Nach einer Eigenkündigung des Klägers zog der Arbeitgeber eine zuvor gezahlte Gratifikation vom Lohn ab
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Nach einer Eigenkündigung des Klägers zog der Arbeitgeber eine zuvor gezahlte Gratifikation vom Lohn ab © Adobe Stock - Von MQ-Illustrations

Im Dezember 2021 brachte der ehemalige Arbeitgeber des Klägers ein im November 2021 gezahltes Weihnachtsgeld wieder in Abzug. Er zahlte stattdessen eine Betriebstreuegratifikation in Höhe von 2.160 € brutto.

 

Die Eigenkündigung ging dem Arbeitgeber im Dezember zu

 

Der ab 2018 als Software-Engineer beschäftigte Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis zu Ende Februar 2022.

 

Im Monat Februar 2022 behielt der Arbeitgeber - unter anderem - vom Gehalt des Klägers einen Betrag in Höhe von 2.160 € brutto ein. Dieser Betrag betraf die Gratifikationszahlung.

 

Der DGB Rechtsschutz Bremen erhob Klage beim örtlichen Arbeitsgericht und gewann das Verfahren. Der Arbeitgeber habe keinen Anspruch auf Rückforderung der Gratifikationszahlung, so das Gericht. Soweit der Formulararbeitsvertrag eine Rückzahlung der Betriebstreuegratifikation regele, sei diese Klausel unwirksam.

 

Das regelt der Arbeitsvertrag zur Betriebstreuegratifikation:
 

§ 6 Betriebstreuegratifikation

(1) Dem Arbeitnehmer wird für seine zukünftige Betriebstreue eine Gratifikation fällig am 30.11., in Höhe von 50% des monatlichen Bruttomonatsgehaltes ohne Zuschläge und Zulagen gewährt. Die Auszahlung erfolgt zusammen mit dem Novembergehalt.

(2) Der Anspruch entfällt vollständig, wenn der Arbeitnehmer am 30.11. nicht mehr in den Diensten des Arbeitgebers steht oder sich das Anstellungsverhältnis zum Zeitpunkt der Auszahlung in gekündigtem Zustand befindet.

(3) Soweit eine Betriebstreuegratifikation gezahlt wird, ist sie zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis von dem Arbeitnehmer oder von dem Arbeitgeber aufgrund eines in der Person oder Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Grundes vor dem 31.03. des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres beendet wird.

 

Soweit es den zweiten Absatz dieser Regelung angeht, konnte der Arbeitgeber sich nicht darauf stützen, der Anspruch auf Gratifikation sei entfallen. Ohne Zweifel hatte sich der Kläger am 30.11.2021 noch in einem bestehenden Arbeitsverhältnis befunden. Das Gericht ging auch davon aus, dass sich das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Auszahlung im ungekündigten Zustand befunden habe. Dabei kam es nicht darauf an, dass der Arbeitgeber erst ein Weihnachtsgeld gezahlt hatte und das im Dezember in die Gratifikation „umwandelte“. Denn die Auszahlung der Gratifikation erfolgt nach dem Arbeitsvertrag mit dem Novembergehalt und im November lag dem Arbeitgeber nachweislich die Kündigung des Klägers noch nicht vor.

 

Es kam also auf den dritten Absatz der Regelung an. Das Arbeitsgericht musste prüfen, ob die Klausel im Arbeitsvertrag zur Rückzahlung der Gratifikation einer AGB-Kontrolle standhält.

 

Verstößt die Rückzahlungsvereinbarung gegen AGB-Recht?

 

Der DGB Rechtsschutz Bremen trug zu dieser Regelung vor, es sei unzulässig, die Rückzahlungsverpflichtung schlechthin an das Ausscheiden durch Eigenkündigung zu knüpfen ohne danach zu differenzieren, in wessen Verantwortungsbereich der Grund für die Eigenkündigung falle. Denn es gebe auch Fälle, in denen Arbeitnehmer*innen aufgrund eines vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers zu Eigenkündigung veranlasst werden.

