Nach fast dreißig Jahren hieß es: „gefeuert“ - der DGB Rechtsschutz half! © Adobe Stock: svort
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Der 53-jährige Mitarbeiter der Logistik arbeitete für seinen Arbeitgeber schon seit 1994. Er wurde zuletzt als Staplerfahrer in einer Firma eingesetzt, für die der Arbeitgeber einen Logistikauftrag ausführte. Dieser Auftrag war befristet vereinbart. Die Befristung endete mit Ablauf des Monats Dezember 2022 und wurde anschließend von einem anderen Unternehmen übernommen.

 

Das nahm der Arbeitgeber zum Anlass, dem Kläger betriebsbedingt zu kündigen.  Weitere 15 Mitarbeiter*innen erhielten ebenfalls eine Kündigung.

 

Der Betriebsrat widersprach der Kündigung des Klägers unter Hinweis darauf, dass soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtig worden seien. Eine Änderungskündigung hätte ausgereicht. Es gebe in anderen Standorten Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger.

 

Dennoch kam es zur Kündigung

 

Mit Unterstützung der Jurist*innen des DGB Rechtsschutzbüros Saarbrücken erhob der Betroffene Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht und gewann seinen Prozess.

 

Im Verfahren behauptete der beklagte Arbeitgeber, der Arbeitsplatz des Klägers sei dauerhaft weggefallen. Eine Möglichkeit, ihn weiterzubeschäftigen sei nicht vorhanden. Andere Arbeitsplätze, die für den Kläger in Betracht kämen, existierten nicht. Eine Sozialauswahl sei entbehrlich gewesen, weil die Beklagte allen Arbeitnehmer*innen im betroffenen Objekt gekündigt habe.

 

Dringende betriebliche Gründe für die Kündigung sah das Gericht nicht

 

Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers finde das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, so das Gericht im Urteil. Die Kündigung sei nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers in dem Betrieb der Beklagten entgegenstehen, gerechtfertigt.

 

Ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung könne sich aus einem innerbetrieblichen (insbesondere einer unternehmerischen Organisationsentscheidung) oder aus einem außerbetrieblichen Grund (z.B. einem Auftragsmangel) ergeben.

 

Außerbetriebliche Faktoren lägen beispielsweise vor, wenn ein Arbeitgeber im Fall eines Auftragsverlustes die Anzahl der benötigten Arbeitnehmer*innen unmittelbar an die verbliebene bzw. vorhandene Arbeitsmenge anpassen wolle. Arbeitgeber seien grundsätzlich nicht gehalten, nicht mehr benötigte Arbeitsplätz und Arbeitskräfte weiterhin zu besetzen und zu beschäftigen.

 

Der Arbeitsanfall muss dauerhaft zurückgehen

 

Passe der Arbeitgeber im Fall eines Auftragsverlustes oder eines reduzierten Auftragsbestands die Anzahl der benötigten Arbeitnehmer*innen unmittelbar an die verbliebene Arbeitsmenge an, könne sich daraus ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung ergeben. Dazu müsse der Arbeitsanfall dauerhaft so zurückgegangen sein, dass zukünftig für einen oder mehrere Arbeitnehmer*innen kein Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung mehr bestehe.

 

Behaupte der Arbeitgeber, das Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung sei wegen eines solchen Auftragsrückgangs entfallen, könne das Gericht in vollem Umfang nachprüfen, ob die außerbetrieblichen Umstände für die Kündigung zum Zeitpunkt der Kündigung tatsächlich vorlagen und auch zu einem dauerhaften Rückgang des

Beschäftigungsvolumens führten. Dabei reiche ein bloßer Hinweis auf auslaufende Aufträge und das Fehlen von Anschlussaufträgen regelmäßig nicht aus.

 

Der Arbeitgeber müsse nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung vielmehr anhand seiner Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darstellen, warum nicht nur eine kurzfristige Auftragsschwankung vorliege, sondern ein dauerhafter Auftragsrückgang zu erwarten sei.

 

Der Arbeitgeber muss eine unternehmerische Entscheidung vorweisen können

 

Es sei Aufgabe der Arbeitsgerichte nachzuprüfen, ob eine unternehmerische Entscheidung überhaupt getroffen worden sei und ob sie sich betrieblich dahingehend auswirke, dass der Beschäftigungsbedarf für den*die gekündigten Arbeitnehmer*in entfallen sei.

 

Zwar müsse nicht ein ganz bestimmter Arbeitsplatz entfallen sein. Voraussetzung sei aber, dass die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers ursächlich für den vom Arbeitgeber behaupteten Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses war.

