Gert Becker aus dem DGB Rechtsschutzbüro Göppingen vertrat einen Außendienstmitarbeiter einer großen bundesweit tätigen Firma vor dem Arbeitsgericht Saarbrücken. Nachdem der Betrieb auf ein Unternehmen mit Sitz in Frankreich übergegangen war, sollten Reorganisationsmaßnahmen erfolgen. Um die Beschleunigung des Wachstums in einem attraktiven, profitablen und professionellen Markt sowie eine Trendwende im Geschäft zu erreichen, entwickelten die Betriebsparteien einen Interessenausgleich.

Der Interessenausgleich

Vorgesehen war dabei auch die Einsparung von Personal gegen Zahlung einer Abfindung. Der 56-jährige Außendienstmitarbeiter befürchtete, seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Er hatte einige Jahre zuvor zwar bereits ein Schreiben des vorhergehenden Betriebsinhabers erhalten, wonach die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung finden sollten. Danach wäre er unkündbar gewesen.

Ganz sicher war sich der Mann aber nicht, denn er war selbst war bislang kein Mitglied der IG Metall geworden. Im Sommer 2020 trat er der IG Metall bei. Das rettete ihm den Job.

Der Manteltarifvertrag

Nach dem Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie können Beschäftigte, die das 53., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb mindestens drei Jahre angehören, nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden.

Dennoch hörte der Arbeitgeber den Betriebsrat zur betriebsbedingten Kündigung des Mannes an. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung und wies zusätzlich darauf hin, dass der Arbeitgeber im Anhörungsschreiben persönliche Daten eines anderen Mitarbeiters angegeben habe. Der Chef störte sich daran nicht und sprach die Kündigung im November 2020 aus.

Becker sah sich damit keinen großen rechtlichen Herausforderungen ausgesetzt. Der Arbeitgeber stand auf verlorenem Posten.

Das Gerichtsverfahren

Das Arbeitsgericht machte kurzen Prozess. Die Kündigung sei bereits deshalb unwirksam, weil der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Dazu müsse der Arbeitgeber die Daten des*der Beschäftigten angeben, dem*der er kündigen wolle. Das umfasse insbesondere die Personalien, die Absicht zur Kündigung und die Art der beabsichtigten Kündigung. Die Sozialdaten seien für die vom Arbeitgeber vorzunehmende Sozialauswahl von Bedeutung. Die Personalien habe der Chef hier falsch übermittelt. Das mache die Kündigung unwirksam.

Die Mitgliedschaft in der IG Metall

Im Übrigen sei Kläger Mitte 2020 in die IG Metall eingetreten. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie auf das Arbeitsverhältnis Anwendung gefunden. Daraus ergebe sich eine Unkündbarkeit des Klägers. Lediglich eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund wäre möglich gewesen. Eine solche aber hatte der Arbeitgeber nicht ausgesprochen.

Schließlich habe der Arbeitgeber trotz der langen Betriebszugehörigkeit des Klägers keine Sozialauswahl durchgeführt. Selbst wenn das Gericht ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger unterstelle, sei die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, da die Beklagte falsche Sozialdaten bei ihrer Auswahl angewandt habe. Sie habe den Kläger mit einem anderen Mitarbeiter verwechselt.

Die fehlende Ernsthaftigkeit

Es ist selten, dass große, bundesweit tätige Unternehmen derart viele Fehler bei Kündigungen machen. Nichtsdestotrotz: Es kommt vor.

Gert Becker meint dazu: k:„Die Gegenseite hat den Prozess nicht sehr engagiert geführt. Ich denke, sie hat einfach spekuliert, dass ein Großteil der Betroffenen die angebotenen Abfindung annehmen wird.“:k Im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht war ein Rechtsanwalt anwesend, der nur in Untervollmacht auftrat und zur Sache nichts sagen konnte.

Dem 56-jährigen war der Job wichtiger als die Abfindung. Deshalb ist es auch gut, wenn Tarifverträge die Unkündbarkeit lang beschäftigter älterer Arbeitnehmer*innen vorsehen.

Das Urteil des Arbeitsgericht Saarland vom 10. Juni 2021 – 10 Ca 3236/20 hier im Volltext