hatte der zu dem Zeitpunkt bereits bestellte starker vorläufige Insolvenzverwalter einen neuen Sportdirektor eingestellt. Im April 2019 kündigte er dann als Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis zum 31. Juli 2019. Hiermit war der Sportdirektor jedoch nicht einverstanden und erhob Kündigungsschutzklage.

Gilt das Kündigungsschutzgesetz, müssen Arbeitgeber*innen genau darlegen, warum das Beschäftigungsbedürfnis für die zu kündigende Person entfallen ist

In erster Instanz wies das Arbeitsgericht die Klage ab. Das Thüringer Landesarbeitsgericht änderte das Urteil jetzt allerdings ab und erklärte die Kündigung für unwirksam.

 

Findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, müssen Arbeitgeber*innen im Falle einer Kündigungsschutzklage genau darlegen, warum das Beschäftigungsbedürfnis für die zu kündigende Person entfallen ist. 

 

Dringende betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung bedingen, können sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) daraus ergeben, dass der Arbeitgeber sich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfallen lässt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Vielmehr kann ein Gericht sie nur daraufhin prüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.

Die Aufgaben des Sportdirektors will der Insolvenzverwalter auf andere Beschäftigte verteilt haben

Hierauf berief sich der Insolvenzverwalter. Die Aufgaben des Sportdirektors sei auf andere Personen verteilt worden, trug er vor. Der Sportdirektor habe u.a. die Aufgabe gehabt, neue Spieler für die erste Mannschaft zu sichten. Zudem sei er dafür zuständig gewesen, Verträge mit Spielern abzuschließen. Auch habe er einordnen müssen, inwieweit potenzielle Spieler überhaupt talentiert sind.

 

Zudem habe er das „Funktionsteam“ der ersten Mannschaft auswählen und überwachen müssen. Hierbei habe es sich um ärztliche Betreuer, Sanitäter, Physiotherapeuten und weitere Mitarbeiter gehandelt. Diese Aufgabe habe nunmehr der neue Cheftrainer übernommen. Die anderen Tätigkeiten habe man auf weitere Mitarbeiter verteilt. Viele dieser Tätigkeiten hätten ohnehin andere Mitarbeiter verrichtet. Der Sportdirektor hätte insoweit nur „übergeordnete“ Aufgaben gehabt. Diese würde nunmehr der Insolvenzverwalter selbst ausüben.

Sind Organisationsentscheidung und Kündigungsentschluss deckungsgleich, kann man nicht unbesehen vermuten, dass die Entscheidung aus sachlichen Gründen erfolgt ist

Das BAG betont aber auch stets, dass in Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich seien, die Vermutung nicht unbesehen greifen könne, dass die Entscheidung aus sachlichen Gründen erfolgt sei. Da die Kündigung nach dem Gesetz an das Vorliegen von Gründen gebunden sei, die außerhalb ihrer selbst liegen, müsse der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung verdeutlichen.

 

Daran fehle es, wenn die Entscheidung in ihrer Folge zu einer Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personals führe oder sie lediglich als Vorwand dafür sei, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestünden und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags als zu belastend angesehen werde.

 

Wenn Ziel sei, eine Hierarchieebene abzubauen oder einen einzelnen Arbeitsplatz zu streichen, müsse der*die Arbeitgeber*in konkret erläutern, in welchem Umfang und auf Grund welcher Maßnahmen die bisher vom*von dem gekündigten Arbeitnehmer*in ausgeübten Tätigkeiten für diese*n zukünftig entfielen. Nur so könne man prüfen, ob die Entscheidung den dargestellten Voraussetzungen genüge.

Der Insolvenzverwalter hat nicht dargelegt, welche Tätigkeiten der Sportdirektor konkret ausgeübt hat

Der*die Arbeitgeber*in müsse die Auswirkungen seiner*ihrer unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigt werden könnten. 

 

An diese Rechtsprechung knüpft das Thüringer LAG an. Was große Teile der Aufgaben des Sportdirektors anginge, sei der Insolvenzverwalter bereits im Vagen geblieben und habe durch das weitere Vorbringen diesen Sachvortrag noch verschleiert, so dass letztlich unklar geblieben sei, welche Aufgaben der Sportdirektor genau vormals gehabt haben soll. Daraus ergebe sich, dass unklar bliebe, wer genau diese Aufgaben jetzt fortführe.

 

Insgesamt habe der Insolvenzverwalter 13 Arbeitsaufgaben des Sportdirektors dargelegt, die sich bereits aus dem Arbeitsvertrag ergeben würden. Welche Tätigkeiten auszuüben seien, um diese Aufgaben zu erfüllen, habe er indessen nicht dargelegt. Sodann werde bezogen auf die meisten, nicht aber auf alle Aufgaben behauptet, bestimmte andere Arbeitnehmer*innen hätten diese nach Weggang des Klägers übernommen, um dann zu behaupten, diese hätten die Aufgaben bereits vorher größtenteils ausgeführt und der Sportdirektor hätte nur übergeordnete Tätigkeiten/Kontrolltätigkeiten ausgeübt.  Diese hätte sodann der Insolvenzverwalter übernommen.

Das Gericht konnte nicht erkennen, ob der Stellenstreichung tatsächlich ein Konzept zu Grunde gelegen hat

Der Insolvenzverwalter habe schon nicht dargelegt, welche Tätigkeiten der Sportdirektor konkret ausgeübt habe. Darüber hinaus bliebe völlig im Dunklen, was genau unter den „übergeordneten Tätigkeiten“ zu verstehen sei, so das LAG.

 

Es sei dem Gericht nicht möglich gewesen, zu überprüfen, ob der Stellenstreichung tatsächlich ein Konzept zu Grunde gelegen habe. Und zwar ein Konzept, aus dem hervorginge, welche Tätigkeiten, die der Sportdirektor konkret ausgeübt habe, auf andere und welche Mitarbeiter*innen übertragen worden seien. Zudem hätte der Insolvenzverwalter aufzeigen müssen, dass er diese Tätigkeiten diesen Mitarbeitern überhaupt hätte übertragen können, wenn er deren arbeitsvertraglichen und arbeitszeitlichen Vorgaben unter Beachtung des öffentlichen Arbeitszeitrechts beachtet.

 

Der Insolvenzverwalter hatte es mithin nicht vermocht, einen vom Gesetz geduldeten Kündigungsgrund darzulegen. 

Hier geht es zur Volltext-Entscheidung des Thüringer Landesarbeitsgerichts, Urteil vom 04.08.2021 - 4 Sa 293/19 (PDF)