Außerdem sei die Klausel deswegen unwirksam, weil sie die Rückzahlungspflicht auch im Falle einer Arbeitgeberkündigung aus personenbedingten Gründen vorsehe, obwohl auch personenbedingte Gründe nicht immer im Einflussbereich des Arbeitnehmers lägen.

 

Das Gericht legt die Klausel zur Rückzahlung aus

 

Die vertragliche Rückzahlungsklausel sei an den Rechten Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu messen und demnach unwirksam. Zu dem Ergebnis war das Gericht gekommen, da es die Klausel so auslegte, dass der Kläger die Gratifikation nach einer Eigenkündigung in jedem Fall zurückzuzahlen hätte.

Die Klausel unterscheide insbesondere zwischen zwei Beendigungstatbeständen, einer Beendigung durch den Arbeitnehmer einerseits und einer Beendigung durch den Arbeitgeber andererseits. Der weitere Zusatz „aufgrund eines in der Person oder Verhalten des Arbeitnehmers liegendes Grundes“ beziehe sich dabei offensichtlich auf die Beendigung durch den Arbeitgeber. Zum einen orientiere sich die Aufzählung „personen- und verhaltensbedingt“ an den gesetzlichen Gründen für eine Kündigung durch den Arbeitgeber. Zudem erscheine die Konstellation, in der der Arbeitnehmer aus Gründen kündigt, die in seinem Verhalten liegen, fernliegend.

 

Die Klausel umfasse zudem dem Wortlaut nach alle personenbedingten Kündigungen.

 

Die so verstandene Klausel sei unangemessen.

 

Rückzahlungsklauseln unterliegen einer Inhaltskontrolle durch die Arbeitsgerichte

 

In der Rechtsprechung des BAG ist anerkannt, dass mit Sonderzahlungen verbundene einzelvertragliche Stichtags- und Rückzahlungsklauseln Arbeitnehmer*innen nicht in unzulässiger Weise in der Berufsfreiheit behindern dürfen und insoweit einer Inhaltskontrolle durch die Arbeitsgerichte nach § 307 BGB unterliegen. Eine Rückzahlungsklausel ist dabei auch dann unangemessen, wenn der Arbeitnehmer keinen Einfluss darauf nehmen kann, ob die Rückzahlungspflicht entsteht.

 

Bei der Wertung sah es das Gericht wie die Prozessbevollmächtigten des Klägers: durch die Rückzahlungsklausel werde der Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Denn die Rückzahlungspflicht entstehe für jeden Fall, in dem der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis beende. Dabei werde nicht danach unterschieden, aus wessen Sphäre der Grund für die Eigenkündigung stamme.

 

Eine ausnahmslose Pflicht zur Rückzahlung ist nicht sachgerecht

 

Somit müsse der Kläger die Gratifikation auch dann zurückzahlen, wenn er beispielsweise aufgrund eines vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers gezwungen wäre, das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsfrist durch Eigenkündigung zu beenden. Hierfür bestehe aber keine sachliche Grundlage, so das Gericht. Denn der Arbeitgeber knüpfe die Gratifikationszahlung an die Betriebstreue der Arbeitnehmer*innen. Wenn der Arbeitgeber diese Betriebstreue dann aber selber aus Gründen, die in seinem Verantwortungsbereich liegen, aufgibt, wäre es nicht interessengerecht, wenn der Arbeitnehmer, der sich betriebstreu verhält, die Gratifikation dennoch zurückzahlen müsste.

 

Außerdem sehe die Regelung auch bei jeder personenbedingten Arbeitgeberkündigung eine Rückzahlungspflicht vor. Deshalb benachteilige die Klausel den Kläger unangemessen, da es der Arbeitnehmer auch in diesem Fall nicht immer selbst in der Hand habe, bis zum Stichtag betriebstreu zu sein. So habe er auf eine Arbeitgeberkündigung aus krankheitsbedingten Gründen beispielsweise ebenso wenig Einfluss wie auf eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen. 

Rechtliche Grundlagen

§ 307 BGB Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
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