 

Erschöpfe sich die Entscheidung des Arbeitgebers im Wesentlichen darin, Personal einzusparen, so rücke sie nahe an den Entschluss zur Kündigung heran. Da die Kündigungsentscheidung selbst nach dem Gesetz nicht frei, sondern an das Vorliegen von Gründen gebunden sei, müsse der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit, also deren Dauerhaftigkeit, verdeutlichen.

 

Der Sachvortrag des Arbeitgebers ist kein Selbstzweck

 

Dass der Arbeitgeber zur organisatorischen Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit der unternehmerischen Entscheidung vortragen müsse, sei weder Selbstzweck, noch dürfe es dazu dienen, dass die Gerichte in die betrieblichen Organisationsabläufe

eingreifen.

 

Der Sinn bestehe darin, einen Missbrauch des Kündigungsrechts auszuschließen. Vermieden werden sollten betriebsbedingte Kündigungen, die zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbleibenden Personals führten. Gleiches gelte, wenn die unternehmerische Entscheidung lediglich als Vorwand benutzt werde, um Arbeitnehmer*innen aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeit fortbestünden und lediglich die Inhalte des Arbeitsvertrages oder die gesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen als zu belastend angesehen würden.

 

Der Beklagte konnte die unternehmerische Entscheidung nicht nachweisen

 

Die Beklagte sei den an sie gerichteten Anforderungen nicht einmal ansatzweise gerecht geworden. Es fehle an einem nachvollziehbaren Sachvortrag zur unternehmerischen Entscheidung und zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs des Klägers.

 

Die Beklagte habe lediglich mitgeteilt, dass der Beschäftigungsbedarf für den Kläger und weitere Arbeitskollegen für ein bestimmtes Objekt entfallen sei. Dass das dauerhaft so bleiben werde, lasse sich daraus nicht entnehmen. Ein konkretes Konzept habe die Beklagte nicht dargelegt. Das reiche zur Begründung einer betriebsbedingten Kündigung nicht aus.

 

Selbst wenn der Beschäftigungsbedarf im konkreten Objekt entfallen sei, hätte die Beklagte dazu vortragen müssen, wie sich die Aufträge und die Einsatzmöglichkeiten zukünftig entwickeln würden, welche Arbeitnehmer*innen sie zur Bearbeitung dieser Aufträge einsetzen wolle und welche Maßnahmen sie eingeleitet habe, um die Arbeitnehmer*innen im Rahmen neuer Aufträge zu verwenden.

 

Ein Einsatz unter geänderten Bedingungen muss der Arbeitgeber prüfen

 

Aus den Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes folge, dass die Beklagte den Kläger möglichst bei einem neuen Auftrag - auch zu geänderten Qualifikationsanforderungen - einsetzen müsse und zwar selbst dann, wenn hierfür noch Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen notwendig wären.

 

Die Beklagte sei deutschlandweit tätig und beschäftige Mitarbeiter im Rahmen von Dienstleistungs- und Werkverträgen, so dass nicht ersichtlich sei, wieso der Kläger nicht auf einem anderen Objekt hätte eingesetzt werden können. Der Kläger arbeite seit 1994 für die Beklagte als Mitarbeiter in der Logistik und sei zuletzt als Staplerfahrer und Geräteführer eingesetzt gewesen.

 

Sein Arbeitsvertrag habe sich nicht auf ein bestimmtes Objekt bezogen und es ergebe sich aus dem Sachvortrag der Beklagten auch nicht, dass der Kläger während seiner gesamten Beschäftigungszeit bei demselben Auftraggeber eingesetzt gewesen war. Zu etwaigen Möglichkeiten einer Weiterbeschäftigung habe sich die Beklagte im Übrigen gar nicht geäußert.

 

Die Entscheidung bezog sich nur auf ein Objekt

 

Die Beklagte habe die von ihr dargelegte unternehmerische Entscheidung außerdem nur auf ein Objekt bezogen. Zwar unterliege die Entscheidung über die Belegschaftsstärke der eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren unternehmerischen Entscheidungsfreiheit.

 

Da bei einer Entscheidung, die Personalstärke dauerhaft zu reduzieren, aber diese Entscheidung und der Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich seien, wäre es erforderlich gewesen, die Entscheidung in ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit zu verdeutlichen. Das sei nicht geschehen.

 

Die ausgesprochene Kündigung sei daher unwirksam. Auf Grund dessen habe der Kläger einen Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens.

 

Rechtliche Grundlagen

§ 1 Abs. 1 KSchG

§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen
(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.