Kündigung wegen unangemessener Unmutsäußerung unverhältnismäßig. © Adobe Stock - Von littlewolf1989
Kündigung wegen unangemessener Unmutsäußerung unverhältnismäßig. © Adobe Stock - Von littlewolf1989

Der Umgangston unterscheidet sich je nach Betrieb und Branche und kann mitunter rau sein. Doch nicht jede scharf formulierte Äußerung eines Beschäftigten stellt gleich eine Beleidigung und damit einen Kündigungsgrund für den Arbeitgeber dar. 

„Lassen Sie mich mit dem Scheiß in Ruhe!“

Vergreift sich ein Beschäftigter aber mal in der Wortwahl oder im Tonfall, kann dies eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht darstellen – und den Arbeitgeber zumindest zur Abmahnung berechtigen. Für eine Kündigung reichte dem Arbeitsgericht Hamm die Äußerung eines Berufskraftfahrers nicht.

Dieser lieferte sich ein Wortgefecht mit einer Mitarbeiterin eines Kunden, als er bei diesem auslieferte. Diese wies den Kläger darauf hin, dass er einen Mund- und Nasenschutz tragen solle, da auf dem gesamten Betriebsgelände Maskenpflicht gelte. Das sah der Kläger an der frischen Luft jedoch nicht ein und erwiderte: „Lassen Sie mich mit dem Scheiß in Ruhe, ich bin hier auf dem Parkplatz.“ 

Der Arbeitgeber nahm diese Äußerung zum Anlass, dem Kläger ordentlich zu kündigen. Eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses sei ihm nicht zumutbar, da dies nicht der einzige Vorfall gewesen war.

In der Vergangenheit hatte der Kläger wegen seines Verhaltens Abmahnungen erhalten. So äußerte er gegenüber einem Arbeitskollegen: „Das geht dich einen Scheißdreck an, du hast hier nichts zu sagen. Du bist ohnehin bei allen durch.“ und zeigte einem weiteren Kollegen den Mittelfinger. In einer Auseinandersetzung mit dem Schichtleiter Warenausgang hatte er diesem bescheinigt: „Du tickst doch nicht mehr ganz richtig!“. 

Nicht jede unangemessene Äußerung stellt eine Beleidigung dar

Grobe Beleidigungen gegenüber Arbeitgeber*innen, Kund*innen oder Kolleg*innen stellen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen erheblichen Verstoß gegen die vertragliche Pflicht eines jeden Beschäftigten zur Rücksichtnahme im Arbeitsverhältnis dar. Eine verhaltensbedingte Kündigung kann deshalb grundsätzlich auf eine solche Beleidigung gestützt werden. Doch nicht jede grobe Äußerung stellt gleich eine Beleidigung dar. Um eine Beleidigung handelt es sich juristisch bei einer ehrverletzenden und diffamierenden Äußerung, die im Kern die Herabsetzung des Gegenübers zum Inhalt hat. Bezieht sich eine Aussage aber auf ein politisches Thema oder wird lediglich der Unmut über eine gewisse Situation ausgedrückt, so steht regelmäßig der Inhalt und nicht die Herabsetzung des Gegenübers im Vordergrund. 

So sah es das Arbeitsgericht Hamm auch im betreffenden Fall. Es sei erkennbar, dass der Kläger nicht die Mitarbeiterin des Kunden in ihrer Ehre verletzen wollte, sondern vielmehr lediglich seinen Unmut über die coronabedingte Situation und Maskenpflicht auf dem Parkplatz unter freiem Himmel ausdrücken wollte. 

Doch ganz entließ das Arbeitsgericht den Kläger nicht aus seiner Verantwortung: Auch eine Unmutsäußerung kann, wenn sie in unangemessenem Tonfall erfolgt bzw. durch die Wortwahl gegen die üblichen Umgangsformen verstößt, eine Nebenpflichtverletzung darstellen. Dies nahm das Arbeitsgericht hier an. 

Ohne schwerwiegende Pflichtverletzung keine Kündigung ohne vorherige Abmahnung

Für eine Kündigung reichte dem Arbeitsgericht die Äußerung des Klägers jedoch nicht. Grundsätzlich stellt eine arbeitgeberseitige Kündigung immer das letzte Mittel einer Sanktion dar, weshalb alle milderen Mittel vorher ausgeschöpft sein müssen. Bei verhaltensbedingten Kündigungen kommt daher immer eine vorherige Abmahnung des konkreten Verhaltens in Betracht. Erst, wenn diese keinen Erfolg mehr versprechen und dem Beschäftigten eine negative Prognose zu stellen ist, kann eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein. 

Das Arbeitsgericht hielt dem Kläger zugute, dass die Angelegenheit mit dem betreffenden Kunden durch klärende Gespräche und einer Entschuldigung bereinigt werden konnte und der Kläger auch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist beanstandungsfrei den Kunden weiter belieferte. Dies zeige bereits, dass das Verhalten des Klägers nicht geeignet war, das Verhältnis zum Kunden nachhaltig zu beeinträchtigen. Insgesamt sei für die Äußerung des Klägers eine Abmahnung ausreichend gewesen.